Aus dem Festspielhaus Baden-Baden

Neues Jahr beginnt in Baden-Baden mit Mozart und Beethoven – Hélène Grimaud und Bamberger Symphoniker im Festspielhaus

Neues Jahr beginnt in Baden-Baden mit Mozart und Beethoven – Hélène Grimaud und Bamberger Symphoniker im Festspielhaus
<p>Zum ersten Konzert im neuen Jahr laden Hélène Grimaud und die Bamberger Symphoniker mit ihrem Chefdirigenten Jakub Hrůša ins Festspielhaus Baden-Baden. Foto: Andreas Herzau

Baden-Baden, 02.01.2020, Bericht: Festspielhaus So kann das neue Jahr beginnen. Beethovens witzigste Sinfonie und Mozarts dramatischstes Klavierkonzert, dazu eine Sinfonie von Voříšek. Dargeboten von Hélène Grimaud und den Bamberger Sinfonikern unter ihrem Chefdirigenten Jakub Hrůša im ersten Klassikkonzert 2020 im Festspielhaus am Samstag, den 11. Januar um 19 Uhr.

«Als Dirigent», sagt Jakub Hrůša, «hat man eine große Macht, um die Musik zu gestalten, man kann aber auch viel zerstören. Daraus resultiert eine immense Verantwortung.» Immer wieder kann man sehen und hören, dass sich der junge tschechische Dirigent dieser Verantwortung bewusst ist. Am Pult agiert er als feinsinniger Gestalter, der weniger als Chef der Orchestermitglieder, denn als Musikerkollege und Primus inter pares auftritt. «Als Dirigent arbeitet man mit der Energie der Musik. Es geht um Sprache, um Gestik, um Gedanken und Gefühle, und im besten Falle bleibt immer noch etwas sehr Spielerisches bei aller Perfektion.» Jakub Hrůša, der im Oktober 2018 sein gefeiertes Debüt bei den Berliner Philharmonikern gab, ist Erster Gastdirigent des Londoner Philharmonia Orchestra und der Tschechischen Philharmonie. Vor allem ist er aber seit 2016 Chef der Bamberger Symphoniker – jenes Orchesters, dessen DNA untrennbar mit der deutsch-tschechischen Klangtradition verbunden ist. Gegründet wurde das Orchester 1946, als ehemalige Mitglieder des Deutschen Philharmonischen Orchesters Prag in Bamberg auf Musikerkollegen trafen, die ebenfalls infolge der Kriegs- und Nachkriegswirren aus ihrer Heimat hatten fliehen müssen. Gemeinsam riefen sie das Bamberger Tonkünstlerorchester ins Leben, das bald darauf in Bamberger Symphoniker umbenannt wurde. Jakub Hrůša, der 2018 zum ersten Mal im Festspielhaus Baden-Baden dirigierte, pflegt einen Interpretationsstil, bei dem der weiche, warme, elastische und dichte Klang des Orchesters besonders gut zur Geltung kommt. Am 11. Januar widmen er und sein Orchester sich der D-Dur-Sinfonie op. 24 von Jan Václav Voříšek, die in der Nähe der Werke von Schubert und Beethoven anzusiedeln ist. Am 23. Februar 1825 wurde sie in Wien vor begeistertem Publikum uraufgeführt. Voříšek gehörte mit Johann Baptist Vanhal, Leopold Koželuh und Franz Krommer zu jenen tschechischen Instrumentalisten und Komponisten, die um 1800 das Wiener Musikleben geradezu dominierten und mit Symphonien, Konzerten, Streichquartetten und Serenaden nachhaltig Eindruck machten.

Im Anschluss interpretiert Hélène Grimaud Mozarts Klavierkonzert d-Moll KV 466. Die französische Ausnahme-Pianistin sorgte mit ihrem ebenso poetischen wie hochvirtuosen Spiel in den letzten Jahren nicht nur im Festspielhaus für Begeisterung. Für die Synästhetikerin Hélène Grimaud verbindet sich ihr raffiniert-vielfarbiges Klavierspiel mit dem Sehen realer Farben, da für sie jede ihrer Skalen, jede Note und jede Tonlage verschiedene Farbnuancen offenbart. «Das erste Mal habe ich diese Erfahrung als Elfjährige gemacht», sagt sie. «Während ich ein Bach-Präludium in Fis-Dur gespielt habe, sah ich orange-rote Farbkleckse mit unscharfen Konturen, die dynamisch zu meinem Spiel pulsierten. Jede Note und jede Tonlage hat für mich seither eine eigene Farbenwelt. Dieses Phänomen hat mich verzaubert, ohne dass ich wusste, was es eigentlich ist.» Diese Eindrücke bleiben anderen zunächst verschlossen, werden während der Konzerte der französischen Pianistin jedoch magisch spürbar, so in Mozarts Klavierkonzert KV 466. Es ist das düsterste und vielleicht abgründigste von Mozarts 21 Klavierkonzerten, seine dunkle Leidenschaft, sein Pathos, seine Kompromisslosigkeit treten klar hervor. Nur zwei Klavierkonzerte von Mozart stehen in Moll-Tonarten, dieses ist eines davon. Später wird Mozart die Tonart d-Moll als Grundtonart für sein Requiem wählen, und auch «Don Giovanni» ist in der d-Moll-Welt angesiedelt, die bei Mozart immer mit Finsternis, Tod, Schmerz und Verzweiflung in Verbindung steht; eine Musik der Einsamkeit. Die Romantiker liebten den subjektiven Ton und den dramatischen Ausdruck dieses Konzerts und auch Hélène Grimaud bekennt: «Ich war nie eine Freundin des heiteren, harmonischen, ‘göttlichen’ Mozart-Bildes. In seiner Musik ist Abgrund, Schwärze und Gefährdung.» Das d-Moll-Konzert KV 466 wurde in den vergangenen 230 Jahren zu einem Lieblingswerk vieler Pianisten, allen voran Ludwig van Beethoven, der die ersten Kadenzen dazu komponierte.

Von Beethoven erklingt im zweiten Konzertteil die Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 36, in welcher der Komponist nach seinem symphonischen Erstling zu einem heroischen Gesamtklang fand, was zu größeren Dimensionen der Sätze sowie zu einem stark erweiterten dynamischen Potential des Orchesterklangs führte. Wie überraschend, ergreifend und auch befremdend Beethovens D-Dur-Sinfonie auf die Zeitgenossen gewirkt haben muss, vermittelt eine Rezension in der Allgemeinen musikalischen Zeitung vom 9. Mai 1804, in der das Stück als «merkwürdiges, kolossales Werk» bezeichnet wurde. Während das Finale der Ersten Sinfonie ganz nach der Tradition der Wiener Klassik als heiterer Ausklang aufgefasst werden kann (obgleich auch hier ernstere Töne nicht fehlen), fand Beethoven in seiner 1801/1802 entstandenen Zweiten Sinfonie zu einem ganz neuen Tonfall: Alles Spielerische und Heitere wird aus dem musikalischen Vokabular verbannt und durch jenes Pathos ersetzt, das später mit Begriffen wie «Größe» und «Erhabenheit» beschrieben wurde. Allgemein hebt sich das Werk durch eine Vielzahl von originellen und besonderen Momenten von den Sinfonien seiner Zeit ab, wenngleich natürlich auch Momente aus der Ersten Sinfonie übernommen werden – etwa der unvermittelte Moll-Dur-Wechsel in den schnellen Sätzen, das ruhige Dreiertakt-Fließen des Mittelsatzes oder die betont einfache Thematik, aus der heraus das Scherzo entwickelt wird.

Weitere Informationen und Tickets: www.festspielhaus.de

Persönliche Beratung und Reservierungen: Tel. 07221 / 30 13 101


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