Leserbrief

Leserbrief „Meine ‚Meinung“ – Tennisclub Rot-Weiß: Die Dr. Ertl-Tennishalle in Baden-Baden. Ist der Name Programm?

Baden-Baden, 21.01.2019, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Gertrud Mayer Stellung.

Dr. med. Ottoheinz Ertl am 21.2.1946 in seinem handschriftlichen, offiziellen Lebenslauf: «Ich hatte zwei Interessengebiete: 1. Frauenheilkunde, 2. Sport. Bereits während meiner Studentenzeit hatte ich meine Staatsprüfung für Turn-, Sport- und Schwimmlehrer am Institut für Leibesübungen in Heidelberg abgelegt.»

Welche ideale Voraussetzung, um bei seiner Rückkehr nach Baden-Baden mit Ehefrau Gertrud und seinen beiden Kindern den Ein- und späteren Aufstieg in die Gesellschaft zu finden. Seine berufliche Karriere war kometenhaft. Vom einfachen Dr. med., war er nicht eigentlich studierter Gynäkologe (aber ohne Facharzt Abschluss?), zum Amtsarzt und schließlich zum Oberregierungs-Medizinalrat. Wer hat da kräftig mit geschoben? Sein zukünftiger Schwiegervater Werner Hambruch? Oder war er schon mit Klein-Eva liiert? Wo ist seine Ehefrau Gertrud mit den beiden Kindern geblieben? Nun − der berufliche Werdegang war eine Sache, der des gesellschaftlichen Renommees in der Kurstadt eine andere − vielleicht die wichtigere. Tennis spielte damals die «Hautevolee»! Also nichts wie dazugehören! Das Interessengebiet Frauenheilkunde hatte sich mit zwei Ehen wohl erübrigt. Der Schwiegervater Werner Hambruch war's so zufrieden, auch wenn kein Sohn und Nachfolger geboren wurde.

Werner Hambruch (NSDAP Mitglieds Nr. 3519658) war nicht nur Verleger des Badischen Tagblatts, sondern auch Mitglied des Beirates des Tennisclubs Rot-Weiß, wie ein repräsentatives Foto im Buch von Roderich Menzel «Deutsches Tennis − Band 2» zeigt. So ging der Aufstieg mit «Vitamin B» des Dr. Ertl weiter in die 50er Jahre. 1950, nach Gründung des Deutschen Sportbundes, wurde Willi Daume erster Präsident. Ottoheinz Ertl war Mitglied des Präsidiums. 1954 war er − der schon seit 1947 Präsident des Tennisclubs Rot-Weiß Baden-Baden war − auch Jugendwart des Deutschen Tennisbundes. Ihm wird intensive Aufbauarbeit der Tennisjugend bescheinigt.

Das scheint mehr als heikel, denn Dr. Ottoheinz Ertl gehörte zu den Ersten der Stunde und trat als Frühberufener am 1. Mai 1933 unter der Mitgliedsnummer 3091146 der NSDAP bei. An dem Tag hielt Adolf Hitler in Berlin auf dem Tempelhofer Feld seine Rede an die Jugend und forderte von ihr «flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl» zu werden. 1936 wurde die Hitlerjugend per Gesetz zur einzigen Jugendorganisation in Deutschland, 1939 wurde die Mitgliedschaft Pflicht. Das also zur Ausbildung und geistigen Haltung des Jugendwartes Dr. Ertl!

Willi Daume (NSDAP Mitglieds Nr. 6098980) war die andere Hilfe: er verstand es, die alte Garde der Mitarbeiter des NS-Sports im neuen westdeutschen Sport weiter zu beschäftigen. Während des Krieges setzte er in seiner Eisengießerei 65 Zwangsarbeiter ein; er selbst war als Jugend- und Handballwart tätig, stieg zum Gau-Fachwart auf und war somit unabkömmlich für den Krieg. Der Tennisclub Rot-Weiß entwickelte sich − nach eigener Aussage − zum Mekka der Tennisgeschichte. Was soll man sich dabei denken?

Bis heute erhalten ist die Koelblin-Hambruch-Ertl Legende: Mehr als 200 Jahre Zeitungsgeschichte in einer Familie, angefangen von vorbildlichen Verlegern, angeblich ohne Brüche und dunkelbraune Zeitabschnitte, über Eva Ertl in Ermangelung eines Sohnes als quasi zweite, aber nützliche Wahl, bis zu den heutigen Alleineigentümerinnen Eva Ertl, Yvonne Hambruch-Piesker, Xenia Richters und ihrem Berater Rechtsanwalt Rolf Metzmaier.

Das Buch «Deutsches Tennis» enthält auch Vergnügliches, u. a. unterrichtet ein Vater seinen Sohn. Ein Gedicht «Moderne Meisterschaft» − ein wenig gekürzt:
Ein Mann, obgleich sonst wenig Wert,
hat demnach ohne große Plage
und Tag für Tag sein Geld vermehrt, …
O Held des Volkes deine Kunst,
erobert aller Frauen Gunst! …
Im Chaos wird die Welt erbeben,
wovon denn sollen Meister leben …

War das auch die Frage für Dr. med. Ottoheinz Ertl? Sicher nicht − hatte er doch in eine der reichsten Baden-Badener Familien eingeheiratet, wenn auch erst in zweiter Ehe! Und der Tennisclub Rot-Weiß − was wäre ihm zu raten, im Sinne der «political correctness»? Er könnte die Halle umbenennen, es wird sich doch ein renommierter Nicht-Alt-Nazi als Namensgeber finden lassen. Oder sollte die Halle als Zusatz die Hausnummer 3091140, die NSDAP-Mitgliedsnummer von Ottoheinz Ertl bekommen? Das wäre wenigstens ehrlicher, oder?

Darüber sollte der Tennisclub Rot-Weiß nachdenken, wenn er nicht mit solchen Traditionen behaftet bleiben will. Oder muss erst noch gefragt werden, wie der Tennis-Club nach 1933 mit seinen jüdischen Mitgliedern umgesprungen ist?

Man wird ja noch fragen dürfen − oder das auch nicht mehr?

Gertrud Mayer
Baden-Baden


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