Leserbrief
Leserbrief „Meine Meinung“ – Zu „Baden-Badener CDU-Fraktionschef Gernsbeck zur Schlappe von Friedrich Merz“ – „Lieber Herr Gernsbeck, die Abgeordneten im Bundestag müssen nicht ‚de Mut habe, zuzugebbe‘“
Baden-Baden, 08.05.2025, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt die goodnews4-Leser Boris Fernbacher Stellung zu dem goodnews4-Bericht Baden-Badener CDU-Fraktionschef Gernsbeck zur Schlappe von Friedrich Merz – «Ich finde es jämmerlich».
Diesen Dienstag ist Friedrich Merz im ersten Wahlgang zum Amt des Bundeskanzlers krachend gescheitert: Nur 310 der benötigten 316 Stimmen hat er erhalten. Seine neue Koalition aus CDU/CSU und SPD verfügen aber über 328 Stimmen im Parlament. Anscheinend trauten fast 20 Abgeordnete der beiden Parteien ihrem zukünftigen Kanzler die Ausübung dieses Amtes doch nicht so ganz zu.
Ansgar Gernsbeck, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Baden-Badener Gemeinderat, stuft im Interview mit Frau Milke das Scheitern von Herrn Merz im ersten Wahlgang als «Armutszeugnis für Politik und Demokratie» ein und bezeichnet die Verweigerung von Stimmen für Merz durch die Abgeordneten als «jämmerlich». Auf Frau Milkes Frage nach den Gründen für das von ihm kritisierte Abstimmungsverhalten antwortet Herr Gernsbeck: «Da muss ma diejennige frage, die da jetzt so abgestimmt habbe. Aber vermutlich werde die meiste net a mal de Mut habe, des zuzugebbe.» (transkribiert nach dem Interview mit Herrn Gernsbeck)
Herr Gernsbeck hat die Prinzipien unserer Demokratie sowie die Rechte und Pflichten der vom Volk gewählten Abgeordneten im Bundestag anscheinend nicht so ganz begriffen: Unsere Volksvertreter sind keine «menschlichen Abstimmungsmaschinen», sondern nach Artikel 38 des Grundgesetzes «an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen». Es besteht für sie keinerlei Pflicht, in ihrem Abstimmungsverhalten irgendwelchen Vorgaben ihrer Parteiführung zu folgen. Es ist sogar ihre Pflicht, vor der Wahl eines Kanzlers in sich zu gehen und sich zu fragen, ob diese Person in Bezug auf Fachwissen, Charakter, Ehrlichkeit oder Führungsstärke auch geeignet ist, das Amt zum Wohle des deutschen Volkes auszuüben. Dass etliche Abgeordnete da bei Herrn Merz anscheinend Bedenken hatten, ob er wirklich über diese qualifizierenden Eigenschaften verfügt, ist durchaus verständlich und nachvollziehbar.
Lieber Herr Gernsbeck, die Abgeordneten im Bundestag müssen auch nicht «de Mut habe, zuzugebbe», dass sie nicht für Herrn Merz gestimmt haben. Für den Bundestag ist die geheime Wahl des Kanzlers in Paragraph 4 der Geschäftsordnung des Parlaments festgelegt: «Die Wahl des Bundeskanzlers (Artikel 63 des Grundgesetzes) erfolgt mit verdeckten Stimmzetteln.» Niemand muss sich hier „outen“ oder vor Fraktion und Presse offenlegen, wen er gewählt oder eben nicht gewählt hat. Das nennt man übrigens Demokratie, Herr Gernsbeck!
Boris Fernbacher
Baden-Baden
Wenn Sie auch einen Leserbrief an die Redaktion senden möchten, nutzen Sie bitte diese E-Mail-Adresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
In Ausnahmefällen veröffentlicht goodnews4.de Leserbriefe auch unter einem Pseudonym. Die tatsächliche Identität des Verfassers ist goodnews4.de in jedem Fall bekannt.
PDF «Spielregeln» für Leserbriefe an goodnews4.de
Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.