Leserbrief
Leserbrief „Meine Meinung“ – Zum goodnews4-Beitrag „Schwere Vorwürfe der Baden-Badener SPD“ – „Selbstgestricktes Problem der SPD“
Baden-Baden, 23.09.2023, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Dr. Patrick Bruns Stellung zu dem goodnews4-Bericht Schwere Vorwürfe der Baden-Badener SPD gegen die AfD – «Hakenkreuz-Schmieren, das ist für die AfD eine freie Meinungsäußerung».
Dem SPD-Vorsitzenden Dirk Baranek möchte ich widersprechen. Es ist verständlich, dass die SPD-Führung aufgebracht ist, weil die SPD ständig an Wählergunst verliert, während die AfD immer weiter Zulauf bekommt. Das hat aber nichts mit der AfD zu tun, sondern ist ein selbstgestricktes Problem der SPD. Sicher muss die hiesige SPD dafür büßen, dass die Bundes-SPD sich nicht mehr als Friedenspartei gibt, sondern dafürsteht, Milliarden von Euro für Waffenlieferungen auszugeben, die in ein Spannungsbiet gehen und dort zu massenhaftem Tod führen. Ausgaben, die nachher zu Einsparungen bei den sog. kleinen Leuten führen. Die SPD hat es aber auch als Ortsvereinigung in der Hand, eine sozialbetonte Politik zu machen. Hier sehe ich folgende Punkte, die angegangen werden sollten:
1. Sozialbetont ist eine Politik, die den Bürgern eine Identifikation mit ihrer Umgebung erleichtert. Daher sollte die SPD in Baden-Baden die Baden-Badener Interessen mehr herausstellen. Es ist nicht im Interesse der Baden-Badener, russische Künstler und Russen im Allgemeinen abzuqualifizieren, nur weil Russland einen Krieg mit der Ukraine führt. Wir haben mit Stampa derzeit einen Intendanten, der künstlerfeindlich ist und gewachsene Strukturen zerstört. Die Berliner Philharmoniker haben Baden-Baden verlassen, weil – so meine Vermutung – Stampa nicht wollte, dass sie mit Anna Netrebko, einer russischen Sängerin, in Baden-Baden ein Konzert geben. Die SPD im Baden-Badener Stadtrat hat kein Wort dazu gesagt. Die Gemeindepartnerschaft mit Jalta ist nicht nur wieder aufzunehmen, sondern zu verstärken. Es ist nicht im Baden-Badener Interesse, das Klinikum in Balg zu versetzen, jedenfalls nicht außerhalb des Stadtgebiets. Der Fehler, der bei der Planung des Klinikneubaus gemacht wurde und nun die Bestürzung vieler Baden-Badener Bürger hervorruft, liegt in der Vorbereitung. Das Projekt ist weder professionell noch fair und transparent aufgesetzt worden. Die Bürger sind nicht so eingebunden worden, wie es angesichts der Bedeutung des Projekts erforderlich war. Insofern geht es nicht darum, dass die Spielregeln eingehalten werden, wie die SPD-Fraktion meint, sondern um die Spielregeln selbst. Sieht man sich aber an, wer in den Gremien sitzt, und macht man sich klar, nach welchen Kriterien die Standortwahl und wie die Gewichtung der Kriterien erfolgen soll, dann drängt sich die Frage auf, welche Rolle Baden-Baden bei der Entscheidungsfindung einnimmt und wie die Bewertungskriterien ausgesucht bzw. gewichtet wurden. Warum machen die beiden Hauptkriterien Anbindung und Einzugsgebiet nur gerade einmal 40 Prozent aus und nicht, sagen wir einmal – das Doppelte? Warum sind die Baukosten ein Kriterium, obwohl gerade diese Kosten sich kaum einschätzen lassen? Und warum wurde kein Bestandsschutzkriterium für Baden-Baden aufgenommen, immerhin ist es ja ein Baden-Badener Krankenhaus und ein optisch weithin sichtbares Identifikationsmerkmal dieser Stadt? Es muss schon einen gewichtigen Grund geben, warum das Krankenhaus nicht mehr in Baden-Baden bleiben kann, zumal sich Baden-Baden als Gesundheitsstandort versteht, für den ein starkes Gesundheitszentrum das zentrale Kriterium überhaupt ist. Gründe, davon abzugehen, tragen nicht. Sorgen vor finanzieller Überlastung der Stadt teile ich nicht. Der Bund sorgt gerade dafür, dass es den Krankenhäusern insgesamt besser gehen wird. Man kann nur von Glück sagen, dass die Bevölkerung vom Standort-Gutachten noch erfahren hat, bevor der Gemeinderat vollendete Tatsachen geschaffen hat.
2. Baden-Badener Bürger wollen mehr Lebensqualität. Verkehrsströme sind zu optimieren. Belohnen muss Vorrang vor dem Verbieten haben. Daher sind andere Lösungen zu suchen als ein Schilderwald, Blitzeranlagen und Poller. Die Gönneranlage ist ganztägig offen zu halten. Die Wege in den Parks und Straßen sind ordentlich zu beleuchten. Ansonsten haben Frauen Angst, die Wege zu benutzen, stolpern die Jogger über Bodenunebenheiten und erkennen die Bürger die Farben von Glasbehältern nicht, die sie abends in die Glascontainer werfen. Es geht nicht an, die Quellen zu versperren, nur weil die Reinheit nicht getestet ist; Hinweisschilder genügen völlig. Einen Mietspiegel braucht Baden-Baden nicht. Er kostet alle 4 Jahre 50.000 Euro und mehr und schafft nur günstige Möglichkeiten, die Mieten zu erhöhen. Mir ist unverständlich, warum es gerade ein SPD-Stadtrat war, der jahrelang um die Einführung eines Mietspiegels gekämpft hat. Außerdem muss die Stadt für Sozialwohnungen mehr Geld bereitstellen, weil die Mieten durch einen solchen Mietspiegel steigen. Auf die Baden-Badener Berge gehören keine Windräder, sie stören den Blick auf die Berge und sorgen für Stress beim Betrachter. Vereinsarbeit ist verstärkt zu fördern. Die Stadt sollte sämtliche Kosten der Kindergärten übernehmen. Soziales Thema ist auch die Frage der jüdischen Synagoge; die jüdischen Interessen sind vorab zu klären. In Baden-Baden bekommt jeder einen Grabstein mit Namensnennung, auch wenn die Stadt dafür aufkommen muss. Soziales Vorbild sollte die Stadt noch in anderen Bereichen werden, auch das erhöht die Bindung der Bürger an ihre Stadt und macht die Stadt zudem familienfreundlicher.
3. Soziales Engagement geht nicht ohne Finanzierung. Daher muss zum einen dafür gesorgt werden, dass die Effizienz der Verwaltungsarbeit verbessert wird. Das lässt sich vor allem durch eine Digitalisierung der Verwaltung unter Nutzung von künstlicher Intelligenz erreichen. In vielen SPD-geführten Städten wird das schon so praktiziert. Eigentlich selbstverständlich muss die Stadt den Personalbedarf ständig befragen. Alles andere ist auch unsozial, weil das Geld sonst nicht für soziale Themen bereitsteht. Es sind Synergieeffekte durch verstärkte kommunale Zusammenarbeit mit Mustergemeinden zu suchen. Der Bürgerausweis sollte sofort eingeführt werden. Neben dem Sparen sollte das Verdienen mehr in den Blick rücken. Die Unterstützung der örtlichen Handelsbetriebe wirkt sich gut auf die Gewerbesteuer, das Marketing und die Lebensqualität der Bürger aus. Daneben sollte die Stadt das Marketing rund um den Welterbe-, aber auch den Rheintourismus in die Hand nehmen. Ich stelle mir einen Rundgang durch die Stadt mit Halt an der Pferdewiese vor. Dort wartet ein Café mit Außengastronomie und der Möglichkeit zum Erwerb von Fanartikeln. Der Parkplatz für die Busse bleibt am Verfassungsplatz. Das Schloss muss in Baden-Badener Hand und einer Nutzung unter Heraushebung seiner Geschichte zugeführt werden.
4. Die SPD sollte sehen, dass Baden-Baden eine Transparenz-Offensive braucht. Auch das hat mit der Lebensqualität der Bürger zu tun. Früher war die FBB ein Garant für investigative Themen (s. Leo-Skandal). Jetzt ist niemand mehr da. Sitzungen im Stadtrat und in den Ausschüssen, die nicht unbedingt vertraulich bleiben müssen, sollten online zugänglich sein. Die Vertraulichkeit muss die deutliche Ausnahme bleiben. Die Bürger müssen wissen, warum sie wählen und wen sie wählen.
5. Sozialbetonte Kommunalpolitik hat auch eine ökologische Seite. Im Vordergrund sollte die Umstellung des ÖPNV auf grünen Wasserstoff stehen, zumindest zum Teil und als Vorzeigeprojekt. Baden-Baden sollte auch versuchen, so schnell wie möglich seinen Status als Luftkurort zurückzubekommen. Nehmen wir einmal die aktuelle Gaskrise. Zwar haben die Stadtwerke durch ihre langfristige Einkaufspolitik dafür gesorgt, dass die Preise für Strom und Gas nicht sofort in die Höhe schnellen. Aber wie steht es um den grünen Wasserstoff als Treibstoff der Zukunft? Ist die Stadt, sind die Stadtwerke gerüstet? Helmut Oehler, Leiter der Baden-Badener Stadtwerke, sagte Mitte 2022 auf einer Veranstaltung, in der es um die Bewältigung der Gaskrise ging, er halte nichts davon, den ÖPNV auf grünen Wasserstoff umzustellen. Es gebe keine serienreifen Busse mit Wasserstoffantrieb. Die Investitionskosten seien enorm, allein eine Tankstelle würde eine Million Euro kosten. Außerdem gebe es nirgends grünen Wasserstoff in genügender Menge. Dabei betreibt der Münchner FJS-Flughafen seit Jahren seinen ÖPNV mit grünem Wasserstoff. Außerdem hat Rastatt eine Wasserstoff-Tankstelle, an der im Kartenbetrieb rund um die Uhr grüner Wasserstoff entnommen werden kann, und die Stadt Baden-Baden kann in ihrem eigenen Windpark grünen Wasserstoff aus überschüssigem Strom herstellen. Die SPD sollte hier voranschreiten und für ein Umdenken sorgen, zumal in Baden-Baden vor nicht allzu langer Zeit noch ein neuer Diesel-Bus angeschafft wurde und die 47 Busse der Stadt einen großen Teil dazu beigetragen haben, dass Baden-Baden seinen Status als Luftkurort verloren hat. Natürlich gibt es Busse mit Wasserstoff-Antrieb, die man kaufen kann, nicht nur in China. So fährt die Deutsche-Bahn-Tochter Autokraft im Zuge des Wasserstoff-Pilotprojekts eFarm mit zwei Wasserstoffbussen des portugiesischen Herstellers Caetano. Die Niederflurbusse vom Typ «H2.City Gold» verkehren auf 50 Busverbindungen in Nordfriesland und tanken grünen Wasserstoff. Wasserstoff ist, was oft anders zu hören ist, nicht gefährlicher als etwa Benzin, jedenfalls weniger gefährlich als der konventionelle Elektroantrieb, wie die schlimmen Brände von Fahrzeugen mit Elektro-Antrieb zeigen. Auch der Umstand, dass eine Tankstelle 1 Million Euro kostet, sollte keine Angst machen. Immerhin wirft ein solcher Betrieb Gewinn ab. Da es von diesen Tankstellen nicht viele gibt, haben sie ein großes Einzugsgebiet. Und es gibt Fördermöglichkeiten. So wird die Wasserstoff-Tankstelle in Rastatt durch die Europäische Kommission im trans-European Transport Network (TEN-T CEF) mit dem Projekt Connecting Hydrogen Refuelling Stations (COHRS) gefördert. Ich meine auch, dass sich für die Finanzierung einer solchen Tankstelle schnell private Förderer bzw. Teilhaber finden würden. Wer sich für grünen Wasserstoff einsetzt, liegt jedenfalls richtig. So ineffizient er auch produziert wird, es ist der anerkannte Treibstoff der Zukunft. Elektromobilität wird vielfach und wohl auch zu Recht als Übergangstechnologie bezeichnet. Die EU will den grünen Wasserstoff und unterstützt zahlreiche Projekte. Nicht nur ich frage mich, warum die EU dieses Anliegen allein mit industrieller Verwendung konnotiert. Soll die Elektromobilität nicht gefährdet werden? Warum wird das Engagement für grünen Wasserstoff derzeit landauf landab als verfrüht bezeichnet? Steht da vielleicht die Autoindustrie dahinter, die ihre Fahrzeuge mit einem attraktiven Personalschlüssel produzieren will? Was spricht dagegen, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen? Solche haben auch schon andere nicht unbedingt große Kommunen fertigen lassen. Ich kenne keine Gemeinde, die von den Ergebnissen nicht begeistert war. Natürlich leben wir aktuell in einer schweren Zeit. Wir Bürger sollen Energie sparen, weil die Bundespolitik die Folgen ihrer Sanktionspolitik ggü. Russland nicht gesehen hat oder – was sich immer mehr herausstellt – nicht hat sehen wollen. Wer an Energie denkt, könnte versucht sein, das Ganze zu verdrängen und in Lethargie zu verfallen. Die SPD sollte da nicht stehen bleiben.
6. Für die nächste Kommunalwahl, die in schnellen Schritten naht, sollte sich die SPD dafür einsetzen, dass die Gymnasien Podiumsrunden mit Wahlbewerbern durchführen. In Anbetracht dessen, dass der SPD-Vorsitzende Martin Müller das Gymnasium Hohenbaden leitet, ist die SPD hier besonders in der Pflicht. Zu meiner Abiturzeit in den End-Siebzigern war es klar, dass Schüler Politik in der Schule hautnah erleben. Heute wird so etwas verfemt, obwohl die Schüler schon mit 16 Jahren wählen dürfen. Ich fand es bedenklich, dass die Baden-Badener Gymnasien bei der letzten Kommunalwahl auf eine Zentralrunde im Theater verwiesen haben. Mit so einer Haltung stellen sich die Gymnasien auf eine Stufe mit den Altersheimen, die ebenfalls keine Podiumsrunden zulassen, angeblich, weil Politik die Bewohner zu sehr belastet (so der Hahnhof). Gymnasien sollten sich aber klarwerden, dass sie die Elite Deutschlands ausbilden. Schüler müssen mündige, kritische Persönlichkeiten werden und keine Duckmäuser, die alles nachplappern, was ihnen von den staatlich dominierten Medien vorgegeben wird.
Dr. Patrick Bruns
Rechtanwalt
Baden-Baden
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