Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – Ist der Boden der Stephanienstraße 5 kein „blutiger Boden“? - „Baden-Baden und sein Gesicht im Dritten Reich“

Leserbrief „Meine Meinung“ – Ist der Boden der Stephanienstraße 5 kein „blutiger Boden“? - „Baden-Baden und sein Gesicht im Dritten Reich“
Die Stadtapotheke in Wiesloch. Foto: Rudolf Stricker

Baden-Baden, 12.11.2018, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Gertrud Mayer Stellung.

Der Tennisclub Rot-Weiß und seine Dr. Ertl-Tennishalle: Sein Präsident Dr. med. Ottoheinz Ertl war von 1961 bis 1971 Präsident des Badischen Tennisverbandes Süd. Hat denn niemand nach seiner Vergangenheit von 1933 bis 1945 gefragt? Falls doch, so müsste der Club sich schleunigst umbenennen, z.B. in TC Braun-Weiß, oder die Tennishalle braucht einen neuen, anständigen Namen! Aber bitte nicht den des damaligen Oberbürgermeisters Ernst Schlapper, der hat für das Vereinsheim schon reichlich ins städtische Steuersäckel gegriffen.

Das schon früher erwähnte «große schwarze Loch» lässt sich für Wissende und Nicht-Wissende trefflich weiterfüllen, ohne dass ein Ende der Informationen absehbar wäre. Ottoheinz Ertl, (geb. 11.09 1911 in Erfurt) gehörte zu den ganz «Frühen» und trat als Medizin-Student an der Universität in Heidelberg bereits am 1. Mai 1933 der NSDAP bei. Eine Folge der «beeindruckende» Rede Hitlers zum 1. Mai, dem «gesetzlichen Feiertag der nationalen Arbeit»? Am 2. Mai 1933 besetzten Rollkommandos der SA und SS die Gewerkschaftshäuser, verhafteten die Gewerkschaftsführer und beschlagnahmten die Gewerkschaftsvermögen. Und der Gauleiter von Berlin, Joseph Goebbels freute sich über den raschen Sieg dieser Aktion.

Als Sohn eines Würzburger Apothekers wohnte Ertl im Haus der Wieslocher Stadt-Apotheke, Hauptstraße 96. Sein Foto vom 12. September 1935 zeigt einen gut und arisch aussehenden jungen Mann. Zu seiner Universität war es von Wiesloch mit der Straßenbahn ein Katzensprung. Noch näher gelegen war dagegen das sog. PZN. Das ist nicht die heutige Apothekenkennzeichen-Nummer für Medikamente, sondern das «Psychiatrische Zentrum Nordbaden», gleichzeitig akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Heidelberg.

Aus dem Jahr 1933 liegt eine Beschreibung des seinerzeitigen Anstalts-Direktors Dr. W. Möckel vor. Ab Oktober 1933 wurden entsprechend der NS-Ideologie Zwangssterilisationen und nachfolgende Euthanasie-Tötungsaktionen willfährig durchgeführt. Die PZN über sich: «Wir stehen im Volks- Gesundheitsdienst an der Stelle, wo die erbkranken Ströme zusammenfließen und arbeiten ... an der großen Aufgabe, das deutsche Volk erbgesund zu machen… intensiv wenden wir unsere Arbeitskraft der Ausschaltung der Erbkrankheiten zu... durch Verzicht auf Nachkommen künftige Generationen vor diesem Elend zu bewahren, ... ist es ein Verbrechen und eine Schande zugleich, dieses Unglück fortzupflanzen.»

Das war das Umfeld des Ottoheinz Ertl, das seinem akademischen Förderer und Doktorvater Prof. Dr. Runge sicher recht war, oder? Die Reichskristallnacht in Wiesloch spielte sich auch in der Nachbarschaft von Ottoheinz Ertl ab. Ein Zeitzeuge berichtet: «Von der evangelischen Kirche führte eine kleine Seitengasse zur Synagoge. Diese war innen schon zerstört … auf den Treppenstufen lagen noch brennende Gebetsbücher. Da sah ich einen evangelischen Kirchengemeinderat und Mitglied der Stadtverwaltung zur Stadt-Apotheke gehen. Von dort kam er mit einer größeren Schale Benzin wieder. Diese goss er über die Bücher und sagte«: … «dass er verbrennt der Judendreck.» Bemerkenswert ist, dass alle diese Exzesse am 9. / 10. November 1938 am hellen Tag stattfanden. Man habe nichts gesehen und bemerkt − hieß es oft.

Dieser Mangel an Urteilskraft, sagt Kant, ist eigentlich das, was man Dummheit nennt. Ist dieser «Krankheit» wirklich nicht abzuhelfen? So fragt man sich, warum die drei Alleineigentümerinnen des «BT-Imperiums» Eva Ertl, Xenia Richters und Yvonne Hambruch-Piesker und ihr Berater und Mitgeschäftsführer RA Rolf Metzmaier, das an das BT vermietete Synagogen- bzw. Parkplatz-Grundstück nicht seinem ursprünglichen Sinn und Zweck zuführen wollen. Oder wollen auch sie zu den Profiteuren der NS-Enteignungen gehören?

In der Bibel steht, dass sich die Sünden der Väter weiter fortsetzen bis ins letzte Glied. Sollte das hier auch der Fall sein, und das begangene Unrecht sich weiter vergrößern? Ist der Boden der Stephanienstraße 5 kein «blutiger Boden»? Sind diese Stadt und dieses Land moralisch so verlottert, dass kein geltendes Recht mehr gesprochen wird, auch wenn es mit Füßen getreten wird? Soll man es mit Friedrich Dürrenmatt halten, der unter diesen Umständen das Gesetz Moses wieder einführen würde? Wäre es so, fragt man sich, ob der «Knecht seiner Herrin», Rechtsanwalt Metzmaier, dem gewachsen wäre?

Fragen über Fragen! Hat damals der Vater Eva Ertls, Verleger und NSDAP-Mitglied Werner Hambruch, seinen zukünftigen Schwiegersohn nur nach den Einkommensverhältnissen gefragt oder sich auch für die Biographie des damals jungen Mannes interessiert? Ertl war immerhin 18 Jahre älter als die zukünftige Braut. Sah Werner Hambruch durch diese Heirat sein «nationalsozialistisches Gedankengut» für die Zukunft gesichert?

Das wird man wohl fragen dürfen und müssen, oder?

Gertrud Mayer
Baden-Baden


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