Festspielhaus Programm 2018/19

Baden-Badener Wunder Andreas Mölich-Zebhauser geht in sein letztes Jahr - "Größtes Glück sind die Berliner Philharmoniker" - Zu "good-good life": "Was heute hip ist, ist morgen verquarzt und blöde"

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goodnews4-VIDEO-Interview von Nadja Milke mit Andreas Mölich-Zebhauser

Baden-Baden, 24.03.2018, 00:00 Uhr, Bericht: Christian Frietsch «Waren Sie bei Ihrer letzten Programmpräsentation von ersten Sentimentalitäten beschlichen?», richtete Nadja Milke an den bald scheidenden Intendanten des Festspielhauses Baden-Baden letzte Woche eine Frage nach seinem emotionalen Befinden. «Ja, natürlich», gesteht Andreas Mölich-Zebhauser ohne Zögern ein. Er hat alle Formen von Glück und Leid vor und hinter der Bühne erlebt und so ist auch der Umgang mit den Tränen eine selbstverständliche Regung.

Und seine zwei, drei Sätzen mit einem Blick zurück auf die vergangenen zwei Jahrzehnte zeigen, dass er sich selbst und damit auch Baden-Baden dorthin geführt hat, wovon niemand zu träumen wagte. In den Olymp der Opernwelt. In einem Atemzug mit New York, Mailand, Salzburg. Und Andreas Mölich-Zebhauser packt das ganze Baden-Badener Wunder in diese ein zwei holprigen, flüchtig zusammengebauten Sätze: «Das ist dann der Moment, wo du auch anfängst zurückzublicken und ein bisschen revuepassieren zu lassen was sich alles glücklich gefügt hat, was es an großen Katastrophen gab wie den Wasserschaden vor der Idomeneo-Premiere, von Glücksfällen geprägt wie die Zusammenarbeit mit Claudio Abbado, die letzten Opern mit Claudio Abbado, die er dirigieren konnte, hier herauszubringen ist schon etwas für das persönliche Geschichtsbuch. Und dann kommen große Linien wie mit Nikolaus Lehnhoff, die vielen Wagner- und Strauss-Opern, mit Thielemann auch Strauss und Wagner, mit Thomas Hengelbrock, der ganz früh Partner szenischer Arbeiten bei uns geworden ist und, und, und − es ging immer so weiter.» Und seinen größten Traum vollendet Andreas Mölich-Zebhauser in dieser letzten Saison in Baden-Baden: «Und das größte Glück vielleicht − da habe ich übrigens lange dran gearbeitet, dass es zustande kam, dass die Berliner Philharmoniker in Baden-Baden ihre Osterfestspiele seit dem Jahr 2013 machen mit ihrem Chefdirigenten, jetzt in diesem Jahr den Parsival.»

Baden-Baden, das er in den klassischen Olymp geführt hat, gibt er den Rat, nicht in Trivialitäten zu verfallen. Am neuen Motto eines «good-good life» lässt er kein gutes Haar: «Ich finde da keinen Bezug zu diesen ziemlich hohlen, vollbärtigen Menschen oder juwelenbehängten jungen Damen.» Man solle nicht dem Zeitgeist, den Moden hinterherlaufen: «Was heute hip ist, ist morgen verquarzt und blöde» und «wir haben es mit Menschen zu tun, die über viele Jahre schon nach Baden-Baden gekommen sind und die heute Baden-Baden entdecken und viele Jahre Baden-Baden treu bleiben wollen und sollen, die werden nicht mit den Moden gehen. Baden-Baden hat einen langen Atem und den soll es bitte behalten.»

PDF Pressemitteilung des Festspielhauses zur neuen Saison 2018/2019


Abschrift des goodnews4-VIDEO-Interviews mit Andreas Mölich-Zebhauser:

goodnews4: Für Sentimentalitäten ist es noch zu früh, Andreas Mölich-Zebhauser. Wir werden hoffentlich noch ein angemessenes goodnews4-Interview führen können bevor Sie nächstes Jahr das Festspielhaus als Gründungschef verlassen. Dennoch − waren Sie heute bei Ihrer letzten Programmpräsentation von ersten Sentimentalitäten beschlichen?

Andreas Mölich-Zebhauser: Ja natürlich, wenn man seine letzte Saison präsentiert − bis auf das Finale, die Sommerfestspiele mit Valery Gergiev, die ich erst etwas später veröffentlichen möchte, weil ich daran noch arbeite − aber das ist dann der Moment, wo du auch anfängst zurückzublicken und ein bisschen revuepassieren zu lassen was sich alles glücklich gefügt hat, was es an großen Katastrophen gab wie den Wasserschaden vor der Idomeneo-Premiere, von Glücksfällen geprägt wie die Zusammenarbeit mit Claudio Abbado − die letzten Opern mit Claudio Abbado, die er dirigieren konnte, hier herauszubringen ist schon etwas für das persönliche Geschichtsbuch. Und dann kommen große Linien wie mit Nikolaus Lehnhoff, die vielen Wagner- und Strauss-Opern, mit Thielemann auch Strauss und Wagner, mit Thomas Hengelbrock, der ganz früh Partner szenischer Arbeiten bei uns geworden ist, und, und, und − es ging immer so weiter. Und das größte Glück vielleicht, da habe ich übrigens lange dran gearbeitet, dass es zustande kam, dass die Berliner Philharmoniker in Baden-Baden ihre Osterfestspiele seit dem Jahr 2013 machen mit ihrem Chefdirigenten, jetzt in diesem Jahr den «Parsival». Und dann auch, wenn man sieht was noch kommt, der «Othello» zu den nächsten Osterfestspielen mit Bob Wilson als Regisseur und tollen Sängern. Also ich habe schon viel Glück gehabt, ich habe mich aber auch viel angestrengt.

goodnews4: Besonders viel anstrengen mussten Sie sich ja zu Beginn ihrer Arbeit hier im Festspielhaus. Würden Sie sagen, Ihre Mission ist erfüllt?

Andreas Mölich-Zebhauser: Ich hoffe, dass ich, so wie ich jetzt das Gefühl habe, meinen Job ganz ordentlich gemacht habe und dann auch in knapp eineinhalb Jahren sagen kann «Mission completed» für mich. Damit ist das Festspielhaus aber nur mit einem Intendantenwechsel beglückt und dann geht es weiter und dann geht es wahrscheinlich auch anders weiter. Ich freue mich darauf und werde mit Spannung verfolgen was mein Nachfolger dann machen wird, aber auf die Zeit bis dahin freue ich mich schon diebisch.

goodnews4: Wird diese Saison etwas sentimentaler mit der Abschiedshandschrift von Andreas Mölich-Zebhauser oder gibt es einen anderen roten Faden in der neuen Saison? Haben Sie sich vielleicht auch ein Abschiedsgeschenk gemacht im neuen Programm?

Andreas Mölich-Zebhauser: Naja, über das rede ich ja jetzt nicht, wie Sie wissen. Es gibt viele rote Fäden, ich nenne es eher Kreise, die sich dann auch wieder schließen. Bob Wilson ist ein Beispiel, mit dem ich eine «Aida» gemacht habe, den «Freischütz», die «Dreigroschenoper», dann ist eine lange Pause eingetreten und dann, zehn Jahre später, macht er meine letzte Oper. Solche Kreise gibt es viele, weil es auch viele Künstler-Biographien sind, die ich zum Teil mitschreiben durfte, auch von heutigen Weltstars, die ganz früh bei uns aufgeschlagen sind, wie zum Beispiel Anna Netrebko, im Jahr 2000 war es glaube ich oder sogar 99, mit «Benvenuto Cellini», eine Oper, in der sie eine kleine Rolle, die Theresa, gesungen hat.

goodnews4: 20 Jahre Festspielhaus Baden-Baden haben auch Ihren Blick auf unsere Stadt Baden-Baden geschärft. Der neue Markenauftritt «good-good life» scheint bei Ihnen nicht ganz so gut anzukommen?

Andreas Mölich-Zebhauser: Ja, ich bin halt ein eher etwas konservativer Mensch, der Baden-Baden dafür schätzt, dass es seine Traditionen pflegt und ich wirklich nicht glaube, dass wir hier eine Hippster-Metropole werden könnten oder gar sollten. Ich finde da keinen Bezug zu diesen ziemlich hohlen, vollbärtigen Menschen oder juwelenbehängten jungen Damen. (lacht)

goodnews4: Was ist Ihr Ratschlag für das moderne, neue Baden-Baden?

Andreas Mölich-Zebhauser: Zunächst einmal, die Edelsteine, die Baden-Baden verkörpert oder Baden-Baden zu Baden-Baden machen, immer weiter zu pflegen und zu polieren, sowie Frieder Burda sein Museum ständig erfrischt, wie die wunderschönen Gebäude in Baden-Baden eine Pracht bleiben müssen, auch traditionelle Einrichtungen, das Casino ist wichtig, auch die Pferderennbahn natürlich, all das ist wichtig. Aber ich denke, man soll nicht dem Zeitgeist, den Moden zu sehr hinterherlaufen, weil was heute hip ist, ist morgen verquarzt und blöde und wir haben es mit Menschen zu tun, die über viele Jahre schon nach Baden-Baden gekommen sind und die heute Baden-Baden entdecken und viele Jahre Baden-Baden treu bleiben wollen und sollen, die werden nicht mit den Moden gehen. Baden-Baden hat einen langen Atem und den soll es bitte behalten.

goodnews4: Ihr großes Abschiedsgeschenk, das Sie sich selbst machen, werden die Sommerfestspiele im nächsten Jahr sein mit Valery Gergiev, aber was sind denn davon abgesehen Ihre Highlights im neuen Programm? Wenn man im nächsten Jahr 500 Euro investiert als Besucher, was darf man nicht verpassen?

Andreas Mölich-Zebhauser: Auf jeden Fall sollten sie zu der konzertanten «Hoffmanns Erzählungen»-Aufführung gehen im November, sie sollten zu John Neumeier gehen, der sein letztes großes Ballett «Anna Karenina» zeigt im Oktober, sie sollen natürlich bei den Osterfestspielen sein, die ja nicht nur den «Othello» bieten, sondern auch ein Verdi-Requiem mit Riccardo Muti und so geht es weiter. Und reden Sie nicht von meinem großen Schlusspunkt, der wird relativ kurz sein, aber er soll sitzen.

goodnews4: Zum Schluss noch ein kurzes Wort zur aktuellen Saison. Wie laufen die Vorbereitungen für die Osterfestspiele?

Andreas Mölich-Zebhauser: Ich bin sehr glücklich, dass ich Dieter Dorn gewinnen konnte, dass die Berliner Philharmoniker fantastisch spielen, dass Simon Rattle ein großer Mann ist, ist klar, aber dass ich den durchaus älteren Dieter Dorn gewinnen konnte für die Parsival-Inszenierung, ist mir ein großes Glück. Und auch hier haben wir wieder die Besten der Besten am Start bei den Sängern, beim Chor, überall.

goodnews4: Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Nadja Milke für goodnews4.de

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