"Great Spas of Euope"

Nominierte Welterbestätte Baden-Baden – Was gehört eigentlich zum Welterbe in Baden-Baden?

Nominierte Welterbestätte Baden-Baden – Was gehört eigentlich zum Welterbe in Baden-Baden?
Luftaufnahme der nominierten Welterbestätte mit altem und neuem Kurquartier, Villengebieten und der Lichtentaler Allee. Foto: Willi Walter

Baden-Baden, 18.07.2020, Bericht: Rathaus Die «Great Spas of Europe», eine Gruppe von elf bedeutenden Kurstädten aus sieben europäischen Ländern, haben im Januar 2019 ihre Bewerbung als UNESCO-Welterbe eingereicht.

Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Baden-Baden erwarten gemeinsam mit den übrigen zehn Städten nun voller Spannung die Entscheidung des Welterbekomitees, die Corona-bedingt verschoben werden musste. Die Stadt Baden-Baden veröffentlicht in Kooperation mit den Institutionen der beteiligten Autorinnen und Autoren eine Artikelserie zu den «Great Spas of Europe». In dieser Woche stellt Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung Baden-Baden die Bestandteile der nominierten Welterbestätte in Baden-Baden und ihre Bedeutung für den Welterbeantrag vor. Die gesamte Serie finden Interessierte unter www.baden-baden.de.

Baden-Baden und die zehn weiteren «Great Spas of Europe» sind auf dem Weg zum Welterbe. Aber viele Baden-Badener fragen sich «Was gehört eigentlich zum Welterbe in Baden-Baden?».

Vorweg lässt sich sagen, dass räumlich betrachtet, die gesamte historische Innenstadt Baden-Badens in den Grenzen von zirka 1920 zur nominierten Welterbestätte gehört, in der die besonderen Merkmale (Attribute) der «Great Spas of Europe» und ihre Einzelobjekte (Elemente) des außergewöhnlichen universellen Wertes bis heute ablesbar sind und die für die Authentizität und die Integrität der nominierten Welterbestätte stehen.

Zu den sechs Attributen gehören die Heilquellen, die historische Stadtlandschaft, Kurarchitektur, die kurstädtische Infrastruktur und die Kur- und Erholungslandschaft sowie immaterielle Werte. Diese immateriellen Werte drücken sich aus in Form von wissenschaftlichen, künstlerischen und literarischen Werten; der Internationalität der Kurstädte sowie besonderer historischer Ereignisse. Das sechste Attribut ist die fortwährende Kurtradition der Kurstädte und ihr gelebtes Erbe. Diese sechs Attribute bilden die Anatomie einer internationalen Kurstadt.

Jede Welterbestätte besteht aus einer sogenannten Kernzone, die alle physischen Elemente des Welterbes umfasst und einer umgebenden Schutzzone, einer sogenannten Pufferzone. Zur Kernzone in Baden-Baden gehören die verschiedenen Stadtquartiere in der historischen Innenstadt, die sich vom Mittelalter bis in das frühe 20. Jahrhundert entwickelten. Die Pufferzone umgibt die Kernzone gleichmäßig zu allen Seiten und reicht bis an die Höhenkämme vom Battert, Merkur/ Großer und Kleiner Staufenberg, Wurzgartenkopf und Fremersberg. Sie dient dem Schutz der visuellen Integrität der Kernzone; insbesondere die sensiblen Blickachsen gilt es durch die Kern- und Pufferzone zu schützen.

Ausgangspunkt der Entwicklung Baden-Badens zur bedeutenden Kurstadt ist die Altstadt mit ihrem historischen Bäderviertel. Am Hang des Florentinerbergs entspringen die 13 Thermalquellen. Sie stellen das Herz der Welterbebewerbung dar. Bereits in der Antike entstanden dort die ersten römischen Thermen, die Badetradition wurde im Mittelalter in bescheidenen Badehäusern fortgeführt oder im Kontrast im fürstlichen Prunkbad des Markgrafen von Baden von 1660 im Neuen Schloss. Mit dem Bau des Friedrichsbads 1869 bis 1877, dem modernsten Badepalast seiner Zeit, erlebte die Badetradition in Baden-Baden ihre Blütezeit. Auch heute noch ist die Badetradition lebendiger denn je und wird im Friedrichsbad in den ursprünglichen Räumlichkeiten authentisch fortgeführt.

Zur historischen Stadtlandschaft gehört neben dem historischen Bäderviertel auch das jenseits der Oos im späten 18. Jahrhundert initiierte «neue Kurviertel» außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern. Es steht für Baden-Badens Aufstieg zur bedeutenden Kurstadt im 19. Jahrhundert, der durch den Bau des Konversationshaus 1822 bis 1824 durch Friedrich Weinbrenner sowie des großzügigen Kurgartens ausgelöst wurde. Typische Beispiele für die Kurarchitektur sind Kurhaus mit Kasino, Theater (erbaut 1860-1862) und Kurhauskolonnaden (erbaut 1867-1868). Dieses bauliche Ensemble diente dem Vergnügen und der gesellschaftlichen Zerstreuung und war in eine weitläufige Parklandschaft eingebettet, die zum Flanieren einlud. Die Kurgäste sollten, wenn sie sich nicht gerade in der Trinkhalle (erbaut 1839-1842) der Trinkkur widmeten, trotzdem alle kulturellen Annehmlichkeiten einer Großstadt genießen können.

Angezogen von der internationalen Atmosphäre der modischen Kurstadt waren zunehmend Adelige, Politiker, Künstler und Angehörige der europäischen Elite unter den Kurgästen, die die Sommermonate in Baden-Baden verbrachten. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entstand daher außerhalb der engen Altstadt eine Vielzahl luxuriöser Grandhotels, die das Ufer der Oos säumten und zum Charakteristikum einer internationalen Kurstadt wurden. Eines der frühesten Beispiele ist das Hotel Badischer Hof von 1807. Ein weiterer berühmter Vertreter, der neben den zahlreichen historischen Hotels in Baden-Baden Teil der Welterbebewerbung ist, ist das Hotel Stéphanie-les-Bains (1834-1895), heute als Brenners Park-Hotel & Spa bekannt.

Das Villengebiet Beutig-Quettig weist eine Vielzahl an historischen Villen internationaler Architekten auf, die Industriellen, Künstlern und Adligen gehörten, die sich dauerhaft niederließen oder ihre Häuser zeitweise vermieteten. Der gefeierte Maler des europäischen Adels, Franz Xaver Winterhalter ließ sich die Villa Trianon (erbaut 1858-1860) errichten oder auch der russische Schriftsteller Iwan Turgenev ließ seine Villa (erbaut 1864-1867) vom Pariser Architekten Pierre-Joseph Olive ausführen. Die steigenden Einwohnerzahlen sorgten um 1900 für die Ausweisung des heutigen Annabergs als Villengebiet Friedrichshöhe. Dieses Villengebiet besitzt mit der Wasserkunstanlage «Paradies» eine bedeutende Garten- und Wohnanlage der 1920er Jahre nach Entwürfen Max Laeugers. Die bemerkenswerte Anzahl von Villen sowie die architektonische Vielfalt, der von internationalen Architekten errichteten Villen, zeichnet die Villengebiete Beutig-Quettig und Annaberg, die sich im Verlauf des 19. und frühen 20. Jahrhunderts an den Hängen ausbreiteten, als wichtigen Bestandteil der Welterbebewerbung aus.

Zur historischen Stadtlandschaft zählen ebenso die geplanten Stadterweiterungen, wie die Lichtenthaler Vorstadt mit ihrem Patte d‘Oie Grundriss und Kirchen verschiedener Konfessionen, wie die Anglikanische Kirche (erbaut 1864-1867) und die Russisch-Orthodoxe Kirche (erbaut 1880-1882) oder die rumänisch-orthodoxe Stourdza-Kapelle (erbaut 1864-1866) am Michaelsberg. Die unterschiedlichen Konfessionen, die damals, wie auch heute in Baden-Baden gelebt werden sind ein weiteres Zeugnis des internationalen Charakters der Kurstadt.

Die Kur- und Erholungslandschaft mit Gärten und Parks innerhalb der Stadt sind ein wichtiger Bestandteil der Kur des 19. Jahrhunderts und daher ein wichtiges Attribut der Welterbebewerbung. Die Lichtentaler Allee, die sich entlang der Oos erstreckt bot den Gästen die Möglichkeit zur Bewegung an der frischen Luft und diente als gesellschaftlicher Treffpunkt. Als Englischer Landschaftsgarten spiegeln sich in der Lichtentaler Allee die Gedanken der Aufklärung, da diese Naturräume Orte der Begegnung waren, in der ständische Unterschiede überbrückt wurden. Neben den innerstädtischen Grünanlagen, wie der Lichtentaler Allee, der Gönneranlage oder dem Paradies ist auch die umgebende Kur- und Erholungslandschaft mit ausgedehnten bewaldeten Hängen ein wichtiger Bestandteil dieses Attributes. Bereits im 19. Jahrhundert wurden die umliegenden Sehenswürdigkeiten und Aussichtspunkte durch Wanderwege erschlossen und von den Kurgästen viel besucht. Zu den beliebtesten Zielen gehören noch heute das Kloster Lichtenthal (erbaut 1245) und das Alte Schloss (12. Jahrhundert).

Entscheidender Faktor ist die Integrität, also der Erhaltungszustand dieser Elemente sowie die Authentizität. Die Authentizität drückt sich beispielsweise durch die fortwährende Funktion als Kurstadt, die ursprüngliche Nutzung von Kurgebäuden sowie die originale Substanz und Gestalt der Gebäude und Anlagen aus.

Das komplexe Zusammenspiel der Attribute und ihrer kennzeichnenden Elemente macht Baden-Baden zu einer bedeutenden Kurstadt des 19. Jahrhunderts, die ihr materielles und immaterielles Erbe bis heute authentisch bewahrt und ihre Kurtradition lebendig fortführt. In den folgenden Artikeln werden die Attribute und Elemente näher beschrieben, die für den außergewöhnlichen universellen Wert Baden-Badens stehen.


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