Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – „Was bleibt aktuell vom historischen Hambacher Demokratiefest 1832 übrig?“

Baden-Baden, 03.06.2023, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Eduard Meßmer Stellung.

Die Gemeinde Neustadt a.d.W., feiert sich als «Stadt der Demokratie». Am Pfingstsonntag machen Stadtverwaltung und die Schlossverwaltung des Hambacher Schlosses gegen tausende demokratiebegeisterte und zugleich regierungskritische Bürger aus der Mitte der Gesellschaft mobil. Sie machen sich lieber gemein mit sogenannten «Antifanten», die von der Stadt Neustadt und der Polizei selbst als gewaltbereit einstuft werden. Allgemein erwartet haben die bis zu 5.000 Teilnehmer dieses Demokratie-Festes einen Zug «hinauf, hinauf» zum Schloss, dem historischen Ruf und Vorbild von 1832 und auch dem «Hambacher Fest» im vergangenen Jahr nachempfunden. Im Mittelpunkt dieser Veranstaltung steht selbstredend der Ort, wo sich das Hambacher Schloss daselbst befindet, unbestritten die historische «Wiege der deutschen Demokratie». Dieser Ort kann auch bei der diesjährigen Demokratiefest wohl nicht hinweggedacht werden, ohne das Ziel und den Zweck der angemeldeten, demonstrativen Aktion am vergangenen Pfingstsonntag zu desavouieren.

Umso überraschender für die aus der ganzen Republik angereisten Demokratiebegeisterten war dann die Ankündigung des Veranstalters bei seiner Eröffnungsrede, dass der Demoaufzug nicht etwa an diesem historischen Ort enden sollte, sondern im Dorf Hambach. Der Veranstalter könnte es mit seiner Kooperationsbereitschaft mit den Behörden etwas übertrieben haben. Daraus folgte, dass der Hauptteil der Demokratiebegeisterten die «Wiege der deutschen Demokratie» aufgrund einer zahlenmäßigen Limitierung nur aus der Ferne zu Gesicht bekommen hat. Im vergangenen Jahr waren es mehrere Tausend, die direkt um das Schloss herum unbehelligt von Polizei und Gegendemonstranten ein friedliches und ausgelassenes Demokratiefest feiern konnten. Im Jahr 1832 sollen es sage und schreibe 30.000 gewesen sein, die mit ihrem Mut, der ihnen ihre Überzeugung verlieh, das behördliche Demo-Verbot einfach ignorierten.

 

Um diese erwarteten zehntausend Demokratiebegeisterten vor Krawallschwestern und Krawallbrüdern, bekannt unter der Bezeichnung «ANTIFA» oder «ANTIFANTEN», vorgeblich zu schützen, entsandte die Staatsmacht 900 Beamte, um am Hambacher Schloss die Demokratie zu verteidigen. Der Kundgebungsplatz direkt unterhalb des Schlosses wurde in diesem Jahr mit Absperrgittern und massivem Kräfteeinsatz der Polizei für die Schar von gerade mal ca. 80 harmlosen Gegendemonstranten reserviert. Der verbleibende Rest der Fläche wurde zu allem Überfluss als Parkplatz für Einsatzfahrzeuge genutzt. Auf das von der Stadt Neustadt im aktuellen Jahr verfügte offensichtlich rechtswidrige, deshalb gerichtlich kassierte Demonstrationsverbot reagierte die Stadtverwaltung in der Form eines Demonstrationsverbots durch die Hintertür. Die Stadtverwaltung blieb ihrem Versprechen treu, die Demonstration «mit allen Mitteln» zu verhindern und tatsächlich dort, wo das nicht möglich war, zu behindern. Das geht erfolgreich so, indem die Gegendemonstranten als gewaltbereit einstuft werden und als Folge ein massives Polizeiaufgebot den Charakter eines Demokratiefestes dominiert. Den Gegendemonstranten wird der Kundgebungsplatz unterhalb des Schlosses zuwiesen, exakt dort, wo eigentlich die Demokratiebegeisterten ihr Demokratiefest feiern wollten. Die Fläche, die dort noch frei blieb, wird als Parkfläche für die Mannschaftswagen dieses üppigen Polizeiaufgebots missbraucht. Damit war für die eigentliche Demokratiefeier kein Platz mehr. Die schwarz eingekleideten Staatsdiener erweckten auf ihre Weise den Eindruck, als ob sie am Geburtsort einer aktuell klinisch toten deutschen Demokratie das letzte Geleit erweisen wollten. Sind diese staatlichen 'Trauergäste' etwa nur gekommen, um die deutsche Demokratie bis in ihren finalen Hirntod zu begleiten?

Der friedvolle Kampf um Freiheit und Demokratie wird letzten Endes alle Absperrgitter überwinden, auch ihre Gegenspieler und die Gitter, die an diesem Tag ein suizidales Staatswesen über das komplette Schlossgelände verteilt hat. Hinter den Gittern Staatsdiener, die an diesem Tag mit Knüppeln und Pistolen bewaffnet den schleichenden Tod der Demokratie befördern. Die Straße auf der gesamten Demostrecke war an zahlreichen Stellen entweder mit bunter Farbe oder mit Kreide beschmiert oder mit Plakaten beschildert, u.a. mit Aufschriften «Neustadt oder Hambach ist oder bleibt bunt», mutmaßlich um diese Metapher als Schmähung den vorwiegend in Weiß gekleideten Demokratiebegeisterten entgegen zu setzen. Die Fenster des Hambacher Schlosses eingefärbt in unterschiedlich dumpfer Couleur, sandten ebenfalls das Signal «Bunt» aus. Auf den Zinnen des Schlosses und an der Schlossmauer zwei riesige Transparente mit der Aufschrift: «Hambach ist bunt». Die Stiftungsverwaltung des Hambacher Schlosses als öffentlich-rechtliche Körperschaft beteiligt sich also an der Gegendemo der als gewaltbereit eingestuften sogenannten «ANTIFA» wortgleich mit deren Schmähsymbolik?

Die Vertreter der Stadt Neustadt und der Polizei haben sich jetzt zu rechtfertigen und zu verantworten, vor allem vor der Öffentlichkeit, für die Zersplitterung der Kundgebung im Dorf und vor allem gegenüber den Demonstranten, geschätzt bis zu 3.400, die ab dem Dorf Hambach in ein direktes Demo-Verbot hineingelaufen sind. Im Unterschied zur aktuellen Veranstaltung im Jahre 2023, innerhalb eines formal demokratisch geprägten Systems, blieb das Hambacher Demokratiefest im Jahre 1832 unter einem autoritären, monarchischen Regime mit ca. 30.000 Demokratiebegeisterten frei von staatlichen Repressionen. Demgegenüber gilt die Grundrechtsbindung für Akteure des Öffentlichen Sektors heute unveräußerlich und selbstverständlich. Selbst bei einschränkbarer Versammlungsfreiheit darf der Wesensgehalt dieses Grundrechts im konkreten Einzelfall niemals angetastet werden. Anstatt, wie es die Pflicht einer Kommune und der Polizei gewesen wäre, im Lichte der Versammlungsfreiheit alles Denkbare beizutragen, dass die Veranstaltung der Demokratiebegeisterten wie gewünscht und angemeldet stattfinden kann, wurden dann wohl absichtsvoll und strategisch erfolgreich, sowohl die Demokratiebegeisterten oben am Schloss als auch der abgetrennte Demo-Hauptteil unten in Hambach umfänglich von den schwarzen Vertretern der Staatsmacht wie Schafe in eine verbarrikadierte Sackgasse geleitet. Für mündige Demokraten ein entwürdigendes Szenario.

Die Wiege der Demokratie erschien an diesem Tag einem unvoreingenommenen Beobachter erstmals in seiner Geschichte als ein Gefängnis im offenen Vollzug entweiht von einem aufstrebenden Leviathan. Dafür wurden Sicherheitsvorschriften aus dem Hut gezaubert und auf der spekulativer Grundlage eine mögliche Gewaltausübung durch Gegendemonstranten, die sich zwar «Antifaschisten» nennen, die ihr einseitig aggressives Verhalten mit konsequenter Dialogunfähigkeit abrunden. Schließlich lagen aus dem vergangenen Jahr einschlägige Erfahrungen vor, mit denen von nichts anderem ausgegangen werden konnte, als dass sich Demokratiebegeisterte mit der Absicht an einem historischen Ort friedlich für die Wiederherstellung einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung einsetzen. Stattdessen demonstriert die Stadt Neustadt und die Polizei hässliche staatliche Willkür und damit ein mehr als fragwürdiges Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis. Viele der verhinderten Demokratiebegeisterten kamen sich mit dem Ruf des Veranstalters «Hinauf, hinauf zum Schloss» ziemlich «verarscht» vor. Und dennoch braucht es als Notnagel weiterhin Menschen, die auf die Straße gehen, um den in den letzten drei Jahren entstandenen, unermesslichen Schaden durch staatliche Maßnahmen an Leib und Leben, Wohlstand, Freiheit, Freizügigkeit und sozialer Sicherheit zu begrenzen. So kann jeder einen sichtbaren Beitrag leisten, Demokratie und Wohlstand eines Tages wieder lebendig werden zu lassen.

Menschen- und Grundrechte bleiben unveräußerlich, auch wenn sie von autokratischen oder totalitären Systemen oder einem demokratisch bemäntelten Leviathan vorübergehend verdeckt werden, egal welchen Anschein sich städtische oder staatliche Akteure, die öffentlich-rechtlichen oder die örtlichen Medien geben und egal wie «bunt» sie sich präsentieren. Freiheitskämpfer müssen leider auch heute noch damit rechnen verurteilt zu werden, wie damals Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth. Daran hat sich mit der massiven politischen Verfolgung in den letzten drei Jahren im neuzeitlichen Deutschland leider nichts geändert. Gerade deshalb ist es für aufrechte Demokraten unverzichtbar, mit reinem Herzen weiterhin friedvoll zu kämpfen.

Eduard Meßmer
Bühlertal


Wenn Sie auch einen Leserbrief an die Redaktion senden möchten, nutzen Sie bitte diese E-Mail-Adresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

In Ausnahmefällen veröffentlicht goodnews4.de Leserbriefe auch unter einem Pseudonym. Die tatsächliche Identität des Verfassers ist goodnews4.de in jedem Fall bekannt.

PDF «Spielregeln» für Leserbriefe an goodnews4.de


Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.