Leserbrief
Leserbrief „Meine Meinung“ – Kritik an Vorschlag für Baden-Badener Straßenname – „Einst den Stalinismus unterstützende Kommunistin Clara Zetkin“
Baden-Baden, 12.12.2024, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Boris Fernbacher Stellung.
In der Sitzung des Hauptausschusses des Baden-Badener Gemeinderates am 9. Dezember 2024 wurde mit großer Mehrheit eine Liste der Fraktion von B90/Die Grünen mit Namen von Frauen angenommen, nach der zukünftig auch Straßenbenennungen erfolgen sollen. In dieser Liste finden sich mit Anne Frank, Sophie Scholl, Hannah Arendt sowie der in unserer Stadt geborenen Holocaustüberlebenden Fanny Ben-Ami tapfere und aufrichtige Frauen, die es absolut verdient hätten, über die Benennung einer Straße geehrt und der Bevölkerung näher gebracht zu werden. Mehr als befremdlich dagegen wirkt in der Liste der Name Clara Zetkin (1857-1933).
Frau Zetkin hat sich zwar in lobenswerter Weise für die Frauenrechte und gegen den 1. Weltkrieg engagiert. Wenn man ihr politisches Wirken näher betrachtet, fällt das historische Urteil aber deutlich negativer aus: Zetkin schloss sich 1917 der SPD-Abspaltung USPD an und gehörte hier dem linken Flügel (Spartakusbund) an, aus welchem später die KPD hervor ging. Als überzeugte Kommunistin schloss sie Gewalt als Mittel des politischen Kampfs natürlich nie aus. Von 1921 bis 1933 war sie Mitglied des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, hielt sich sehr häufig in Moskau auf und hatte sogar eine eigene Wohnung im Kreml. Den Massenmörder Stalin verherrlichte sie in einem Artikel als «überragenden, genialen Leiter des Sowjetstaates». Man kann sie nach heutigem Sprachduktus als «Lenin- und Stalin-Versteherin» bezeichnen. Von unabhängiger Justiz und Menschenrechten hielt sie nicht viel: In einem 1922 in Moskau inszenierten Schauprozess gegen Abweichler von der offiziellen Parteilinie fungierte Zetkin als Anklägerin. In ihrer Anklageschrift bezeichnete und rechtfertigte sie den Prozess ausdrücklich als politisch nötig: Ein «Revolutionsgericht» sei keinerlei kodifizierten Freiheits- oder Prozessrechten verpflichtet, wie sie in der bürgerlichen Rechtsprechung üblich seien. Abzuurteilen sei die «Bewußtseinstat» der Angeklagten. Das Urteil könne nach ihrer Aussage nur auf Todesstrafe lauten. Ihre Biographin Tânia Ünlüdag interpretiert Zetkins Aktivitäten «als Ausfluss eines Autoritarismus, der ihr gesamtes politisches Denken und Verhalten geprägt» habe. Die Historiker Hermann Weber und Andreas Herbst schreiben über Clara Zetkins politisches Verhalten:
«Die Widersprüche ihrer Haltung scheinen symptomatisch für jene kommunistischen Führer, die trotz aller Bedenken gegen die Politik Stalins und die Entwicklung der KPD nicht nachdrücklich dagegen opponierten, weil sie ihr Idol ‚Rußland‘ nicht zu kritisieren wagten und so dem Stalinismus den Weg erleichterten.»
Was hat unsere Vertreter*Innen der Grünen im Gemeinderat nur geritten, eine durch und durch undemokratisch gesinnte Person wie Clara Zetkin durch die Benennung einer Straße nach ihr auch noch zu ehren? War es nur das bei Politikern der Grünen bis hinauf zu Frau Baerbock häufig auffallende historische Unwissen? Nun, das wäre ja noch entschuldbar. Oder stehen die Grünen dem autoritären und ideologischen Weltbild von Frau Zetkin doch weitaus näher als der politischen Mitte? Etliche Vertreter der Grünen scheinen ja einer autoritären «Verbotspolitik», der Schleifung von Bürgerrechten und einer «Gesinnungsjustiz» nicht ganz abgeneigt zu sein, wenn es der rücksichtslosen Durchsetzung ihrer ideologischen Vorstellungen von einer multikulturellen Gesellschaft sowie des ökologischen Umbaus unserer Wirtschaft dient.
Die beiden Vertreter der Alternative für Deutschland (AfD) im Hauptausschuss haben sich der Annahme dieser durch Aufnahme von Clara Zetkin aus demokratischer Perspektive «kontaminierten» Liste mutig verweigert. Ihr Fraktionsvorsitzender Kurt Hermann hat gegen ihre Annahme gestimmt und der ehemalige EU-Abgeordnete Joachim Kuhs enthielt sich der Stimme. CDU und SPD dagegen störten sich mehrheitlich anscheinend nicht sonderlich an der Präsenz der einst den Stalinismus unterstützenden Kommunistin Clara Zetkin und stimmten der Liste zu.
Boris Fernbacher
Baden-Baden
Wenn Sie auch einen Leserbrief an die Redaktion senden möchten, nutzen Sie bitte diese E-Mail-Adresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
In Ausnahmefällen veröffentlicht goodnews4.de Leserbriefe auch unter einem Pseudonym. Die tatsächliche Identität des Verfassers ist goodnews4.de in jedem Fall bekannt.
PDF «Spielregeln» für Leserbriefe an goodnews4.de
Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.