Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – „Die von Ihnen entwickelten Utopien sehe ich eher skeptisch“

Baden-Baden, 24.09.2024, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Boris Fernbacher Stellung zu dem goodnews4-Bericht Heile Dich selbst und Du heilst den Planeten – Gastkommentar von Franz Alt.

Sehr geehrter Herr Alt, die von Ihnen auf goodnews entwickelten Utopien sehe ich eher skeptisch. Früher haben Sie die «solare Weltrevolution« beschworen, die für «Freiheit, Toleranz und Gerechtigkeit» sorgen würde. Ihr aktuelles Steckenpferd ist nun der Psychologe C.G. Jung und das Motto «Heile Dich selbst und Du heilst den Planeten».Wenn der Einzelne sich nur intensiv genug der eigenen seelischen Entwicklung widme, sei bald auch die ganze Welt und Natur gerettet. Mehr religiöser Glauben soll nach Ihren Worten auch die Welt zum Positiven verändern.

 

Sorry; aber schon die Hippies der 1970er-Jahre glaubten, durch Meditation, Selbsterfahrungsgruppen Hare Krishna-Gesänge und Blümchen in den Haaren die Welt zum Besseren ändern zu können. Hat leider nicht geklappt. Doch diese Utopien sind viel älter. Bereits der Philosoph Jean-Jacques Rousseau formulierte im 18. Jahrhundert die bis heute gültigen Traumtänzereien aller naiver Weltverbesserer. Der Mensch sei von Natur aus gut, die Gesellschaft aber böse («La nature a fait l’homme heureux et bon, mais la société le déprave et le rend misérable»). Rousseaus Vorstellungen konnten bis heute trotz vieler Versuche aber weder bewiesen noch umgesetzt werden. Fast alle Revolutionen der Geschichte brachten nicht mehr Gerechtigkeit, sondern meist nur Terror und Gewalt. Auch 1500 Jahre inbrünstiger religiös-christlicher Glaube haben uns einer «gerechteren Welt» kaum näher gebracht.

Vielleicht sollten wir uns eher an das realistische Menschenbild von Thomas Hobbes (1588-1679) halten, für den der Mensch von Natur aus weder gut noch böse, aber egoistisch auf Machtzuwachs bedacht und von Konkurrenzdenken und Ruhmsucht getrieben sei («So that in the nature of man, we find three principall causes of quarrel. First, Competition; Secondly, Diffidence; Thirdly, Glory»). Der von Hobbes aufgegriffene antike Spruch «homo homini lupus» hat damals wie heute Gültigkeit.

Probleme wie militärische Konflikte, Umweltzerstörung oder die Sicherung unseres bedrohten Wirtschaftsstandortes werden wir weder durch Versenkung in das eigene Selbst, Psychoanalyse nach C.G. Jung, mehr Jesus oder Buddha, die von Herrn Alt propagierten «individuellen Heilungsprozesse» oder die Ökopsychologie lösen. Nein; dazu benötigen wir rationales Denken, Wissenschaft, vernunftgesteuertes Handeln sowie verantwortungsvoll und vorausschauend handelnde Politiker. Hier kann jeder Einzelne seinen Beitrag leisten und sich in Bürgerinitiativen oder Parteien einbringen.

Boris Fernbacher
Baden-Baden


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