Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – „Der neue OB feiert dieser Tage sein einjähriges Dienstjubiläum“ – „Kräht der Hahn auf dem Mist, bleibt in Baden-Baden alles wie es ist“

Baden-Baden, 05.06.2023, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Wolfgang Holstein Stellung.

In einem Jubel-Artikel des städtischen Presseorgans eines Karlsruher Verlagshauses werden die Tagungen im Kongresshaus überschwänglich gelobt und gipfeln in der Aussage der Geschäftsführerin Waggershauser, dass «das Jahr 2023 eines der besten Jahre wird, die das Haus je hatte». Nun, dann bleibt zu hoffen, dass das Kongresshaus auch zum ersten Mal in seiner Geschichte die Jahresmiete an die Stadt bezahlen kann und diese nicht, wie in der Vergangenheit üblich, wegen fehlender Auslastung erlassen werden muss.

Ferner wird die kühne Behauptung aufgestellt, man können ja noch viel mehr große Tagungen veranstalten, wenn dem nicht die begrenzte Bettenzahl in den Hotels entgegenstehen würde. Da vernimmt man von Insidern der Hotelbranche aber ganz andere Töne, demzufolge man von einer Auslastung über das Jahr gerechnet weit entfernt sei. Laut Waggershauser müsse man aktuell bei großen Veranstaltungen wie beim Kongress der Rückversicherer die Teilnehmer bis nach Bühl, Rastatt und sogar Karlsruhe ausquartieren. Das mag für die wenigen Großveranstaltungen der Wahrheit entsprechen, hilft aber nicht zur Auslastung über das Jahr gesehen. Wie lange werden sich Kongress-Teilnehmer eine «Auslagerung weit ab vom Schuss» wohl gefallen lassen, bis sie sich eine andere schöne Destination suchen, wo sich alles an einem Ort befindet?

 

Ebenfalls in einem halbseitigen Artikel der gleichen Ausgabe wird dann noch ausführlich beschrieben und bildtechnisch dokumentiert, wie die Tourismuschefin Waggershauser ein dekoratives Holzschild «Baden-Badener Rebland» an einen Pfosten nagelt, was offensichtlich schon als Höchstleistung für die Akquisition von Touristen gewertet werden muss.

Die Differenzen im neu gegründeten Einzelhandelsverband Baden-Baden, bei dem es scheinbar zu mehr Austritten als Neueintritten kam und die Vorschläge des Lesers Möhler in den goodnews4 vom 03.06. zum gleichen Thema zeigen im Prinzip im Kleinen die Problematik auf, die im Großen für die ganze Stadt Baden-Baden besteht. Es gibt, wie bereits in mehreren Leserbriefen dargelegt, keine Zukunftsstrategie und schon gar keinen Masterplan. Niemand weiß, wo die Stadt Baden-Baden in 10 oder 20 Jahren steht, und offensichtlich will das auch niemand wissen. Der neue OB feiert dieser Tage sein einjähriges Dienstjubiläum, aber man kann jetzt schon feststellen, dass der Spruch «kräht der Hahn auf dem Mist, bleibt in Baden-Baden alles wie es ist» wahrscheinlich auch in diesem Fall wieder seine volle Bestätigung findet.

Dass viele verantwortliche und hoch dotierte Positionen in der Baden-Badener Stadtverwaltung mit Personen besetzt sind, deren Fähigkeiten nicht ausreichen, die an das jeweilige Amt gestellten Anforderungen zu erfüllen, erkennt man nicht nur an den vorgenannten fehlenden Strategien, sondern auch daran, dass diese unfähigen Personen nicht wahrhaben wollen, dass es die «eierlegende Wollmilchsau» nicht gibt. Auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen kann man vielleicht in Großstädten, aber nicht in einem Provinznest wie Baden-Baden.

Während die einen die klassischen Konzerte (auch Open-Air-Konzerte) sowie die Kultur um das Welterbe propagieren, möchten die anderen am liebsten jedes Wochenende die Innenstadt für Flohmärkte oder Straßenfeste sperren, wiederum andere wollen Spielplätze im Wald (Waldkugelbahnen) errichten, damit auch die letzten Oasen der Ruhe dem Remmidemmi geopfert werden. Wieder andere möchten Erholungsflächen wie den Wörthböschelpark der Jugend zugänglich machen mit der Folge, dass sich spätestens 2 Wochen später eine Bürgerwehr bildet, die sich energisch gegen die nächtlich grillenden und alkoholisiert grölenden Jugendgruppen wehrt, die den Park in schöner Regelmäßigkeit mit ihren Abfällen versauen. Dann gibt es natürlich noch die Interessengruppen, die Baden-Baden zu einem Wirtschaftsstandort mit möglichst vielen Büro-Immobilien machen wollen und die leidigen Bauträger, die es noch nicht aufgegeben haben, die letzten ansehnlichen Wohngebiete mit möglichst unpassenden Luxus-Immobilien zu verschandeln.

Es bleibt also bei der Frage: «Quo vadis Baden-Baden?» Will man zurück in die Zeit vor 15, 20 Jahren, als wohlhabende Touristen die 5-Sterne-Hotels füllten und exklusive Geschäfte in Baden-Baden noch existieren konnten? Oder will man den Billig-Tourismus fördern, auf dass täglich hunderte von Bus-Touristen mit einer Eiswaffel oder einem Fleisch-Weck in der Hand durch die Stadt strömen? Will man der früheren Kultur mit dem damit verbundenen Niveau wieder zur Auferstehung verhelfen, oder sollen Rock-Konzerte etc. mit hunderten lautstarken Jugendlichen und Straßenfeste das Stadtbild prägen? Sollen die letzten sanierungsbedürftigen ehemals schönen Altbauten weiter viereckigen Luxus-Glaspalästen und die letzten für Normalsterbliche finanzierbaren Wohnungen in der Stadt Büroräumen weichen?

Auf alle diese Fragen gibt es von den Stadtverantwortlichen KEINE Antwort. Sollen die Bürger weiterhin machtlos diesem unwürdigen Treiben zusehen, oder gibt es vielleicht doch die Chance etwas an der bisher unbefriedigenden Situation zu ändern? Ja, die gibt es und zwar bei der nächsten Kommunalwahl (Achtung! Neue Wahlrechtsreform!). Man sollte sich im bald beginnenden Wahlkampf nicht von den billigen, leeren Versprechungen auf den Wahlplakaten beeindrucken lassen, bei denen es sich ohnehin bestenfalls nur um Absichtserklärungen handelt, die dann letztlich leider nicht umgesetzt werden können. Nein, man sollte von den Kandidaten Rechenschaft darüber fordern, was sie in den Jahren ihrer Amtstätigkeit als Stadträte geleistet haben. Was wollten sie erreichen, was konnten sie erreichen und was und warum konnten sie es nicht erreichen. Und erst dann die Frage stellen, wie sie sich die Zukunft in Baden-Baden vorstellen. Wenn Kandidaten dazu klare, ehrliche Auskünfte geben können (so zumindest die Hoffnung), dann sind sie auch für das Amt des Stadtrats geeignet, was aber mindestens bei der Hälfte aller Stadträte nicht zutreffen dürfte. Insbesondere die rot angehauchten Strategen der Partei Die Grünen dürften dann aber, wenn sie ihren Interview- und Auskunfts-Boykott gegen bestimmte Presseorgane aufrechterhalten wollen, ziemlich dumm dastehen.

Wolfgang Holstein
Bühlertal


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