Gastkommentar

Warum die Bildung im Ländle abrauscht – Gastbeitrag von Thomas Bippes

Bild Thomas Bippes Kommentar von Thomas Bippes
26.11.2022, 00:00 Uhr



Baden-Baden In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht goodnews4.de Beiträge von Gastkommentatoren. Zum engeren Kreis gehören der Baden-Badener Bestsellerautor Franz Alt und Thomas Bippes, der sich insbesondere den Themen der Digitalisierung, IT und Künstlichen Intelligenz zuwendet.

Thomas Bippes war in der Zeit von 1998 bis 2006 Pressesprecher von Fraktion und Partei der CDU Rheinland-Pfalz und ist heute Professor für Medien- und Kommunikationsmanagement an der SRH Fernhochschule – The Mobile University sowie Gesellschafter einer Online Marketing Agentur in Baden-Baden. Das Handwerkszeug für professionelles Online-Marketing lernte der Kommunikationsexperte im Presse- und Informationsstab des Bundesministeriums der Verteidigung, als Referent und Pressesprecher von Landtagsfraktionen sowie als Chefredakteur und Verleger von Mitgliedermagazinen für Institutionen und Verbände.

Kommentar: Thomas Bippes Im Bildungsmonitor 2022 der Initiative Deutsche Marktwirtschaft, der jährlich veröffentlicht wird, ist Baden-Württemberg regelrecht abgerauscht. «THE LÄND», das gemeinsam mit Bayern und Sachsen über viele Jahrzehnte hinweg als feste Größe an der Spitze der deutschen Bildungslandschaft stand, verzeichnet ein dickes Minus von 4,0 Punkten im Vergleich zu 2013.

In der Schulqualität liegt das Minus sogar bei 30,5, in der Ausgaben-Priorisierung bei -17,3 Punkten. Um im Bild zu bleiben: In Sachen Schulbildung hat sich «THE LÄND» zu «THE ELÄND» entwickelt. Wie kann es sein, dass ein langjähriger Spitzenreiter im deutschen Bildungssystem innerhalb so kurzer Zeit eine solche Bruchlandung im Bildungswesen hinlegt und im Gesamtranking nur noch im Mittelfeld liegt?

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Über viele Jahre hinweg war die Bildungspolitik unter CDU-geführten Regierungen stabil und verlässlich. Keine Experimente – das war die Devise und sie ist oft das Geheimnis erfolgreicher Bildungspolitik. Seit die Grünen (aber auch die SPD) mit an Bord der Landesregierung sind, wurde die Bildungspolitik zur ideologischen Spielwiese – mit den dramatischen Konsequenzen, die sich aktuell abzeichnen.

 

Bildungspolitik wurde zur ideologischen Spielwiese

Hinzu kommt die katastrophale Kommunikation der Landesregierung rund um das Thema «G8 oder G9». Denn: Eine umfassende Studie, die im Auftrag der Stiftung Mercator durchgeführt wurde, kommt zu einem eindeutigen Schluss: «Eine generelle Überlegenheit von G8 oder G9 kann nicht belegt werden.» Hinzu kommt: Trotz der Verkürzung der Gymnasialzeit sind unsere Abiturientinnen und Abiturienten im internationalen Vergleich eher alt. Aber: Viel wichtiger als die Dauer der Schulzeit bis zum Abitur seien demnach die Bedingungen in jeder einzelnen Schule. Hier liegt der Hase im Pfeffer. Nach einer Studie des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) haben viele Schulen in Baden-Württemberg bereits wenige Wochen nach dem Start des neuen Schuljahres teils dramatische Probleme, die planmäßigen Unterrichtsstunden abzudecken. Rund 10 Prozent der Grundschulen, 20 Prozent der weiterführenden Schulen und 40 Prozent der Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren haben nach eigenen Angaben Probleme, den Regelbetrieb zu sichern. Viele dieser Schulen seien längst im Notbetrieb angekommen. Nach einer Analyse, die die Bildungsgewerkschaft GEW in Auftrag gegeben hat, fehlen in Baden-Württemberg bis 2035 fast 17.000 Lehrerinnen und Lehrer.

Bildung ist heute wichtiger denn je

Wenn Lehrkräfte fehlen und Unterricht ausfällt, dann kann weder die verlässliche Grundschule noch G9 oder G8 funktionieren. Dabei ist Bildung heute wichtiger denn je: Einer Studie des Instituts für Management und Wirtschaftsforschung (IMWF) zufolge spielen für erstaunlich viele Jugendliche Bildung, Fleiß und Leistung kaum noch eine Rolle. Geprägt von übermäßigem Konsum sozialer Medien entwickeln sie sich zu ausgeprägten Hedonisten, die das Leben genießen wollen. Jugendforscher sprechen hier von einem «psychischen Trümmerfeld». In einer von den Studienautoren so bezeichneten «Flexkultur in Deutschland» zeigen manche Milieus an Statussymbolen wie Autos oder Markenbekleidung weit mehr Interesse als an einer soliden Ausbildung.

Äußerst problematisch für den Bildungsstandort Deutschland und Baden-Württemberg wird es dann, wenn Parteien wie die Grünen Bildungsferne zelebrieren und suggerieren, dass es keine Bildung brauche, um es in höchste politische Ämter zu schaffen: Studienabbrecher an der Parteispitze oder in den Aufsichtsräten der wichtigsten deutschen Unternehmen wie VW, die die Ahnungslosigkeit zum Prinzip erklärt haben, vermitteln ein desaströses Bild einer Gesellschaft, in der es nicht mehr auf Bildung, Erfahrung und Fachwissen ankommt.

Warum also in Bildung investieren? Scheinbar funktioniert es ja auch so. Dabei wünschen sich die Menschen, gut regiert zu werden, sich auf Politiker verlassen zu können. Sie wollen expertengeleitetes Regierungshandeln. Die Folge niedrigen Bildungsniveaus und fehlenden Fachwissens ist Politikverdrossenheit und die Erkenntnis, dass wir schlecht regiert werden. Deshalb mein nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag: Bezahlen wir Politiker doch nach ihrer Bildung. Gemeint ist dabei auch die Frage, welchen Lohn unsere Landtagsabgeordneten oder Bundestagsabgeordneten auf dem Arbeitsmarkt erzielen könnten. Ich sehe hier leider gewaltige Einsparpotenziale!


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