Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ - Zu WDR „Umweltsau-Video“ - „Von den blauen Bergen kommen wir, unser Lehrer ist genauso dumm wie wir“

Baden-Baden, 03.01.2020, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Martin Horne Stellung.

Ich verfolge jetzt seit einigen Tagen ungläubig diesen Shitstorm über ein – wie ich finde (und dazu stehe ich auch) – lustiges und originelles Kinderlied. Die ganze Aufregung, Betroffenheit und Diskussion über Geschmack kann ich kaum nachvollziehen. Satire darf und muss sogar wehtun und wer damit nicht klarkommt, der kann ja gerne nach Nordkorea ziehen.

Als Kind haben wir in der 3. und 4. Klasse gesungen: «Von den blauen Bergen kommen wir, unser Lehrer ist genauso dumm wie wir, mit der Brille auf der Nase sieht er aus wie ein Osterhase, von den blauen Bergen kommen wir.» Damals gab es auch keinen Aufschrei des Entsetzens wie es uns nur einfallen könnte den Lehrer als Respektsperson so zu verunglimpfen und auch noch «Mobbing» gegen Brillenträger auszuüben. Nein, alle haben drüber mitgelacht … sogar die Lehrer.

Und wo waren die Proteste der Tierschützer gegen den Originaltext «Unsere Oma fährt im Hühnerstall Motorrad»? Die armen Hühner, die total verschreckt werden und Abgase einatmen müssen. Nee. Das fanden ja alle witzig (außer den Hühnern). Sobald man aber etwas satirische Kritik mit einstreut, sieht das ganz anders aus.

Natürlich sagen jetzt viele «Satire darf sein, aber … doch nicht über mich». Da gilt das alte Sprichwort «getroffene Hunde bellen». Wenn heute ein sechsjähriges Kind von seiner Oma singt, dann ist nicht die Generation gemeint, die Deutschland nach dem Krieg wieder aufgebaut hat, sondern diejenigen, die heute zwischen 50 und 70 Jahre alt sind. Das sind die heutigen Omas und Opas. Und tut mir leid, so ganz unschuldig wie diese Generation tut, ist sie nicht an der heutigen Situation. Wem haben wir denn den Beginn des Raubbaus an der Natur zu verdanken? Wer hat denn die Atomkraftwerke gebaut und die mahnenden Worte von Umweltschützern seit den 90er Jahren als Spinnereien von Querulanten abgetan und nicht ernstgenommen. In welchem Alter sind denn die Topmanager, die den Zeitpunkt des Handelns seit vielen Jahren verpennt haben? Bestimmt nicht die Jugend von heute, auf der jetzt wieder viele Leserbriefschreiber herumgehackt haben. Natürlich hat die Jugend von heute auch ihre Fehler, doch wer über sie schimpft, sollte sich vielleicht auch fragen, wer sie denn so erzogen hat und wie. Mein Opa hatte früher auf meine Entwicklung genauso viel Einfluss wie meine Eltern. Doch heute überlassen das viele den Medien und dem Zufall (Achtung! Das war Ironie). Mir hat mein Opa nicht das nächste Smartphone geschenkt, sondern etwas viel kostbareres: Zeit.

Aber unterziehen wir das Lied doch einem Faktencheck:
Es ist unbestritten, dass die Anzahl der Motorradfahrer im Alter zwischen 50 und 70 in den letzten Jahren rasant angestiegen ist und das eine blubbernde «Harley Davidson» immer noch der Liebling der Midlife-Crisis ist.
Die Zahl der Kreuzfahrtschiffe steigt von Jahr zu Jahr an. Die Kreuzfahrt-Industrie boomt. Die Entwicklung von umweltfreundlichen Schiffsmotoren für Kreuzfahrtschiffe ist mir nicht bekannt. Das ein Großteil der Passagiere von Kreuzfahrten Senioren sind (zwischen 50 und 80) wird wohl auch niemand ernsthaft bestreiten. Wovon sollten Kreuzfahrtschiffe auch außerhalb der Schulferien sonst leben?
Billiges Fleisch und übermäßiger Fleischkonsum ist mit Schuld am Klimawandel … auch das bestreitet keiner. Und dass wir alle zu viel Fleisch essen – nicht nur die Omas und Opas – weiß auch jeder.

Also worüber regt man sich auf? An dem Begriff «Umweltsau»? Ich glaube über so ein Schimpfwort würde heute jeder Lehrer schmunzeln, wenn man bedenkt was für Schimpfwörter heutzutage die Kinder von Ihren Eltern mit in die Schule tragen…

Aber bei all der Herumreiterei um Begrifflichkeiten übersehen wir, dass der Begriff Oma in diesem Lied – meiner Meinung nach – nicht wirklich für eine spezielle Generation steht, sondern ein Synonym ist für alle die antiquierten Geister, die meinen das Umweltschutz nichts mit Ihnen zu tun hat und das man ja gerne was gegen den Klimawandel macht, aber ja nicht auf die eigenen Kosten und erst recht nicht direkt bei uns vor der Tür. Und genau die fühlen sich jetzt ertappt und auf den Schlips getreten. Kein Wunder das diese jetzt «bellen».

Dem WDR möchte ich sagen: «Lasst Euch ja nicht unterkriegen! Ihr habt nichts falsch gemacht. Ihr hättet Euch nicht entschuldigen müssen. Die Kinder müssen schließlich die Suppe auslöffeln, die Ihnen Ihre Eltern UND GROßELTERN eingebrockt haben.»

Martin Horne (44 Jahre)
Limburg


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