Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – goodnews4 Meldung „Kulturverein Jüdisches Leben Baden-Baden“ gegründet – „Worte, Worte, Worte! Was wir brauchen sind Taten!“

Baden-Baden, 31.10.2019, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Gertrud Mayer Stellung zu dem goodnews4-Bericht Kulturverein Jüdisches Leben Baden-Baden gegründet − «Austausch kultureller und gesellschaftspolitischer Positionen».

So Ronald S. Lauder, der 1944 in New York geboren wurde, Unternehmer und Diplomat, seit 2007 Präsident des World Jewish Congress (JWC). In dieser Funktion besuchte er jetzt die Synagoge in Halle, den «Tatort» (FAZ v. 26.10.2019), um mit den Gemeindemitgliedern zu sprechen.

Ronald Lauder, schwarzer Anzug, schwarze Kippa, sehr ernst, fragt: Wie lebt man als Jude in Halle? Der Gemeindevorsteher, gebürtig aus Kiew, berichtet von Beschimpfungen, deren Ton sich in den letzten Jahren verschärfte. Aber Halle stand auf der Liste der polizeilichen Sicherheitsstufen nicht weit oben. Die jüdische Gemeinde hat 560 Mitglieder, ist durch den Zustrom aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion angewachsen.

Es drängt sich der Vergleich mit Baden-Baden auf. Die notdürftige Ersatz-Synagoge in der Werderstraße wird kaum besonders geschützt? Vielleicht eher der Parkplatz der BT-Mitarbeiter in der Stephanienstr. 5, dem angestammten Synagogen-Grundstück?

Wo findet eigentlich zur Reichskristallnacht eine Gedenkfeier am 9. November 2019 statt? Entweder an der Gedenktafel der Parkplatzmauer oder am Denkmal vor dem ehemaligen Polizeipräsidium? Oberbürgermeisterin Mergen will schließlich mit der jüdischen Gemeinde «Hand in Hand» gehen!

«Erstaunlicherweise», sagt Lauder, «kommt der Hass von jungen Menschen, die nicht wissen, was hier vor achtzig Jahren geschah. Die dritte Generation ist ahnungslos, nicht nur in Deutschland, sondern überall. Das müssen wir ändern». Er konnte das Geschehen in Halle nicht vorausahnen, aber eine vom World Jewish Congress in Auftrag gegebene Studie zum deutschen Antisemitismus legt konkrete Zahlen dafür vor, dass Antisemitismus in Deutschland wieder auf dem Vormarsch ist – nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch unter den Eliten.

«Das alarmierende Ergebnis ist, dass siebenundzwanzig Prozent der deutschen Eliten antisemitisch sind … mehr als ein Viertel der deutschen Eliten vertritt die Überzeugung, dass Juden im Geschäftsleben (28 Prozent) und in globalen Angelegenheiten (26 Prozent) zu viel Macht haben. Auf der anderen Seite erkennt eine überwiegende Mehrheit der deutschen Eliten an, dass Juden heute in Deutschland von rassistischer Gewalt (60 Prozent) und Hassreden (58 Prozent) bedroht sind.»

«Die alarmierenden Ergebnisse der Umfrage geben allen Anlass, sich zu fragen, ob Deutschland sich wirklich von seiner schwierigen Vergangenheit gelöst hat. … Nur zwei Generationen nach dem Holocaust sind Juden in Deutschland und in der Welt wieder Ziele von Übergriffen. … Ich frage mich, was diesen gefährlichen Trend antreibt. … der Mangel an Bildung … und diese Unwissenheit führt zu einem Anstieg des Hasses.»

«Wenn es ein Land auf der Erde gibt, das extrem empfindsam sein sollte, wenn es um Antisemitismus geht, dann ist es Deutschland. Die Parteien und gesellschaftlichen Eliten in diesem Land haben es jedoch versäumt, alle Formen des Antisemitismus … zu bekämpfen. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte sind dieses mangelnde Bewusstsein und das Versäumnis, jüdische Mitbürger effektiv zu schützen, inakzeptabel und dürfen sich nicht fortsetzen. … Aus diesem Grund drängt der World Jewish Congress auf eine engagierte Kampagne zur Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland. …Dazu gehören meiner Meinung nach: Die Verbesserung der Sicherheit von Synagogen und jüdischen Einrichtungen, die Erweiterung der rechtlichen Definition von Antisemitismus …»

Bezieht man diese Forderungen auf Baden-Baden, so stellt sich die Frage nach Restituierung des Eigentums der jüdischen Gemeinde. Ist das Grundstück der niedergebrannten Synagoge in der Stephanienstr. 5 nur im «Besitz» unrechter Hände? Wer engagiert sich zur Wiederherstellung der ursprünglichen Eigentumsrechte? Warum geben die drei Eigentümerinnen Eva Ertl, Yvonne Hambruch-Piesker und Xenia Richters es nicht zurück? Zumal die Redaktion des Badischen Tagblatt im nächsten Jahr ein neues Domizil bezieht! Wird der Parkplatz als solcher dann noch gebraucht?

Wie lebt man als Jude in Baden-Baden? So wäre die Frage von Ronald Lauder. Es gibt eine Antwort: ein «Kulturverein Jüdisches Leben Baden-Baden» hat sich gegründet. Er wird für 596 Mitglieder der jüdischen Gemeinde Baden-Baden noch viele Fragen stellen müssen. Bekommt er auch Antworten?

Gertrud Mayer
Baden-Baden


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