Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – „Plädoyer für den Bürgerentscheid am 07. Mai 2023“ – „Rastatt auf dem Weg in eine Bananenrepublik?“

Baden-Baden, 09.03.2023, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Klaus-Eckhard Walker Stellung.

Der Bürgerentscheid für den Erhalt einer funktionierenden Freizeit- und Erholungsfläche und gegen die Aufstellung eines Bebauungsplans am Standort «Am Münchfeldsee» im Süden Rastatts wird am 07.05.2023 hoffentlich verhindern, dass in der einst stolzen Wiege der Demokratie ein feudaler Politikstil belohnt wird. Diese Sorge bekümmert mich als ehemaliger Oberbürgermeister einer Stadt, in der die erste demokratische Bewegung in Deutschland 1849 ihr Ende fand.

Sachlogisch steht für das von allen gewünschte Zentralklinikum Mittelbaden die ebenso geeignete Konversionsfläche auf dem ehemaligen Kasernengelände MERZEAU, keinen Steinwurf vom Münchfeldsee entfernt, zur Verfügung.

Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber man sollte aus ihr gelernt haben. Wir haben gelernt, die Form ist die Mutter der Demokratie und sie funktioniert nur, wenn ihre Spielregeln eingehalten werden.

In Sachen Standort für ein Zentralklinikum in Mittelbaden kann nur der Gemeinderat und kein anderer darüber entscheiden, ob und wenn wo ein Zentralklinikum auf der Gemarkung Rastatts errichtet werden darf. Dies ist Gesetzeslage.

Der anstehende Bürgerentscheid macht nicht nur eine fehlende Bürgerbeteiligung wett, sondern ersetzt in dieser Sache einen längst überfälligen Gemeinderatsbeschluss.

 

Am 30.09.2021 ist der Gemeinderat mit zwei gleich guten Flächen in ein Auswahlverfahren eingetreten. Die beiden von einem Planungsbüro erstellten Entwürfe der Bewerbungen mit den Flächen «Am Münchfeldsee» und «Merzeau» waren lt. Beschlussvorlage ausdrücklich «nicht Beschlussgegenstand» (Quelle: Sitzungsvorlage). Eine solche Entscheidung dürfte auch nicht auf die Verwaltung als laufendes Geschäft übertragen werden. Sie gehört zu den unverbrüchlichen wesentlichen Aufgaben eines Gemeinderates. Dies verbietet selbstredend zugleich eine Unterwerfung unter die Entscheidung des Aufsichtsratsgremiums der Klinikum Mittelbaden gGmbH.

Der 1. Beigeordnete der Stadt Rastatt Arne Pfirrmann leitete am 30.09.2021 die Gemeinderatssitzung, «weil der OB im Aufsichtsrat des Klinikums Mittelbadens sitzt» und als befangenes Ratsmitglied diese Sitzung nicht leiten durfte. In der Sache sprach Pfirrmann «von zwei guten Standorten, die alle Anforderungen erfüllen». Dem habe ich nichts hinzufügen. Die Flächen wurden in der Sitzung am 30.09.2021 weder debattiert noch bewertet.

Der Aufsichtsrat der Klinikum Mittelbaden gGmbH hat sich sodann auf Grundlage eines ungeprüften Gutachtens für den Standort Rastatt am Münchfeldsee ausgesprochen. Dies ist sein gutes Recht. An der Aufsichtsratssitzung nahmen neben dem Rastatter Oberbürgermeister weitere in dieser Sache im Rat befangene Gemeinderäte der Stadt Rastatt teil. Sie lassen sich bis heute - obwohl gesetzlich allein den Interessen des Klinikums verpflichtet - nicht davon abhalten, an der Meinungsbildung zum Rastatter Bürgerentscheid aktiv mitzuwirken.

Nach den geltenden Regeln haben befangene Amtsträger und / oder Ratsmitglieder von Gesetzes wegen ausschließlich die Interessen des Klinikums und nicht die ihrer Stadt Rastatt zu vertreten. Sie sind als Gemeinderäte aus dem Spiel genommen. Damit sollen in der Kommune Verschränkungen der städtischen Interessen mit denen des Klinikums vermieden und nur am Gemeinwohl der Stadt Rastatt orientierte Entscheidungen gewährleistet werden. Dass keine Entscheidung getroffen wurde, ist bislang – obwohl dies möglich gewesen wäre – an der politischen Verweigerungshaltung der Gemeindeorgane gescheitert.

Statt den demokratischen Weg einer öffentlichen Beratung mit anschl. Entscheidung zu gehen, bevorzugten die Rastatter Gemeindeorgane den vermeintlich ‚sicheren Weg‘ abseits der Öffentlichkeit, um zu Lasten der Gesamtstadt und der Betroffenen vollendete Tatsachen zu schaffen. Vielleicht war es aber auch nur der Respekt vor der Bürgerinitiative Lärmschutz Rastatt – Münchfeld/Siedlung e.V., die bereits seit Jahren gegen zunehmenden Verkehr in das betreffende Wohngebiet Rastatts aktiv ist, warum die Gemeindeorgane auf demokratische Abwege gekommen sind. Das machte die Sache nur schlimmer, weil es fehlenden Frauen- und Mannesmut erkennen ließe.

Ungerührt der Rechtslage haben im September 2022 u.a. die Rastatter Aufsichtsratsmitglieder des Klinikums zusammen mit allen weiteren Fraktionsvorsitzenden auf Stadtkosten eine Anzeige gegen die Bürgerinitiative Südlicher Stadteingang – Pro Merzeau geschaltet, um Bürger von der Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte abzuhalten. Die Bürgerinitiative hatte sich gegründet, nachdem der Badener OB Späth über Medien das Ergebnis von Hinterzimmergesprächen öffentlich gemacht und der Stadt Rastatt 3 Kröten zum Schlucken gegeben hat.

Die Werbetrommel für die Interessen der Klinikum Mitelbaden gGmbH rühren die Aufsichtsratsmitglieder im Gewand ihrer kommunalpolitischen Tätigkeit weiter, als seien die Interessen des Klinikums mit denen der Stadt Rastatt identisch. Einen solchen Automatismus gibt es tatsächlich nicht.

Weil es keinen Automatismus zwischen den divergierenden Interessenlagen gibt, hätte der Gemeinderat der Stadt Rastatt sine ira et studio zu entscheiden gehabt, auf welche der beiden von ihm in Betracht gezogenen gleichwertigen Flächen das Klinikum zu stehen kommen soll – vorgezogene Bürgerbeteiligung inbegriffen. Statt eine Entscheidung zu treffen, betreiben die städtischen Volksvertreter in der für Rastatt und ihre Bewohner bedeutsamen Angelegenheit zu meinem Erstaunen immer noch eine Politik, die ich höflich formuliert als mangelnden Respekt vor den demokratischen Spielregeln bezeichne.

Bis Ende Dezember 2023 hat es ganze 15 Monate gedauert, bis sich der Rastatter Oberbürgermeister dafür entschieden hat, die Interessen seiner Stadt den Interessen des Klinikums vorzuziehen. Im Januar 2023 gab er öffentlich bekannt, sein Amt als Aufsichtsratsmitglied der Klinikum Mittelbaden gGmbH niedergelegt zu haben. Dies begründete er damit, sich in seiner Stadt nunmehr mit aller ihm zur Verfügung stehenden Kraft für den Wunsch des Aufsichtsrates der Klinikum Mittelbaden gGmbH, d.h. für den Standort am Münchfeldsee einsetzen zu wollen. Dies halte ich politisch für zumindest höchst ungeschickt.

Bis zu seiner Amtsniederlegung als Aufsichtsrat hatte der Rastatter OB Gelegenheit, in fragwürdigen Gesprächsrunden und mit zweifelhaften Aktionen die vom Aufsichtsrat des Klinikums bevorzugte Fläche als unumstößliche Entscheidung zu forcieren. Für mich zeugt es von «Filz und Kungelei», wenn der Badener OB Späth als Gesellschaftervertreter Bedingungen für einen Klinikstandort in Hinterzimmern vorformuliert, um nicht zu sagen ‚diktiert‘ und der Rastatter OB Pütsch als befangener Ratsvorsitzender eine Anzeigenkampagne startet, um die Bürgerschaft von einer Unterschrift unter ein Bürgerbegehren abzuhalten, um sodann – zurückgekehrt auf den Boden der rechtlichen Tatsachen – im Gewand seines Amtes vor dem Bürgerentscheid die Interessen der Klinikum Mittelbaden gGmbH statt die der Stadt Rastatt zu vertreten.

Demokratischen Spielregeln gemäß haben sich der Staat und damit auch die Gemeindeorgane im Zuge eines Bürgerbegehrens / Bürgerentscheids aus der Willensbildung seiner Bürger grundsätzlich herauszuhalten. Der Staat muss seine Bürger im politischen Raum gewähren lassen, weil diese ansonsten allein schon wegen der staatlichen Übermacht niemals den Hauch einer Chance hätten, ein Bürgerbegehren erfolgreich durchführen zu können. Der Staat darf unbeschadet dessen immer dann etwas richtigstellen, wenn tatsächlich Unzutreffendes verbreitet würde.

Im Falle eines Bürgerentscheids hat der Staat bzw. die Gemeinde lt. Gemeindeordnung in der zur Abstimmung stehenden Frage die Haltung der Gemeindeorgane gegenüber der Bürgerschaft in objektiver Weise darzustellen wie es in gleichem Umfang den Vertrauenspersonen eines Bürgerentscheids erlaubt ist, für ihre Position zu werben. Damit soll bei aller vorhandenen Übermacht der Gemeindeorgane ein Mindestmaß an Parität im Abstimmungskampf gewährleistet werden. Daran, dass sich die Rastatter Verwaltungsspitze an das Gebot der Zurückhaltung und an den im Übrigen geltenden Geboten der Neutralität und Objektivität im gerade anlaufenden Abstimmungskampf halten wird, habe ich angesichts der bislang veröffentlichten Absichten meine Zweifel.

Dass Rastatt dennoch nicht den Pfad in eine Bananenrepublik beschreiten wird, ist allein das Verdienst der Bürgerinitiative Südlicher Stadteingang – Pro Merzeau. Ihretwegen liegt es in der Hand der Abstimmenden, an Stelle des Gemeinderates Verantwortung für ihre Stadt zu übernehmen.

Die Barock- und Revolutionsstadt Rastatt wird es Ihnen danken.

STIMMEN SIE ÁM 07.05.2023 AB!!!

Klaus-Eckhard Walker, M.A. rer.pol.
Rechtsanwalt
Oberbürgermeister a.D.
Rastatt


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