Baden-Baden, 19.09.2023, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Boris Fernbacher Stellung zu dem Leserbrief von goodnews4-Leser Wolfgang Holstein Leserbrief «Meine Meinung» – «Es handelt sich bei den goodnews4 um ein Tagesjournal nicht um ein wissenschaftliches Magazin».

Sehr geehrter Herr Holstein,

Sie schreiben in Ihrem Leserbrief vom 18.09.2023 unter anderem: «Zweitens bin ich es leid, mir die Verbrechen unserer Vorfahren vor über 80 Jahren vorhalten zu lassen. Ich bin nach Kriegsende geboren und habe mit den Verbrechen des Holocaust nichts zu tun. Bis in die wievielte Generation sollen die Deutschen denn noch «büßen»?»

Niemand und auch ich in meinem Leserbrief vom 15.09.2023 hat Ihnen die Verbrechen unserer Vorfahren vor über 80 Jahren persönlich vorgehalten oder dafür Ihnen Buße verlangt. Natürlich kann man nach 1945 geborenen Menschen für die damaligen Verbrechen keine Schuld oder Verantwortung zu schieben.

Wie die überwältigende Mehrzahl der heutigen Historiker lehne auch ich die These der angeblichen Kollektivschuld eines ganzen Volkes für Verbrechen ab. Der Begriff der Schuld stammt ja ursprünglich aus der christlichen Theologie, und dort ist Schuld immer nur etwas ganz individuelles, was der Einzelne mit Gott persönlich ausmachen muss.

Dennoch ist meiner Meinung nach auch jeder heutige Deutsche zumindest moralisch verpflichtet sich ebenso mit den guten und positiven wie den bösen und verderblichen Ereignissen und Entwicklungen der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen. Die Geschichte ist immer auch ambivalent, und man kann sich aus ihr nicht nur das Positive rauspicken und das Negative ausblenden.

Als Mensch, der sein deutsches Vaterland liebt, fühle ich mich verpflichtet, mich auch mit der NS-Zeit und den damals verübten Verbrechen auseinanderzusetzen. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass ich für die damaligen Ereignisse persönlich verantwortlich bin, dafür Buße tun müsste oder mich bei den damaligen Opfern entschuldigen müsste. Man muss sich im Leben nur für das entschuldigen, was man auch selber getan hat.

Boris Fernbacher
Baden-Baden

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