Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ - Wieder ein denkwürdiger Geburtstag: Werner Hambruch 19. November 1889

Baden-Baden, 19.11.2018, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Gertrud Mayer Stellung.

Es ist der Tag der Heiligen Elisabeth von Thüringen, Schutzpatronin der Bettler, Witwen und Waisen, und unschuldig Verfolgten. Welch großartige Voraussetzung, in seinem Leben Gutes zu tun und nach Recht und Gesetz zu leben, niemanden um sein Eigentum zu betrügen, so wie es in Baden-Baden jetzt wieder mit der jüdischen Gemeinde geschieht. 1889 war ein besonderes Schicksalsjahr der deutschen Geschichte. Das «Dreikaiserjahr»: Wilhelm I, Friedrich III, der 100-Tage Kaiser, dann Wilhelm II.

Am 16. April wurde Charlie Chaplin geboren, am 20. April Adolf Hitler, am 3. Oktober Carl von Ossietzky. Charlie Chaplin wurde ein großer Schauspieler, Adolf Hitler beschloss, Politiker zu werden. Carl von Ossietzky war Schriftsteller, erhielt 1936 rückwirkend für 1935 den Friedensnobelpreis und starb 1938 an Lungentuberkulose, nachdem er im KZ misshandelt worden war. Welche Möglichkeiten hatte der am 19.11 1889 letztgeborene dieser vier, Werner Hambruch? Es waren Zeiten, in denen man aus dem Nichts kommen und trotzdem sein Glück machen konnte − trotz oder wegen der Weltwirtschaftskrise 1929.

Die Familie Hambruch wurde nach dem ersten Weltkrieg aus dem Elsass vertrieben und kam nur mit einem Koffer in Baden-Baden an. Werner Hambruch fand bald Stellung in einer Bank und − welch ein Zufall − die Tochter des Hoteliers Höllischer (Hotel Stadt Strasburg in der Sophienstraße 26/28) und heiratete Friedel (1901 – 1989). Sie bekamen drei Kinder: Fritz geboren 1924 und wohl im 2. Weltkrieg gefallen, dann Eva geboren 1929 und 1938 Yvonne.

Der berufliche Weg führte Werner Hambruch in die Hofbuchdruckerei Ernst Koelblin. Der war 1920 durch Tod ausgeschieden, aber der Verlag wurde bereits seit 1903 durch seinen Sohn Hermann Koelblin mitgeführt, der daneben auch Stadtverordneter, Stadtrat, Abgeordneter der DDP war − also ein Liberaler!

Werner Hambruch wurde erst am 26 Januar 1928 Prokurist der Hofbuchdruckerei. Sein politisches Denken entsprach dem des «Stahlhelm − Bund der Frontsoldaten». Der «Stahlhelm − Bund der Frontsoldaten» wurde im Dezember 1918 von Weltkriegs-Teilnehmern gegründet. Sie waren bewaffnet (!) und stellten z. B. bei Parteiversammlungen der demokratiefeindlichen DNVP den Saal-Schutz. Finanziert wurde der Stahlhelm von ehemaligen Militärs, Unternehmern und ostelbischen Großgrundbesitzern. Spätestens ab 1928 war er offen republik- und demokratiefeindlich, antisemitisch und rassistisch. Alle jüdischen Mitglieder wurden schon 1922 ausgeschlossen. 1933 wurde der Stahlhelm gleichgeschaltet und dann mit der SA verschmolzen. Das also war der das Gedankengut, in dem Werner Hambruch lebte!

Adolf Hitler löste am 7. November 1935 den Stahlhelm auf. Damit verlor Werner Hambruch seine geistige Heimat. Er beantragte danach die Mitgliedschaft in der NSDAP, und wird 1936, rückwirkend zum 1. April 1936 unter der Mitgliedsnummer 3519 658 im Gau Baden aufgenommen. Seine Wohnung laut Mitgliedskarte: Kurfürstenstr. 2, Baden-Baden; sein Beruf: Verlagsleiter.

«Mitherausgeber» wäre korrekt gewesen, denn da hatte Koelblin, der Eigentümer der Druckerei, noch sieben lange Lebensjahre vor sich. Ein «ehrenhafter» Beruf, wenn man bedenkt, dass das Badener Tagblatt während des 2. Weltkriegs in den «Völkischen Beobachter» eingelegt wurde, dem Parteiorgan der NSDAP, dem «Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung Großdeutschlands». Wie ist doch das «Bonmot» über die «BILD»-Zeitung? Man solle sie nicht schräg halten, sonst tropfe das Blut heraus?!Folgt daraus im Vergleich: Man solle das BT nicht schräg halten, sonst tropfe «braune» Druckerfarbe heraus?

Werner Hambruchs Haupt-Schriftleiter in der Zeitung war Karl Heinz Lembke. Der hatte eine wirkungsvolle Karriere schon hinter sich. Lembke war vorbestraft wegen Landesverrat und zu Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 10 Jahren verurteilt. Darüber wird bei anderer Gelegenheit aus dessen 70-seitiger Strafakte noch zu berichten sein. Jedenfalls müssen die beiden «Herren» in den Kriegszeiten gut miteinander gearbeitet haben. Später beklagte sich Hambruch bitter über ihn bei Staatspräsident Leo Wohleb. Das waren dann andere Zeiten, oder?

Kehren wir zu den Zeitgenossen zurück, die auch das 1000-jährige Reich überlebten. Es bleibt Charlie Chaplin und sein Film „Der große Diktator“ von 1940 – zu dem er auch das Drehbuch schrieb. Den hier auszugsweise zitierten Schlussmonolog kann man vollständig auf YouTube ansehen: www.youtube.com. Man kommt nicht umhin festzustellen, dass nachfolgende Generationen wenig oder nichts aus der Geschichte gelernt haben. Noch schlimmer: sie setzen die Sünden der Väter fort!

«Den Juden, den Heiden, den Farbigen helfen, nur so verbessern wir die Welt. Die Habgier hat das Gute im Menschen verschüttet und Missgunst hat die Seelen vergiftet und uns zur Blutschuld geführt. Millionen verzweifelter Menschen, Opfer eines Systems, das es sich zur Aufgabe gemacht hat Unschuldige zu quälen, und in Ketten zu legen. Die Männer, die heute die Menschlichkeit mit Füssen treten werden nicht immer da sein.»

Leider hat sich Charlie Chaplin in seinem Optimismus getäuscht. Die Kinder und Kindeskinder führen das Werk der Väter mit noch größeren Untaten fort. Oder wie soll man sonst verstehen, dass die Töchter des Werner Hambruch, Eva Ertl und Yvonne Hambruch-Piesker zusammen mit der Enkelin Xenia Richters und ihrem «Berater» RA Rolf Metzmaier noch «Blut aus den Steinen» saugen wollen? Denn sie stellen das Synagogengrundstück, von den Mitarbeitern des BT als Parkplatz genutzt, trotz bestehender Restitutionsansprüche nicht der Jüdischen Gemeinde zur Verfügung.

Die Heilige Elisabeth, Schutzpatronin von Werner Hambruch, hat ihm ein langes Leben gegeben, aber ihn offensichtlich nicht zu besserem Handeln gebracht: was ist mit den unschuldig Verfolgten, hier den Juden in Baden-Baden, die man am 10. November 1938 an seiner Tür vorbei ins KZ Dachau getrieben hat? Kaum ein Bürger dieser Stadt oder gar die Gemeinderäte (gleich welcher Partei) fühlen sich betroffen: «Der Vorhang fällt und alle Fragen offen!»

Was soll aus den Bürgern von Baden-Baden und den Lesern des «Badischen Tagblatts» werden, wenn sie gleichen Sinnes sind wie ihre «Altvorderen»? Fragen sollten sie sich alle stellen, und nicht nur ihre Gier auf Leben leben? Das muss man sich fragen, oder?

Gertrud Mayer
Baden-Baden


Wenn Sie auch einen Leserbrief an die Redaktion senden möchten, nutzen Sie bitte diese E-Mail-Adresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

In Ausnahmefällen veröffentlicht goodnews4.de Leserbriefe auch unter einem Pseudonym. Die tatsächliche Identität des Verfassers ist goodnews4.de in jedem Fall bekannt.

PDF «Spielregeln» für Leserbriefe an goodnews4.de


Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.