Heute Mahnwache am Leo

Unermüdliche Baden-Badenerin Christina Lipps kämpft für Julian Assange – „Er lebt offensichtlich und das allein ist schon eigentlich ein Wunder“

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goodnews4-VIDEO-Interview von Reyhan Celik mit Christina Lipps

Bild Christian Frietsch Bericht von Christian Frietsch
22.04.2021, 00:00 Uhr



Baden-Baden Christina Lipps ist eine Baden-Badener Bürgerin wie man sie sich in einer wehrhaften Demokratie wünschen kann. Seit Jahren macht sie zusammen mit der NGO Attac auf das Schicksal des australischen Journalisten Julian Assange aufmerksam. Wöchentlich mit einer Mahnveranstaltung am Leopoldsplatz in Baden-Baden.

Seit zwei Jahren sitzt der Journalist nicht etwa in Russland oder der Türkei, sondern in Großbritannien in einem Hochsicherheitsgefängnis. Das Verbrechen, das ihm vorgeworfen wird, ist Geheimnisverrat. Mit den von ihm im März 2010 über Wikileaks veröffentlichten geheimen US-Militärinformationen zu Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan, die der Whistleblower Bradley Manning recherchiert hatte, wurden Kriegsverbrechen deutlich. Wie in allen vergleichbaren Fällen zeigt sich in sogenannten demokratischen und autokratischen Regierungen das Dilemma gleichermaßen. Nach den jeweils gültigen Gesetzen gibt es keine politischen Gefangenen. Aufgedeckte Kriegsverbrechen oder Menschenrechtsverletzungen und darüber verbreitete Informationen fallen unter das Strafrecht. Landesverrat oder Geheimnisverrat sind in der Regel die Vorwürfe. Im goodnews4-VIDEO-Interview geht Christina Lipps auf die aktuelle Situation von Julian Assange ein.

Morgen ab 16 Uhr ist Christina Lipps wieder für Julian Assange im Einsatz bei der 46. Mahnwache für die Freilassung von Julian Assange am Leopoldsplatz.


Abschrift des goodnews4-VIDEO-Interviews mit Christina Lipps, Sprecherin der Attac-Regionalgruppe in Baden-Baden:

goodnews4: Frau Lipps, das Schicksal von Julian Assange ist den meisten Menschen bekannt. Was ist denn der aktuelle Stand in dem Fall?

Christina Lipps: Ich hoffe, dass es den meisten Menschen bekannt ist, dass Julian Assange, ein australischer Journalist, inhaftiert ist, weil die USA seine Auslieferung verlangen. Er sitzt in London im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh wegen einem nichtigen Anlass und wartet oder soll ausgeliefert werden an die USA. Ich sage das trotzdem nochmal, weil so wenig über ihn berichtet wird und es deswegen einfach gut ist, wenn man nochmal ganz kurz zusammenfasst. Wie es ihm geht, haben Sie gefragt: Ja, da er in Isolationshaft ist, weiß man sehr wenig darüber. Ich habe jetzt gerade gelesen, dass seine Partnerin ihn wohl täglich anrufen kann und dass er lebt, auf jeden Fall. Seine zwei kleinen Söhne hat er schon ein Jahr lang nicht mehr sehen dürfen, seine rechtliche Vertretung darf er nicht sehen, also seelisch geht es ihm nicht gut, körperlich lebt er.

goodnews4: Sie haben es ja schon kurz angesprochen, seinen gesundheitlichen Zustand, können Sie dazu ein bisschen mehr sagen, wie es ihm gesundheitlich geht?

Christina Lipps: Wie gesagt, er lebt offensichtlich und das allein ist schon eigentlich ein Wunder, denn man hat den Eindruck, dass diese Maßnahmen, denen er ausgesetzt worden ist, dass die eigentlich einen umbringen könnten. Und das ist vielleicht auch die stille Hoffnung der Verantwortlichen, dass er einfach stirbt. Nils Melzer, der UN-Sonderbeobachter für Folter, hat festgestellt, als er ihn besucht hat, dass er alle Anzeichen psychischer Folter zeigt. Er wird jetzt seit zehn Jahren verfolgt und ist sieben Jahre lang davon in der ecuadorianischen Botschaft gewesen, wo er auf 40 Quadratmetern saß, und jetzt ist er bereits über zwei Jahre in Isolationshaft in London im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Ein Mann, der keine Verbrechen begangen hat wie die anderen, die dort sitzen, sondern der Verbrechen aufgedeckt hat.

goodnews4: Wie ist derzeit die Rechtslage einzuschätzen?

Christina Lipps: Einschätzen ist schwierig. Am 4. Januar war der Prozess um seine Auslieferung, die die USA verlangen, und zur großen Freude seiner Befürworter hat die Richterin diese Auslieferung zurückgewiesen. Es ist aber nur begrenzt ein Grund zur Freude, denn sie hat gleichzeitig alle inhaltlichen Gründe der USA bestätigt. Und jetzt ist er weiterhin inhaftiert, obwohl man normalerweise in solchen Fällen die Menschen gegen Kaution entlassen würde. Das wird ihm verweigert, obwohl der Grund, dass er nicht ausgeliefert wird, von der Richterin war, dass die Bedingungen in den USA, die Haftbedingungen so wären, dass man seinen Selbstmord befürchten müsste. Aber das, was man ihm da in Belmarsh antut mit der Isolationsfolter, ist eigentlich auch kein Überlebensmodus.

goodnews4: Die Vereinigten Staaten haben ja Berufung eingelegt, gibt es einen nächsten Termin?

Christina Lipps: Es gibt noch keinen Termin. Es besteht die Hoffnung, dass im Mai irgendein Fortschritt bekanntgegeben wird oder ein neuer Schritt. Aber grundsätzlich wird dieses Verfahren mit Sicherheit durch mehrere Instanzen laufen, weil egal wie der nächste Schritt entschieden wird, es wird dann dagegen wieder Berufung geben. Also es ist nicht absehbar, so wie die britische Justiz sich verhält, dass Julian Assange freigelassen wird, egal, was juristisch passiert.

goodnews4: Was hat Sie persönlich, Frau Lipps, zu diesem Engagement motiviert?

Christina Lipps: Das ist eine gute Frage, wir haben neulich überlegt, wir machen ja seit Dezember 2019 hier in Baden-Baden mehr oder weniger wöchentlich eine Mahnwache für Julian Assange. Heute ist es die 45. Ich erinnere mich noch, dass damals die Berichterstattung über die Bedingungen seiner Inhaftierung und der Bericht von Nils Melzer mir so unter die Haut ging, dass wir in unserer Attac-Gruppe darüber gesprochen und beschlossen haben: Wir wollen zeigen, dass man damit nicht einverstanden sein darf. Es geht ja auch nicht ausschließlich um die Person Julian Assange. Es gibt auf der Welt leider schrecklich viele zu Unrecht inhaftierte, gefolterte, gequälte Menschen. Hier geht es zusätzlich eben auch noch um die Pressefreiheit. Gerade Sie als Journalistin werden wissen, dass es manchmal ein Eiertanz ist, was man veröffentlicht und was nicht. Eiertänze kann man ja noch aushalten, aber wenn Journalisten befürchten müssen, sie werden – egal, wo auf der Welt sie sind, wenn sie kritisch berichten über die USA, wenn sie damit rechnen müssen, angeklagt und in die USA bestellt zu werden, kann man sich ausrechnen, dass das immer weniger tun werden. Deswegen stehen wir hier eben ganz stark auch, um die Pressefreiheit zu verteidigen, die für uns alle so wichtig ist.

goodnews4: Und was können Interessierte tun und würden Sie sich auch mehr Engagement wünschen von anderen?

Christina Lipps: Ja, natürlich, mehr Engagement wäre immer gut. Aber ich muss sagen, die Thematik Julian Assange hat wirklich viel, viel Interesse ausgelöst, also mehr als wir es mit anderen Themen haben. Was wir natürlich gerne hätten, wären mehr Menschen, die zum Beispiel Briefe Schreiben an den Herrn Außenminister und ihn bitten, sich einzusetzen für die Einhaltung der Menschenrechte. Auch in Großbritannien, einem demokratischen Staat, auch in der Bundesrepublik könnte man für Julian Assange sehr viel mehr tun. Und hier in Baden-Baden unsere Mahnwache sieht einfach besser aus, wenn hier zwölf Leute stehen oder 20. Wir würden uns das also wünschen. Man kann Briefe schreiben, die kann man bei uns bekommen, und sich informieren. All das, ist nach oben noch viel Luft.

goodnews4: Ich bedanke mich für das Interview, Frau Lipps.

Christina Lipps: Ich danke Ihnen.

Das Interview führte Reyhan Celik für goodnews4.de.

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