Gastkommentar

Weg mit der Kriegsrhetorik in der Corona-Pandemie – Gastkommentar von Thomas Bippes

Weg mit der Kriegsrhetorik in der Corona-Pandemie – Gastkommentar von Thomas Bippes
Wer Verständnis und Akzeptanz für aktiven Gesundheitsschutz wecken will, muss vielmehr erklären. Foto: Archiv

Bild Thomas Bippes Gastkommentar von Thomas Bippes
17.10.2020, 00:00 Uhr



Baden-Baden In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht goodnews4.de Beiträge von Gastkommentatoren. Zum engeren Kreis gehören der Baden-Badener Bestsellerautor Franz Alt, der Künstler und Aktivist Gerd Weismann und Thomas Bippes, der sich insbesondere den Themen der Digitalisierung, IT und Künstlichen Intelligenz zuwendet.

Thomas Bippes ist Professor für Medien- und Kommunikationsmanagement an der SRH Hochschule Heidelberg und Gesellschafter der Online Marketing Agentur SEO & REPUTATION in Baden-Baden

Kommentar: Thomas Bippes Die Zügel anziehen, Maßnahmen verschärfen und brachial durchgreifen, Unheil abwenden, dem Virus den Kampf ansagen – die Rhetorik der Bundesregierung und politisch Verantwortlichen auf unterschiedlichen Ebenen in Deutschland spiegelt ein fragwürdiges Menschenbild wider. Mitunter gleicht die Wortwahl einer Kriegsrhetorik, vermittelt nicht nur unterschwellige Drohungen und verbreitet einen Alarmismus, der längst nicht bei allen Virologen und Epidemiologen der tatsächlichen Gefahrenlage durch das Corona Virus entspricht.

Mehr denn je ist der Umgang mit der Pandemie zu einer Kommunikationsaufgabe geworden. Unsere politischen Eliten gehen dabei einen mitunter zweifelhaften Weg. Sie sprechen eine Sprache der harten Hand und vermitteln den Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl, versagt zu haben, weil die Fallzahlen wieder ansteigen. Weil Menschen ihrem ureigenen und sehr menschlichen sozialen Bedürfnis nach Nähe und Begegnung nachgehen und dabei nicht immer die notwendige Vorsicht walten lassen.

Ein Beispiel: Das studentische Leben spielt sich nicht nur am heimischen Schreibtisch ab. Es lebt vom Austausch der Studierenden, die ihre freigeistige Lebensweise in ihrer ganzen Kreativität und Entfaltungskraft nur im sozialen Miteinander erleben können. Die Begegnung und das Gespräch sind Wesensmerkmale des studentischen Lebens. Mit Verteufelung kommt man an dieser Stelle nicht weiter.

Aus der Kindererziehung wissen viele Eltern, mit Anreizen lässt sich viel mehr erreichen, als mit Drohungen. Wer die Menschen in Bezug auf die Abstands- und Hygieneregeln bei der Stange halten will, muss Perspektiven eröffnen und Anreize setzen. Er darf nicht drohen, verteufeln und brüskieren. Wer Verständnis und Akzeptanz für aktiven Gesundheitsschutz wecken will, muss vielmehr erklären. Er muss ein Hinterfragen und Debattieren zulassen und Entscheidungen transparent und vor allem nachvollziehbar begründen. Die Bundesregierung hat viel Geld in Werbekampagnen zur Untermauerung ihrer Corona-Strategie gesteckt. Vielleicht wäre eine Kommunikationsberatung angemessener gewesen.

Einen zweiten Lockdown wird es nicht geben. Die Gerichte werden das nicht zulassen, so wie sie es in lokalen Fällen bereits unterbunden haben. Wir können ihn uns auch finanziell nicht leisten. Die Folgen eines erneuten Lockdowns werden vermutlich weitaus schlimmer sein, als die der Corona-Pandemie selbst. Warum also verschwindet auch dieses Wort, das drohend wie ein Schatten über der derzeitigen Situation schwebt, nicht aus der Krisenrhetorik der Politik? Die Aufgabe der Entscheider ist es vielmehr, nachvollziehbare Szenarien dafür zu entwickeln, wie wir mit dem Virus unseren Alltag gestalten können. Es gilt also, den Blick auf die Chancen und Handlungsperspektiven zur richten und nicht die Motivation und weitgehende verständige Akzeptanz der Bürger durch fehlgeleitete Kommunikation zu verspielen.


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