Leserbrief
Leserbrief „Meine Meinung“ – „Mitbürger! Freunde! Baden-Badener! Hört mich an!“
Baden-Baden, 28.01.2019, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Gertrud Mayer Stellung.
«Was Menschen Übles tun, das überlebt sie. Das Gute wird mit ihnen oft begraben.»
So bei William Shakespeare (1564 - 1616) und auch in Baden-Baden von 1920 bis 1950. Die beiden Kontrahenten hier sind Werner Hambruch (geb. 19.11.1889 in Breslau, gestorben 1974 in Baden-Baden) und Karl Heinz Lembke (geb. 9.05.1890 in Amberg/Bayern). Dieser wurde am 20.10.1922 von der Staatsanwaltschaft München wegen «des Verbrechens d. versuchten Landesverrats … zu 10 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt,» am 12.12.1924 der Strafrest erlassen. Der Bericht darüber ist umfangreich und benötigt eine Einzeldarstellung.
Werner Hambruch war Mitglied des Stahlhelms, dann der NSDAP. Durch Heirat mit Friedel Hoellischer (einer Koelblin Enkelin) wurde er unter Hermann Koelblin erst Prokurist, dann Mit-Geschäftsführer der Hofdruckerei und des Verlags «Badener Tagblatt». Der überraschende und von merkwürdigen Umständen begleitete Tod Hermann Koelblins am 1.6.1943 machte Hambruch zum Herausgeber. Allerdings hatte das Badener Tagblatt Karl Heinz Lembke als Haupt-Schriftleiter. Nach Kriegsende erschien das «Badener Tagblatt» bereits im August 1945 in der französischen Besatzungszone − aber ohne Werner Hambruch.
«Erst 1951 gelang es, nach einem unerfreulichen Zwischenspiel, die Zeitung wieder in den Besitz der Familie zurückzuholen.» So die Darstellung zum 75. Geburtstag Werner Hambruchs, «dargebracht von den Mitarbeitern der Buchdruckerei Ernst Koelblin KG und des Verlags Badisches Tagblatt GmbH». Was ereignete sich in dem «unerfreulichen Zwischenspiel»? Karl Heinz Lembke hatte von den Franzosen die Lizenz für das «Badener Tagblatt» erhalten, der frühere Haupt-Schriftleiter war 1947 zum alleinigen Verleger aufgestiegen.
«Und Hambruch sagt, dass Lembke voll von Herrschsucht war, und Hambruch ist ein ehrenwerter Mann.» So schreibt Hambruch am 3. Juli 1947 an den badischen Staatspräsidenten Leo Wohleb: «Da meine Frau dieser Tage in Freiburg zu tun hat, möchte ich die Gelegenheit benutzen, Ihnen durch Übergabe dieser Zeilen meine ergebensten Grüße zu übermitteln... Sie werden gehört haben, daß man mir den Verlag des ‘Badener Tagblatt’ entzogen hat. Es handelt sich nicht ursprünglich um einen Entzug von französischer Seite aus... Noch ehe die Umgruppierung in unserer Schriftleitung durchgeführt werden konnte, hat es Herr Lemke verstanden, durch üble Verleumdungen meiner Person... das Verlagsrecht in seine Hände zu manövrieren und hat damit unserer Firma das wertvollste Vermögensobjekt entzogen, selbstverständlich ohne jede Vergütung... Es erweckt immer wieder Erstaunen, wie es möglich ist, dass sich solche landfremden Elemente [!] einzuschleichen wissen, vor allem mit dem Ziel, sich persönliche Vermögensvorteile zu verschaffen. Frägt man sich als anständiger Staatsbürger … Selbst die Nazis verfuhren nicht so rigoros, sie zahlten entweder den Wert des Verlagsrechtes aus, oder beteiligten den alten Verleger mit 49% … verbleibe ich Ihr stets ergebener Werner Hambruch.»
«Die Herrschsucht soll aus härterem Stoff bestehen, doch Hambruch sagt, dass Lembke voll Herrschsucht war, und Hambruch ist ein ehrenwerter Mann.» Und wie handeln seine Erben? Die drei Alleineigentümerinnen Eva Ertl, Xenia Richters und Yvonne Hambruch-Piesker wollen über das Grundstück des BT-Parkplatzes, auf dem die 1938 verbrannte Synagoge stand, weder reden noch verhandeln. Werner Hambruch hat von den Nazis Entschädigung bekommen. Seine Erben sind wohl «nicht ehrenwert», wenn sie Null Entschädigung geben, oder? Haben sich die «braunen Zeiten» hier etwa erhalten und vererbt? Man mag es sich von den «Stützen der Gesellschaft» nicht vorstellen!
Am 8.12.1948 schreibt Karl Heinz Lemke auf dem Briefpapier des «Badener Tagblatt» an Staatspräsident Leo Wohleb in Freiburg: «Meine politische Überprüfung ist nach meiner Ansicht auf dem besten Wege, sich zu einem politischen Skandal zu entwickeln. Meine Kollegen, Verleger und Redakteure sind über den Gang der Dinge derart empört, daß durchaus die Möglichkeit besteht, daß der Fall nicht nur in der badischen, sondern in der gesamten deutschen Presse aufgerollt wird ... Am 7. Dezember 1948 war von der Spruchkammer … der Termin auf 9.30 Uhr angesetzt … gegen Herrn Lembke liegt ausschließlich ein einziger Belastungspunkt vor, nämlich das Handwerkerbuch.»
«Herr Dielenschneider (SPD-Stadtrat in Offenburg) behauptete, die am meisten angegriffenen Artikel des Handwerkerbuches direkt von Lembke in die Setzmaschine diktiert bekommen zu haben. Das war 1936 − Lembke schrieb gegen das marxistisch-kommunistische Weltjudentum und wurde danach 1940 aus der Reichsschrifttumskammer (Schriftsteller) ausgeschlossen. Der Zeuge Dielenschneider erschien nicht vor Gericht. Die Kammer hatte anstelle des kommunistischen Beisitzers einen Sozialdemokraten eingetauscht. Es gab diverse Formfehler, deren Absicht man durchaus als Gewalt erkennen kann. Ich bin deshalb genötigt... zu erbitten... daß der Fall endgültig aus der befangenen Lokal-Atmosphäre von Offenburg herauskommt.»
Mittlerweile war Karl Heinz Lembke Leiter der «Südena»-Nachrichten-Agentur und Vorstandsmitglied des Verlegervereins. Er wurde in der französischen Zone einflussreichster Mann des Pressewesens. «Selbst die Dienststellen der Sûreté und der Militärregierung waren machtlos», so der Polizeidirektor in Baden-Baden am 11.12 1947. Und Werner Hambruch? Wie kam er finanziell für sich und seine Familie über die Runden? Was tat er in all diesen Jahren, in diesem «unerfreulichen Zwischenspiel»?
«War das Herrschsucht? Doch Hambruch sagt, dass Lemke voll Herrschsucht war. Und Hambruch ist gewiss ein ehrenhafter Mann.» Wer und was war Werner Hambruch? Was haben seine Nachkommen weitergeführt, vielleicht noch gesteigert und vervollständigt? Der Baden-Badener schätzt die moralische Überlegenheit nicht, sonst hätte er sich nach 1945 bis heute anders verhalten.
Nach moralisch-politischer Einstellung und ihren Folgen wird man doch fragen dürfen, zumal am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag − oder?
Gertrud Mayer
Baden-Baden
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