"Great Spas of Euope"

Baden-Badener Tradition der Bade- und Trinkkur – Ursprungsquelle im Untergeschoss des Alten Dampfbades war „wichtigste und ergiebigste Hauptquelle des Thermalbezirks“

Baden-Badener Tradition der Bade- und Trinkkur – Ursprungsquelle im Untergeschoss des Alten Dampfbades war „wichtigste und ergiebigste Hauptquelle des Thermalbezirks“
Die Trinkkur in der Trinkhalle versprach Heilung und gesellschaftliches Vergnügen, 1873. Foto: Stadtmuseum/-archiv

Baden-Baden, 11.08.2020, Bericht: Rathaus Die «Great Spas of Europe», eine Gruppe von elf bedeutenden Kurstädten aus sieben europäischen Ländern, haben im Januar 2019 ihre Bewerbung als UNESCO-Welterbe eingereicht. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Baden-Baden erwarten gemeinsam mit den übrigen zehn Städten nun voller Spannung die Entscheidung des Welterbekomitees, die Corona-bedingt verschoben werden musste.

Die Stadt Baden-Baden veröffentlicht in Kooperation mit den Institutionen der beteiligten Autorinnen und Autoren eine Artikelserie zu den «Great Spas of Europe». Heike Kronenwett, Leiterin des Stadtmuseums und Stadtarchivs befasst sich diese Woche mit der Bedeutung und der Geschichte der Bade- und Trinkkuren in Baden-Baden. Die gesamte Serie finden Interessierte unter www.baden-baden.de.

Die «Great Spas of Europe» sind Zeugnis der praktischen Nutzung und Erforschung von Heilquellen. Ihre Thermal- und Mineralquellen stellen daher eines der sechs Attribute dar, die die elf europäischen Städte auszeichnet.

Thermalwasser

Eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung Baden-Badens ist einer Laune der Natur geschuldet: Am Südosthang des Florentinerberges tritt heißes Wasser in mehreren Quellen aus einer Tiefe von etwa 2000 Metern mit Temperaturen von bis zu 69° Celsius zutage. Die vorherrschenden Bestandteile, die dem Wasser einen leicht salzigen Geschmack verleihen, sind Natrium und Chlorid. Durch Untersuchungen des Chemikers Robert Bunsen wurde der Heilcharakter des Wassers in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch wissenschaftlich belegt.

In historischer Zeit ist die im Untergeschoss des Alten Dampfbades gefasste Ursprungsquelle mit einer Schüttung von 113 Kubikmetern am Tag die wichtigste und ergiebigste Hauptquelle des Thermalbezirks gewesen.

Bei der Umgestaltung des Bäderbezirks und dem Neubau des Friedrichsbades wurden 1868 – 1871 zwei verzweigte Stollensysteme angelegt, um die wichtigsten Thermalwasseraustritte zu fassen und die Schüttungsmenge zu steigern, die heute bei über 800 Kubikmeter Wasser täglich liegt.

 

Anwendungen im Laufe der Jahrhunderte

Das Heilwasser wurde zu Bade-, Inhalations- und Trinkkuren verwendet. Äußerlich fand es bei der Behandlung von Rheumaleiden, Herz- und Kreislaufbeschwerden sowie Stoffwechselstörungen und Atemwegserkrankungen Anwendung. Der therapeutische Nutzen der Trinkkur bestand vor allem in der direkten Wirkung des kochsalzhaltigen Mineralwassers auf die Schleimhäute des Verdauungstraktes. Sie wurde eingesetzt bei Leber- und Gallenleiden, Magen- und Darmerkrankungen, Diabetes und Gicht.

Die Thermalquellen veranlassten bereits die Römer, hier eine Siedlung zu gründen, deren Mittelpunkt ausgedehnte Badeanlagen bildeten. Auch der Name «Aquae», mit dem deutschen «Bad» gleichzusetzen, weist auf die Bedeutung der warmen Quellen hin. Nach dem Abzug der Römer liegt die Nutzung der heißen Quellen für einige Jahrhunderte im Dunkeln. Allerdings spricht die Tradition des Ortsnamens für einen weiteren Gebrauch.

«Bei meinem Aufenthalt in den Thermen von Baden-Baden und den dortigen Heilwassern vermag ich weder zu schreiben noch zu lesen.» Johannes Reuchlin

Im Spätmittelalter kamen Reisen in Bäder mit natürlichen warmen Quellen in Mode. Der Besuch der hiesigen Bäder war besonders bei Podagra (Fußgicht), Weißfluss sowie Magen- und Gebärmutterleiden angezeigt. Qualität und Wirkung des Baden-Badener Wassers werden in der balneologischen Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts, unter anderem von Paracelsus, besonders hervorgehoben. Die Namen der Badegäste lesen sich wie ein «Who’s who» des Humanismus: Sebastian Brant, der Straßburger Münsterprediger Geiler von Kaysersberg oder Johannes Reuchlin machten hier ihre Badekur. Kaiser und Fürsten fanden sich zu Kuren hier ein. Die Gäste mieteten sich in einem der Badgasthöfe, zu denen auch das Baldreit gehörte, ein. Um 1600 gab es in der Stadt über 400 Badezuber, die Platz für ein oder zwei Personen boten. Daneben existierten auf dem Marktplatz zwei öffentliche Bäder. Ein durchschnittlicher Badeaufenthalt dauerte drei bis sechs Wochen bei einer Badezeit von bis zu zehn Stunden täglich.

Die Blütezeit des Badelebens fand jedoch mit der Zerstörung der Stadt 1689 ein jähes Ende. Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts führten neue medizinische Einsichten zu einer Neubewertung der Wasserqualitäten: Man orientierte sich jetzt zusehends an den im Wasser enthaltenen Mineralien. Allmählich setzten sich Trinkkuren durch und das reine Thermalbad verlor an Bedeutung.

Die Bestrebungen des badischen Staates und seines Chefarchitekten Friedrich Weinbrenner Baden-Baden zu einem zeitgemäßen Badeort auszubauen, begannen am Marktplatz und knüpften gezielt an die Antike an. So errichtete Weinbrenner 1803/04 eine Antiquitätenhalle, die drei Funktionen in sich vereinte: in der Mitte der Hauptraum, in dem antike Kunstdenkmäler aufgestellt waren, auf der linken Seite ein Trinkraum und rechts der Quellraum. Im Zuge der weiteren Entwicklung verlor der kleine Trinkraum seine Funktion an eine 1824 eigens errichtete Trinkhalle gegenüber dem heutigen Alten Dampfbad. Sie verband das Trinken des Heilwassers mit dem geschützten Flanieren. Die offene Halle war längs durch eine leichte Wand in eine Sonnen- und eine Schattenseite getrennt und ermöglichte Rundgänge.

«Man weiß, dass nichts so leicht bekannt werden lässt, wie das Begegnen am Brunnen.“» August Lewald

Mit dem Bau des Konversationshauses 1821 - 1824 verlagerte sich das Kurgeschehen von der Altstadt weg auf die andere Oosseite. Auch wenn der medizinische Aspekt neben Unterhaltung und Vergnügen in den Hintergrund trat, verschwand er nicht völlig. Die in Mode befindliche Trinkkur veranlasste die Kurgäste, sich in der stilvollen, 1839 - 1842 von Heinrich Hübsch errichteten Trinkhalle das Thermalwasser reichen zu lassen, das eigens über Rohre vom Schlossberg hierher geleitet wurde. Im Gespräch mit anderen Gästen auf und ab zu wandeln, das Trinkglas in der Hand, wurde zum Sinnbild einer zeitgemäßen Kur. Eine Besonderheit war die Molkenkur, die im 18. Jahrhundert in der Schweiz aufgekommen war. Neben der Trinkhalle wurden den Kurgästen in der Sommersaison am frühen Morgen und am späten Nachmittag in einer Art Sennhütte frische Milch, Molken und Kefir von Kühen und Ziegen angeboten.

«Das neue Friedrichsbad ist ein sehr großes und schönes Gebäude, und in ihm kann man jedes Bad nehmen, das jemals erfunden wurde.» Mark Twain

Einen Bruch in der Entwicklung des Kurortes Baden-Baden bedeuteten der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 und das Verbot des Glücksspiels im Deutschen Reich 1872. Unter Einsatz enormer Finanzmittel gelang der Wandel des internationalen Mode- und Gesellschaftsbades zu einem Kur- und Heilbad. An der Stelle eines alten Stadtquartiers in unmittelbarer Nähe der warmen Quellen entstanden im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts moderne Badepaläste, die den neuen Anspruch in ihrer Architektur augenfällig zum Ausdruck brachten und das Stadtbild völlig veränderten.

Das 1877 eröffnete Friedrichsbad war der modernste Badepalast seiner Zeit und verfügte über ausgesprochen fortschrittliche therapeutische Einrichtungen. Das Angebot reichte vom Römisch-Irischen Bad mit Dampf-, Sprudel-, Tauch- und Bewegungsbad bis hin zu Kohlesäure-, Sauerstoff- und Luftperlbädern. Hinzu kamen Massagen, Kneipp-Anwendungen, Fango-Packungen und Heilgymnastik.

Die stetig wachsenden Besucherzahlen führten zum Bau eines weiteren Bades in unmittelbarer Nachbarschaft. 1893 wurde das Kaiserin-Augusta-Bad als reines Frauenbad eröffnet. Im Gegensatz zu den beiden Luxusbädern diente das 1890 eröffnete Landesbad als breiten Bevölkerungsschichten zugängliches Volksbad mit deutlich reduziertem Therapieprogramm und setzte damit die Tradition mittelalterlicher Armenbäder fort. In unmittelbarer Nähe entstanden zudem ein Inhalatorium zur Therapie von Atemwegserkrankungen und einige Jahre später ein spezielles Fangohaus.

Nach etlichen Umbrüchen im 20. Jahrhundert, die auch das Gesundheits- und Kurwesen nicht verschonten, präsentieren sich Baden-Baden und die zehn anderen «Great Spas of Europe» heute als moderne Gesundheits- und Wellness-Standorte, die an klassische Kur- und Badetraditionen anknüpfen.


Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.