Haushaltsrede

Rastatter Kreisrat Balle blickt nach Baden-Baden und auf die Klinik-Politik – „Reihenweise renditeträchtige Luxusappartements“

Rastatter Kreisrat Balle blickt nach Baden-Baden und auf die Klinik-Politik – „Reihenweise renditeträchtige Luxusappartements“
Foto: Archiv

Rastatt, 07.02.2024, Bericht: Redaktion Im Rastatter Kreistag erhebt der Kreisrat Dieter Balle immer wieder mutig seine Stimme. In seiner Partei Die Linke ist die Lage nicht sonderlich rosig in Berlin und in der Landespolitik konnte Die Linke nie eine wahrnehmbare Rolle spielen.

Die Rolle von Dieter Balle zeigt aber den wichtigen politischen Wettbewerb zwischen den Parteien, der nur unzureichend erkennbar ist und der AfD in die Hände spielt. Unterscheide zwischen SPD und Grünen sind nicht mehr sichtbar. In seiner Haushaltsrede setzte sich Kreisrat Dieter Balle gestern mit den Aufgaben und wichtigen Themen des Landkreises in einer großen Intensität auseinander. goodnews4.de veröffentlicht diese Rede auch, weil der Rastatter Kreisrat exemplarisch auf die unsoziale Wohnungsbaupolitik in Baden-Baden blickt und ausführlich auf die umstrittene Planung für den Neubau einer Zentralklinik eingeht.

Der Rastatter Kreistag stimmte in seiner Sitzung gestern Nachmittag dem Haushalt 2024 für den Landkreis Rastatt mehrheitlich zu.

Haushaltsrede 2024 von Dieter Balle, Kreisrat Die Linke, Rastatt:

Wende ist überfällig, aber nicht in Sicht! Gegenüber letztem Jahr ist die politische Großwetterlage noch düsterer geworden. Hinzu kommt ein eklatantes Ampelversagen auf wesentlichen Politikfeldern. Das stümperhafte Vorgehen in Sachen Gebäudeenergiegesetz und allgemein in der Klimapolitik hat die dringend benötigte Konversionspolitik zur Verhinderung der Klimakatastrophe und zur ökologisch-sozialen Transformation nicht nur nicht vorangebracht, sondern zurückgeworfen.

 

Durch eine verfehlte Bundes-, aber auch Landespolitik kommt auch die kommunale Ebene immer mehr in Schieflage, wie das Beispiel der Krankenhauspolitik zeigt. Die alarmierende finanzielle Lage des KMB mit drohenden zweistelligen Millionenverlusten ist kein Einzelfall: Die Lauterbach`sche ZickZack-«Revolution» bringt immer mehr Krankenhäuser in die Bredouille, sprich an den Rand der Insolvenz oder darüber hinaus, was von mächtigen Lobbygruppen im Gesundheitswesen durchaus gewünscht ist: Kahlschlag durch Schließung vor allem kleinerer Krankenhäuser und danach freie Fahrt für Ambulantisierung und am Ende für Privatisierung. Dass Landrat Dr. Dusch für das KMB eine Lanze für die öffentliche Trägerschaft bricht, ehrt ihn, doch was ist, wenn zu den wachsenden Defiziten der bestehenden Krankenhäuser noch die Milliardenkosten der geplanten Krankenhauszentralfabrik kommen? Die Unsummen für den Neubau einerseits und die Abwicklung der bestehenden Kliniken andererseits kann der Landkreis unter den gegebenen Umständen nicht stemmen, ohne sich zu übernehmen, und die Stadt Baden-Baden erst recht nicht. Es ist schon genug Geld für unsaubere Gutachten verpulvert worden, die Schließung der Geburtsklinik in Rastatt sowie der Notaufnahme in Bühl waren genug Schritte in die falsche Richtung. Unsere Bevölkerung hat das Recht auf eine gute wohnortnahe Gesundheitsversorgung. Bund, Länder müssen hier wieder an einem Strang ziehen, um die Krankenhausfinanzierung auf eine tragfähige Basis zu stellen. Es ist in Sachen KMB noch nicht zu spät. Aus dem bisherigen Chaos gibt es nur einen Ausweg: Die Zurücknahme der Zentralklinik-Pläne und die Fokussierung auf den Erhalt, die Modernisierung und Optimierung der bestehenden Strukturen.

Ansonsten nimmt das Megaprojekt jeden Spielraum für die notwendigen Investitionen, die keinen Aufschub dulden, z.B. im Klimaschutz. Hier sind mit der Stelle für Klimaschutzkoordination und dem verstärkten Ausbau der PV-Anlagen auf kreiseigenen Dächern Fortschritte erzielt worden, aber bis zur völligen Decarbonisierung der Infrastruktur ist es noch ein langer Weg. Warum mit nur elf nicht einmal die Hälfte der 23 Gemeinden beim kreisweiten Klimaschutzkonzept mitmacht, ist uns unverständlich. Alle 23 sollten an einem Strang ziehen, auch wenn in einigen Teilbereichen unterschiedliche Niveaus vorhanden sind.

Der Ausbau des ÖPNV muss ein weiterer Schwerpunkt der Klimaschutzpolitik, sprich Verkehrswende, sein.Das Rückgrat des ÖPNV ist und bleibt der schienengebundene Verkehr. Hier ist für die Region Mittelbaden der Ausbau eines 3. und 4.Gleises auf dem Streckenabschnitt zwischen Karlsruhe Hbf und Forchheim Basheide unerlässlich. Man kann diese Notwendigkeit nicht oft genug anmahnen, schließlich sollen Durmersheim, Bietigheim und Ötigheim auf der Rheintalstrecke nicht aufs Abstellgleis geraten, wenn voraussichtlich 2026 die Schnellbahntrasse durch den Rastatter Tunnel in Betrieb genommen wird. Hier müssen alle verantwortlichen Funktionsträger*innen beständig Druck auf die DB ausüben, damit möglichst bald etwas Substanzielles geschieht. Auch der zweigleisige Ausbau der Murgtallinie ist alternativlos. Überdies ist die überfällige Verlängerung der Stadtbahnlinie S2 von Rheinstetten-Mörsch nach Durmersheim mit Anschluss an die Rheintalschiene seit über 30 Jahren auf der Agenda und Teil der Ausbaupläne von VBK und AVG. Diesen Lückenschluss nicht realisieren zu wollen, spricht allen Beteuerungen in punkto Verkehrswende Hohn. Zu einer Verkehrswende gehört auch ein ausgebautes Radwegenetz und auch ein Radschnellweg von Offenburg über Bühl und Rastatt nach Karlsruhe. Statt sich über inner- und außerörtliche Varianten zu streiten, sollten beide Varianten gebaut werden, weil es genügend Potential für beide gibt. Auch die innerörtliche Variante wird für den Radverkehr vor allem zwischen den Ortschaften gebraucht. Der Radverkehr soll schließlich eine tragende Säule zukünftiger Mobilität sein. Mobilität der Zukunft heißt auch : flächendeckender Ausbau der Tempo-30-Zonen. Auch auf diesem Feld kann der Landkreis in seiner Genehmigungspraxis mit gutem Beispiel vorangehen.

Und auch in der Wohnungsbaupolitik zeigt sich: Anstatt die Probleme zu lösen und den sozialen Wohnungsbau tatkräftig zu forcieren, führt der herrschende Wohnungsmangel dazu, dass bestimmte Kreise Flüchtlinge und Einheimische gegeneinander ausspielen können und fremdenfeindliche Stimmungen geschürt werden. Wir sagen: Angesichts des eklatanten Versagens in der Wohnungsbaupolitik in Bund und Land, sind Kreise und Kommunen in der Pflicht, selbst für Abhilfe zu sorgen und z.B. Kommunale Wohnungsbaugesellschaften für den sozialen Wohnungsbau ins Auge zu fassen. Wohnen ist ein Grundrecht und die Versorgung mit ausreichend Wohnraum gehört zu den Kernaufgaben der öffentlichen Hand, zumal dann, wenn der Markt die Dinge nicht im Sinnen der Betroffenen regelt, sondern stattdessen reihenweise renditeträchtige Luxusappartements für Reiche baut, wie momentan in Baden-Baden und anderswo.

Fazit: Die finanzielle, politische und soziale Lage ist düsterer denn je. Es ist kein Spielraum mehr da für megateure Prestigeprojekte. Die Öffentliche Hand, auch Kommunen und Landkreise, müssen sich vor allem auf ihre Kernaufgaben besinnen, als da sind: Wohnortnahe umfassende Gesundheitsversorgung inklusive Akutkliniken, genügend bezahlbarer Wohnraum für die ärmere Hälfte der Bevölkerung, ein gut ausgebauter und bezahlbarer Öffentlicher Nahverkehr sowie ein gut ausgestattetes Schulwesen. Übermäßiges kapitalistisches Gewinnstreben verbunden mit einer rücksichtslosen Ausbeutung der natürlichen Lebensgrundlagen mithilfe fossiler Energieerzeugung und eine auf das Verbrenner-Auto zugeschnittene Verkehrspolitik haben unsere Gesellschaft in eine Sackgasse geführt. Eine Wende in jeder Hinsicht ist überfällig. Taten sind gefragt. Oder wie der alte Marx schon sagte: «Ein Schritt wirklicher Bewegung ist wichtiger als 1000 Programme.»

Der vorgelegte Haushalt macht kaum Schritte in die richtige Richtung. Wir können ihm somit nicht zustimmen.




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