Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – Baden-Badener Jahresabschluss 2022 – „Der Kämmerer gackerte herum“

Baden-Baden, 23.03.2023, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Wolfgang Holstein Stellung.

Der Jubel kannte keine Grenzen. Partei- und geschlechterübergreifend fielen sich die Gemeinderäte in die Arme, herzten und küssten sich und einige, die für ihr extravagantes Auftreten bekannt sind, tanzten gar auf den Tischen. Was war geschehen? Der Kämmerer hatte beim Vortrag über die «Prognose Jahresabschluss 2022» bekannt gegeben, dass die Einnahmen aus der Gewerbesteuer extrem über der Prognose lagen und alleine aus der Gewerbesteuer mit einem Überschuss von 13 Millionen Euro gerechnet werden kann, so dass sich insgesamt im Stadthaushalt ein Überschuss von 18 Millionen Euro ergibt.

Als sich die allgemeine Begeisterung etwas gelegt hatte, führte der Kämmerer seine Erläuterungen weiter aus und plötzlich schmolz der bejubelte Überschuss wie Eis in der Sonne und es blieb als Fazit nur die Feststellung, dass trotz überragender Steuereinnahmen lediglich ein ausgeglichenes Haushaltsergebnis prognostiziert werden könne. Allerdings habe man die Schulden der Stadt immerhin um 2,5 Millionen Euro reduzieren können, während in den Vorjahren die Schulden unter der selbsternannten Finanzfachfrau Mergen Jahr für Jahr neue Höchststände erreicht hatten.

Endgültig auf den Tiefpunkt sank dann die Stimmung als sich der Stadtrat Hermann, der sich offensichtlich als einziger der Stadträte intensiv mit der Materie befasst hatte, die Frage erlaubte wie es sich mit den Schulden bei den Eigenbetrieben und Eigengesellschaften der Stadt verhalte. Da kam der Kämmerer ins Schwitzen und gackerte herum, dass es sich dabei um rund 200 Millionen Euro handle, dass man diese jedoch nicht mit der Stadt in einen Topf werfen könne, und außerdem seien dies Investitionen, die letztlich zu Einnahmen führen, z.B. zu Mieteinnahmen bei der städtischen Wohnbaugesellschaft und zu Stromentgelten bei den Stadtwerken. Das mag seine Richtigkeit haben, aber offensichtlich sind diese «Einnahmen» viel zu gering, als dass damit in ferner Zukunft vielleicht einmal mit dem Schuldenabbau begonnen werden könne. Die Stadt kann ihre Eigenbetriebe ja nicht einfach verleugnen, sondern muss für deren Schulden vollumfänglich geradestehen. Oder will man die Eigenbetriebe pleitegehen lassen, bzw. an amerikanische Finanz-Heuschrecken verkaufen, damit die Bürger künftig doppelt so hohe Gebühren für Gas, Strom und Wasser bezahlen müssen?

 

Da die meisten der Stadträte von der Materie ohnehin keine Ahnung haben, wurde dann die Forderung nach einer zusammenfassenden Darstellung der Finanzsituation gestellt. In der freien Wirtschaft nennt man so etwas eine konsolidierte Bilanz, die bisher von der Stadt aus gutem Grund nach Kräften durch Tricksen und Täuschen verhindert wurde. Mal sehen, ob es tatsächlich dazu kommt? Jedenfalls hat die Stadt Baden-Baden inkl. der Eigenbetriebe und Eigengesellschaften insgesamt ca. 227 Millionen Euro Schulden, die mit den oben genannten 2,5 Millionen Euro also gerade mal um ca. 1 Prozent reduziert werden konnten. Da können sich sogar die ansonsten desinteressierten Stadträte ausrechnen, dass sie einen nennenswerten Schuldenabbau nicht mehr erleben werden. Im Gegenteil, man will kurz- bis mittelfristig weitere gewaltige Investitionen tätigen, z.B. in die neue Feuerwache und das Stadtarchiv sowie diverse Schulsanierungen. Hinzu kommt dann noch die gewaltige Investition in das geplante neue Klinikum und nicht zu vergessen, die anstehenden Lohn- und Gehaltserhöhungen, die sich ebenfalls auf geschätzte 8 bis 10 Millionen Euro jährlich belaufen.

Kurz: lasst die Stadtverantwortlichen die wohl einmalige Entwicklung im Jahr 2022 feiern, die nächsten Jahre werden fürchterlich.

Wolfgang Holstein
Baden-Baden


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