Vertrag unterzeichnet

Vertrag mit Israelitischen Religionsgemeinschaften – Kretschmann: „Abwehr des Antisemitismus“ – Rami Suliman: „Leib und Leben der Juden schützen“

Vertrag mit Israelitischen Religionsgemeinschaften – Kretschmann: „Abwehr des Antisemitismus“ – Rami Suliman: „Leib und Leben der Juden schützen“
Ministerpräsident Kretschmann bei der Videokonferenz mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften Baden und Württemberg. Foto. Staatsministerium Baden-Württemberg

Stuttgart, 29.01.2021, Bericht: Redaktion Der «Schutz jüdischer Einrichtungen und gemeinsame Abwehr des Antisemitismus» ist das Ziel eines Vertrages zwischen dem Land Baden-Württemberg und den Israelitischen Religionsgemeinschaften, der gestern in Stuttgart in Anwesenheit von Ministerpräsident Winfried Kretschmann unterzeichnet wurde.

«Mit großer Sorge beobachten wir, dass der Antisemitismus gerade in der jüngsten Vergangenheit wieder auf dem Vormarsch ist – in den Köpfen der Menschen, in den sozialen Medien und leider auch in Form von schweren Straftaten. Das alles geschieht leider auch hier bei uns in Baden-Württemberg. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir zum Schutz jüdischer Einrichtungen und zur gemeinsamen Abwehr des Antisemitismus heute gemeinsam mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften Baden und Württembergs einen Vertrag unterzeichnen», wird Ministerpräsident Winfried Kretschmann in einer Erklärung des Staatsministeriums in Stuttgart zitiert. «In vielen Gesprächen mit Jüdinnen und Juden habe ich von der Angst und Unsicherheit erfahren, die Gläubige täglich erleben, etwa wenn sie Gottesdienste feiern, Berichte über antisemitisch motivierte Straftaten verfolgen oder aus Angst vor Angriffen lieber keine Kippa tragen. Diese Erzählungen von Menschen, die ihren Glauben nicht in der Mitte der Gesellschaft leben können, schmerzen mich sehr», so Kretschmann.

Mit dem Vertrag zum Schutz jüdischer Einrichtungen und zur gemeinsamen Abwehr des Antisemitismus mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften setze die Landesregierung ein klares Zeichen gegen Ausgrenzung und Zwietracht und fülle gesellschaftliche Grundwerte wie Freiheit, Menschenwürde und Toleranz mit Leben. «Für mich und meine Landesregierung ist klar, dass Antisemitismus uns in unseren Grundfesten bedroht, weil er genau die Werte in Frage stellt, auf denen unser friedliches Miteinander basiert.»

Im Rahmen des Vertrags wird die Landesregierung im laufenden Jahr 2021 für bauliche Sicherungsmaßnahmen von jüdischen Einrichtungen Mittel in Höhe von zunächst einer Million Euro zur Verfügung stellen. Für personelle Sicherheitsmaßnahmen sowie für Alarm- und Meldesysteme stellt das Land in den kommenden drei Jahren der Vertragslaufzeit zudem rund 1,17 Millionen Euro jährlich bereit. Des Weiteren unterstützt die Landesregierung den Aufbau einer Jüdischen Akademie für Baden-Württemberg während der Vertragslaufzeit mit jährlich 200.000 Euro. Das Land und die Israelitischen Religionsgemeinschaften beabsichtigen, auf Basis der bis dahin gemachten Erfahrungen und in Hinblick auf weiter erforderliche Bedarfe der Israelitischen Religionsgemeinschaften, eine Anschlussregelung zu schließen.

«Heute ist ein bedeutender Tag: die Vereinbarung zur Sicherheit zwischen dem Land Baden-Württemberg und den Israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden und Württemberg wird unterzeichnet. Vor elf Jahren, im Jahre 2010, war schon einmal ein solch bedeutender Tag. Dieser bedeutete die Grundlage für die wirtschaftliche Existenzsicherung der jüdischen Gemeinden im Land: die Unterzeichnung des Staatsvertrages. Aber vor einem Jahrzehnt hätte sich das niemand vorstellen können: Heute müssen wir Leib und Leben der Juden im Land schützen, nicht nur die wirtschaftliche Existenz. Wir sind traurig, dass solche Maßnahmen überhaupt nötig sind. Aber wir sind stolz auf die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Landesregierung und allen demokratischen Fraktionen im Landtag sowie auf die Unterstützung durch die Zivilgesellschaft. Gemeinsam werden wir unsere freiheitliche Demokratie gegen diejenigen, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, verteidigen», so Rami Suliman, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden. Nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle im Oktober 2019 hatte Rami Suliman im Interview mit goodnews4.de von der Politik Maßnahmen zum Schutz der Synagogen gefordert. goodnews4.de berichtete.

 

Die Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, Barbara Traub, sagte: «Jüdisches Leben ist wieder aktiver Teil unserer vielfältigen Gesellschaft, doch der Ungeist des Antisemitismus ist längst nicht verschwunden. Daher danken wir der Landesregierung von Baden-Württemberg für die Unterstützung der Sicherungsmaßnahmen für unsere Gemeinden, damit sich die jüdischen Menschen und Besucherinnen und Besucher der Synagogen und Gemeindezentren sicher und geborgen fühlen können. Zugleich haben unsere jüdische Religion, jüdische Kultur und Tradition viel zu bieten. Die künftige jüdische Akademie Baden-Württemberg wird den Bürgerinnen und Bürgern Zugänge eröffnen und jüdische Perspektiven auf die drängenden Fragen unserer Zeit ermöglichen. Sie wird dadurch den Abbau von Vorurteilen ermöglichen und Antisemitismus auch auf der Bildungsebene entgegenwirken.»

Abschließend dankte Ministerpräsident Kretschmann der Vorsitzenden der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, Barbara Traub, und dem Vorsitzenden der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Rami Suliman, für die konstruktive Zusammenarbeit. «Ich freue mich sehr, dass wir heute am jüdischen Feiertag TuBi Shevat, dem Neujahrsfest der Bäume, gemeinsam mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften den Vertrag unterzeichnen können. Denn ebenso wie viele Jüdinnen und Juden weltweit pflanzen auch wir mit dem heute unterzeichneten Vertrag etwas, das Frucht bringen soll und Neues entstehen lässt», unterstrich Kretschmann.

Als ein erster wichtiger Termin steht die Vertragsunterzeichnung auch im Kontext des Festjahres zu 1700 Jahre jüdischem Leben in Deutschland, das bundesweit 2021 begangen wird. «Wir wollen 2021 auch als Chance wahrnehmen, um voneinander zu lernen – für eine gemeinsame und bessere Zukunft. Und auch dafür ist der heutige Termin ein wesentlicher Ausdruck. Jüdisches Leben gehört zu unserem Land: früher, heute und in Zukunft!», so der Ministerpräsident.


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