Gastkommentar

Ist Frieden zwischen Israel und Palästina möglich? – Gastkommentar von Franz Alt

Bild Franz Alt Gastkommentar von Franz Alt
16.10.2023, 00:00 Uhr



Baden-Baden In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht goodnews4.de Beiträge von Gastkommentatoren. Zum engeren Kreis gehören der Baden-Badener Bestsellerautor Franz Alt und Thomas Bippes, Professor für Medien- und Kommunikationsmanagement an der SRH Fernhochschule – The Mobile University sowie Gesellschafter einer Online Marketing Agentur in Baden-Baden, der sich insbesondere den Themen der Digitalisierung, IT und Künstlichen Intelligenz zuwendet.

Franz Alt ist Journalist und Bestsellerautor und lebt in Baden-Baden. Er ist Herausgeber von www.sonnenseite.com.


Kommentar: Franz Alt Die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam befürchtet, dass eine vollständige israelische Blockade Gazas zu einer humanitären Katastrophe führt.

Mustafa Tamaizeh, amtierender Oxfam-Landesdirektor in den besetzten palästinensischen Gebieten und Israel, kommentiert den aktuellen Konflikt: «Oxfam ist entsetzt über die Angriffe auf Israel und auch äußerst besorgt über die zahlreichen zivilen Opfer in Gaza. Gewalt ebnet niemals den Weg zum Frieden. Die internationale Gemeinschaft muss alle ihr zur Verfügung stehenden diplomatischen Mittel einsetzen, um einen sofortigen Waffenstillstand zu erreichen.»

«Die Entscheidung der israelischen Regierung zur ‚totalen Belagerung‘ Gazas, zusätzlich zur bereits bestehenden weitgehenden Abriegelung, wird den Zivilisten im Gazastreifen lebenswichtige Güter wie Nahrung, Wasser und Strom vorenthalten. Das ist eine kollektive Bestrafung der Zivilbevölkerung und verletzt humanitäres Völkerrecht. Diese Entscheidung wird nicht zu Frieden und Sicherheit beitragen, sondern die Krise weiter anfachen.»

 

Nach UN-Angaben sind derzeit über 180.000 Menschen im Gazastreifen auf der Flucht; 135.000 von ihnen sind in den bereits überfüllten Schulen der UN-Hilfsorganisationen untergebracht. Den Familien mangelt es an Nahrungsmitteln, Wasser und sanitären Einrichtungen, viele sind in ihren Häusern gefangen und können nirgendwo hin fliehen, so der aktuelle Oxfam-Bericht.

In dieser Situation droht der ehemalige israelische Geheimdienstchef Yamos Adlin im israelischen Fernsehen: «Wir werden (im Gazastreifen) alles platt machen.» Mit diesem Denken und Handeln auf beiden Seiten wird Frieden natürlich niemals möglich.

Doch es gibt immer Alternativen. Die drei monotheistischen Religionen des Nahen Ostens könnten dabei einen zentralen Beitrag spielen. Doch seit 100 Jahren leisten die Religionen im Nahen Osten – wie auch anderswo – eher Beiträge zum Krieg als zum Frieden. Jede hat Angst vor der Übermacht der Anderen. Doch die Geschichte lehrt, dass Angst und Misstrauen nicht durch Krieg und Gewalt zu überwinden sind.

«Ethik ist wichtiger als Religion», meint der Dalai Lama. Die zentrale Tugend der drei abrahamischen Religionen ist in gleicher Weise die Barmherzigkeit. Hier steckt ein riesiges, noch unerschlossenes Friedenspotential. Die gemeinsame Basis von Judentum, Christentum und Islam heißt: verstehen statt verurteilen, versöhnen statt vernichten, lieben statt hassen. Empathie ist der Weg zum Frieden.

Gottfried Hutter, Psychotherapeut, Theologe, Nahostkenner mit Jahrzehnte langen Kontakten zu wichtigen Persönlichkeiten aus Politik und allen drei Religionen im Nahen Osten macht in seinem Buch «Ehrenhafter Frieden: 100 Jahre Nahostkonflikt», einen überraschenden, zunächst utopisch scheinenden, aber doch realisierbaren Friedensvorschlag: Die umstrittenen israelischen Siedlungen im Westjordanland als Friedenschance!

Utopisch, unrealistisch, verrückt? Sicher noch eine Vision. Doch schon oft waren die Visionen von heute die Realitäten von morgen. Also warum sollen nicht zwei Staaten friedlich nebeneinander koexistieren? Israel mit einer palästinensischen Minderheit neben Palästina mit einer jüdischen Minderheit der heutigen Siedler?

Gerade die so umstrittene jüdische Minderheit der Siedler im Westjordanland bietet jetzt eine realistische Chance, das gesamte Westjordanland einschließlich der jüdischen Siedlungen und Gaza zu einem neuen palästinensischen Staat zu verwandeln. Das wäre endlich ein politisches Gleichgewicht zwischen Israel und Palästina mit der Chance auf Wohlstand für alle. Die längst von vielen, auch von Deutschland favorisierte, Zweistaaten-Lösung.

Wie lief es denn in Europa nach 1945?

Die wirtschaftliche Kooperation war die Basis für Wohlstand und politischer Zusammenarbeit. Das war der Ansporn. Also könnten auch Palästina und Israel und ihre jeweiligen Minderheiten ökonomisch zusammenarbeiten und andere arabische Länder zu einer Nahost-Gemeinschaft, einer Nahost-Union, einladen – mit dem Ziel, Frieden und Wohlstand zu schaffen. Dabei könnte nach dem Vorbild der EU und in Kooperation mit der EU ein neues Wirtschaftswunder entstehen.

Am Anfang müssten natürlich vertrauensbildende Schritte stehen ähnlich wie beim Überwinden des Kalten Krieges vor einigen Jahrzehnten in Europa. Das Ziel muss Aussöhnung und Frieden sein, eine Zeit lang von UN-Blauhelmen überwacht. Dabei könnten die drei abrahamischen Religionen eine zentrale Rolle spielen. Alle drei Religionen basieren doch auf den Werten Liebe, Frieden und Barmherzigkeit. Eine starke politische und spirituelle Persönlichkeit müsste diese Vision, nach der sich Millionen Menschen aller Religionen im gesamten Nahen Osten sehnen, nachhaltig, glaubwürdig und öffentlichkeitswirksam vertreten. Vielleicht eine Frau wie Angela Merkel, die vom Frieden her denkt und nicht vom Kriegt her. Oder ein Mann wie Michail Gorbatschow, der vor über 30 Jahren den Mut zum ersten Abrüstungsschritt hatte. Auch kluge Politiker und religiöse Führer in Saudi-Arabien und Iran hoffen auf diese Vision – wie Gottfried Hutter aufzeigt. So könnte ein wachsender Nahostfrieden der Schlüssel für einen Weltfrieden werden. Die bisherige Nahostpolitik war und ist zu visionslos. Vor allem die Bedeutung der Religionen für den Frieden in dieser Region wurde von den USA und von der EU in allen Verhandlungen übersehen. Die Geschichte nach 1945 lehrt aber, dass selbst der Punkt des tiefsten Konflikts der Beginn zur Versöhnung in einer neuen Zeit sein kann. Frieden ist immer und grundsätzlich möglich. Das Gegenteil zu behaupten, ist Ideologie und menschenfeindlich.

Ein unschätzbar wertvolles Buch voll anregender neuer Ideen, das Gottfried Hutter schon vor sechs Jahren vorgelegt hat. Endlich ein Buch, das nicht vom Krieg her, sondern vom Frieden her denkt und deshalb aufzeigt, dass Frieden auch zwischen Israel und Palästina möglich ist.

«Unser Land ist groß genug für beide»

Als Vorbild könnte die alttestamentarische Geschichte von der Versöhnung zwischen den beiden verfeindeten Brüdern Jakob und Esau dienen: Vor viertausend Jahren trafen sich diese beiden «Erzfeinde» nach jahrzehntelangem Streit. Jakob hatte Esau betrogen und Esau wollte ihn töten. Als aber Jakob nach einem nächtlichen Traum Esau in einer Demutsgeste um Verzeihung bittet, ist Esau tief berührt und sagt: «Willkommen, mein Bruder. Unser Land ist groß genug für uns beide.»

Frieden beginnt immer mit einem Traum vom Frieden

Auch Israelis und Palästinenser können heute erkennen, dass ihr «Land groß genug für uns beide» ist. Beide sollten dies vor den Vereinten Nationen bekennen und einander um Verzeihung bitten. Entscheidend wird sein, ob einer den Mut zum ersten Schritt hat. Dieser erste Schritt in eine neue Richtung ist grundlegend.

Seit 2006 gab es drei Kriege zwischen Israel und den Palästinensern. Die dauerhafte Besatzung im Westjordanland ist keine Lösung. Warum und wofür einen vierten und fünften Krieg?

Es gibt immer Alternativen

Gerade der militärisch Stärkere kann den ersten Schritt gehen. Frieden ist auch zwischen Israel und Palästina möglich. Diesen ersten Schritt könnte Ministerpräsident Netanjahu tun und vor der UNO erklären: «Wir haben 1948 den Palästinensern Unrecht getan. Dafür bitten wir um Verzeihung. Aber bitte versteht, dass auch Juden nach 2.000 Jahren Verfolgung wieder eine Heimat wollen. Wir vergeben und wir bitten um Vergebung. Das Land reicht für uns beide.»




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