Aus dem Rathaus Baden-Baden

Zeppelin-Postabwurfbeutel in Baden-Baden – Stadtmuseum mit Rarität wiedereröffnet

Baden-Baden, 07.05.2020, Bericht: Rathaus Seit dem 6. Mai ist das Stadtmuseum wieder geöffnet. Besucher können nun direkt vor Ort wieder in die facettenreiche Geschichte Baden-Badens eintauchen und das eine oder andere in der Reihe «Neues aus dem Stadtmuseum» vorgestellte Exponat mit eigenen Augen betrachten.

Mit diesem Beitrag endet auch die anlässlich der Corona-bedingten Schließung des Museums aufgelegte Serie von Heike Kronenwett und Dr. Katja Mikolajczak zu historisch interessanten Objekten aus der Museumssammlung.

Heute: Abwurfbeutel für Zeppelinpost

Die kontaktlose Zustellung von Post und Paketen ist in Zeiten der Corona-Pandemie ein Gebot der Stunde. Neu ist sie indes nicht. Ja, in gewisser Weise gab es sie schon vor über 100 Jahren, als man Post aus Luftschiffen abwarf. Im Jahr 1900 gelang die erste Fahrt eines von Ferdinand, Graf von Zeppelin konstruierten Starrluftschiffs. Innerhalb weniger Jahre war die Entwicklung so ausgereift, dass an die Beförderung von Passagieren im Liniendienst gedacht werden konnte. Zu diesem Zweck wurde 1909 die Deutsche Luftschiffahrts-Aktiengesellschaft (DELAG) gegründet – die erste Fluggesellschaft weltweit. Einer der Anteilseigner der DELAG war die Stadt Baden-Baden, die sich durch den neuartigen Luftverkehr eine Förderung des Tourismus versprach. Auf einem Gelände gegenüber dem Bahnhof in Oos entstand eine Luftschiffstation, die am 21. August 1910 offiziell in Betrieb genommen wurde. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg starteten von hier zahlreiche Rund- und Fernfahrten, ohne dass jedoch ein fahrplanmäßiger Luftschiffverkehr zustande gekommen wäre. Von Beginn an wurden nicht nur Personen, sondern auch Post befördert. Diese konnte aber nicht nur an den wenigen Landeplätzen des Luftschiffs ausgetauscht werden. Überall dort, wo aus Zeitgründen oder wegen fehlender Logistik eine Postübergabe am Boden nicht möglich war, konnten kleinere Mengen abgeworfen werden. Zudem nutzten Passagiere die Möglichkeit, während Rundfahrten Ansichtskarten zu schreiben und auf diese Weise zustellen zu lassen. Die Post wurde in wasserabweisenden, mit Sand beschwerten Beuteln abgeworfen, die von der Stuttgarter Geschäftsbücher-Fabrik Carl Lauser produziert wurden. Eine lange Stofffahne bremste den Fall der Beutel und machte die Postsendung schon in der Luft gut sichtbar und am Boden leicht auffindbar. Da die Abwürfe nicht sehr zielgenau waren, lagen den Sendungen eine Fundmeldekarte und ein kleiner Finderlohn von 50 Pfennigen bei. Der Finder sollte den Fundort der Luftpost melden und die Sendung beim nächsten Postamt zur Weiterbeförderung abgeben. Der Abwurfbeutel ging nach der Ablieferung des Inhalts in den Besitz des Finders über.

Der Förster Karl Schulz war ein solcher Finder, und über ihn gelangte der hier vorgestellte Abwurfbeutel 1927 in die Städtische Sammlung. Laut Bordstempel auf dem Flatterband war er am 16. September 1913 vom Luftschiff «Viktoria Luise» über der Kurstadt abgeworfen worden und am Friesenberg niedergegangen, wo Schulz ihn auflas. Als Adressat ist in Bleistift, kaum noch lesbar, das Hotel Stephanie oder ein dort logierender Gast angegeben. Der Abwurfbeutel ist etwa 30 x 13 Zentimeter groß und besteht aus braunem Ölpapier, das beidseitig bedruckt ist. Daran befestigt ist ein etwa 2,70 Meter langes Stoffband in den Farben des Kaiserreichs (schwarz-weiß-rot), an dessen Ende sich eine an einem Holzstab fixierte Fahne befindet. Die Flagge ist diagonal gevierteilt von Blau und Weiß, in der Mitte befinden sich ein Anker und ein Schild mit der Aufschrift H.A.P.A.G. Dabei handelt es sich um die historische Reedereiflagge der Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (H.A.P.A.G.), die seit 1910 Werbung und Passagierabfertigung für die Luftschiffe der DELAG durchführte. Postabwürfe im Beutel fanden zwischen 1909 und 1936 regelmäßig statt. Die Zahl der erhaltenen Postabwurfbeutel ist jedoch gering und wird auf 60 bis 80 Stück geschätzt. Eines dieser seltenen Exemplare gehört dem Stadtmuseum Baden-Baden.


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