Urteilsbegründung liegt vor

Vorgänge in jüdischer Gemeinde Baden-Baden und im Kultusministerium bleiben im Dunkeln – VGH: „Kein Anspruch auf ungeschwärzte Informationen“

Baden-Baden/Mannheim, 06.03.2024, Bericht: Redaktion In einem langwierigen Prozess hat sich der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs, VGH, nun zu einem Fall der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden und deren Baden-Badener Gemeinde geäußert.

Im Anschluss an eine mündliche Verhandlung vom 8. November 2023 hatte das Gericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen, der Zugang zu Akten des Kultusministeriums über interne Vorgänge bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden und deren Baden-Badener Gemeinde ohne die Schwärzung erreichen wollte. goodnews4.de berichtete.

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Verwaltungsgerichtshof entscheidet im Fall Benjamin Vataman – Kein Anspruch auf „ungeschwärzte Unterlagen“

Zu diesem Urteil liegen nun die Urteilsgründe vor. Hintergrund war eine jahrelange Rechtsauseinandersetzung zwischen dem Land Baden-Württemberg und Benjamin Vataman, dem ehemaligen Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden. Erst nach Jahren hatte Benjamin Vataman überhaupt Einsicht in die Akten erhalten. Nach der Entscheidung des VGH wird nun im Dunkeln bleiben, wer für Einzelheiten von weitreichenden Maßnahmen verantwortlich war, die zur Absetzung des damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde führten.

Die Mitteilung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 5. März 2024 im Wortlaut:

Der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) hat im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 8. November 2023 die Berufung des Klägers zurückgewiesen, der Zugang zu Akten des Kultusministeriums ohne die Schwärzung über in-terne Vorgänge bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden und deren Ba-den-Badener Gemeinde erreichen wollte. Zu diesem Urteil liegen nun die Urteilsgründe vor.

 

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte die Klage auf Informationszugang mit Ur-teil vom 24. November 2021 - 6 K 192/19 - abgewiesen. Der Kläger war Erster Vorsitzender einer Gemeinde der israelitischen Religionsgemeinschaft in Baden K.d.ö.R. und wurde nach Untreuevorwürfen abberufen. In deren Folge fanden um-fangreiche Wirtschaftsprüfungen statt, die unter anderem die ordnungsgemäße Verwendung finanzieller Zuwendungen des Landes untersuchten. Auf seinen An-trag hat das Kultusministerium dem Kläger nur eingeschränkt Zugang zu den bei ihm in dieser Angelegenheit vorliegenden Informationen gewährt. Die auf vollständigen Informationszugang gerichtete Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe weitgehend abgewiesen. Einem weitergehenden Informationsanspruch nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) stünden Persönlichkeitsrechte Dritter sowie das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der beigeladenen Religionsgemeinschaft bzw. der betreffenden Gemeinde nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung (WRV) entgegen. Dieses sei als «ungeschriebener» Ausnahmegrund bei der Anwendung des LIFG zu berücksichtigen.

Der 10. Senat hat das Urteil des Verwaltungsgerichts zwar nicht in der Begrün-dung, aber im Ergebnis bestätigt. Die internen Vorgänge bei den beigeladenen Religionsgemeinschaften seien vom Grundgesetz geschützt. Danach hätten die Religionsgemeinschaften das Recht, ihre eigenen Angelegenheiten selbst und ohne Einmischung des Staates zu regeln. Unter die religionsverfassungsrechtliche Selbstverwaltungsgarantie fielen typischerweise auch die Haushaltsführung, Vermögensverwaltung und wirtschaftliche Tätigkeit der Religionsgemeinschaften.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könnten dem Informationsanspruch des Klägers nach dem LIFG die einschlägigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV) aber nicht als ungeschriebene Ausnahmegründe direkt entgegengehalten werden. Das LIFG enthalte vielmehr ein abgeschlossenes System von Bereichsausnahmen und Ausschlussgründen, die den im Grundsatz umfassenden und voraussetzungslosen Informationsanspruch begrenzten. Das Fehlen einer Ausnahmebestimmung zum Schutz der Selbstverwaltungsgarantie der Religionsgemeinschaften stelle allerdings eine vom Gesetzgeber ungewollte, planwidrige Regelungslücke dar. Diese sei durch eine analoge Anwendung der Ausnahmebestimmung zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 6 Satz 2 LIFG) zu schließen. Ein Zugang zu Informationen, die der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie einer Religionsgemeinschaft zuzurechnen sind, dürfe danach nur gewährt werden, wenn die Religionsgemeinschaft hierin einwillige.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen. Dagegen kann der Kläger binnen eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht erhoben werden (Az. 10 S 916/22).




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