Bestimmung der Angemessenheit von Mietkosten kritisiert

Schlappe der Stadt Baden-Baden vor Karlsruher Sozialgericht - „Im Gutachten nicht dargestellt, in welchen Stadtgebieten angemessener Wohnraum bestehe“

Schlappe der Stadt Baden-Baden vor Karlsruher Sozialgericht - „Im Gutachten nicht dargestellt, in welchen Stadtgebieten angemessener Wohnraum bestehe“
Die von der stadteigenen GSE gebauten Wohnhäuser am Tausendfüßler stehen auch wegen der Feinstaubbelastung in der Kritik. Foto: goodnews4-Archiv

Baden-Baden, 22.03.2018, Kommentar: Christian Frietsch Auf Anfrage von goodnews4.de stellte das Sozialgericht Karlsruhe eine Mitteilung zu einer Entscheidung der 14. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe zur Verfügung. Dabei geht es um einen Fall in Baden-Baden, bei dem die Stadt Baden-Baden vor dem Gericht eine Niederlage einstecken musste.

Vor Gericht wurde die «Festlegung der Richtwerte» der Stadt Baden-Baden zur Bestimmung der Angemessenheit von Kosten der Unterkunft gem. § 22 Abs. 1 SGB II» behandelt. Die «Festlegung der Richtwerte» entspreche nicht den Anforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept, urteilte das Gericht.

Neben den für den Einzelfall auseinandergesetzten Betrachtungen lieferte das Gericht auch Einblicke, die für die Kommunalpolitik und die Baden-Badener Bürger von Interesse sind. Im Rahmen des Gutachtens aus 2014 sei nicht dargestellt worden, in welchen Stadtgebieten angemessener Wohnraum bestehe. In diesem Zusammenhang erwähnte das Gericht den Begriff «keine Ghettobildung». Dies könnte auch in einem anderen Zusammenhang ein Fingerzeig sein auf die Baupolitik der Stadtverwaltung. Der Orientierung der Innenstadt hin zu Luxuswohnungen und hochwertigem Wohnraum − unter anderen Vincentius und SWR Tannenhof − stehen die städtisch gesteuerten Wohnangebote für Familien und sozial schwächere Senioren gegenüber. Standorte neben dem Tausendfüßler stehen auch wegen gesundheitlicher Fragen in der Kritik.

Kurzbeschreibung des Sozialgerichts Karlsruhe zu dem Urteil vom 31. Januar 2018 im Wortlaut

Die Klägerin bezog laufend Leistungen nach dem SGB II und bewohnte im streitigen Zeitraum im Jahr 2016 alleine eine 2-Zimmer-Wohnung in Baden-Baden. Hierfür war eine Kaltmiete in Höhe von 390, -- Euro zu zahlen.

Das beklagte Jobcenter berücksichtigte bei der Bewilligung von SGB II-Leistungen lediglich eine Kaltmiete in Höhe von 345, -- Euro. Zur Begründung berief das Jobcenter sich auf Richtwerte, die die Stadt Baden-Baden im Jahr 2014 auf der Grundlage eines Gutachtens aus dem Jahr 2014 aufgestellt hatte.

Die Klage beim SG hatte Erfolg: Die von dem Beklagten angeführte «Festlegung der Richtwerte» entspreche nicht den durch das Bundessozialgericht aufgestellten Anforderungen an ein schlüssiges Konzept. Wie die Richtwerte der Stadt Baden-Baden konkret berechnet worden seien und welche konkreten Überlegungen den Werten zu Grunde lägen, sei diesen nicht zu entnehmen. Das in Bezug genommene Gutachten aus 2014 sehe insoweit andere Werte vor.

Darüber hinaus entspreche auch das Gutachten aus dem Jahr 2014 (sowie die von dem Beklagten im Klageverfahren herangeführte Fortschreibung aus dem Jahr 2015) nicht den Anforderungen des BSG. Es bleibe unklar, in welchem Umfang und in welchem Vergleichsraum angemessener Wohnraum bestehe. Die Berechnungsgrundlage der Gutachten stelle im Wesentlichen eine Auswertung der Datenbank Immobilienscout24, bezogen auf die vier Quartale des Jahres 2013, dar. Allerdings biete allein die Auswertung dieser Online-Datenbank keine ausreichend valide Datengrundlage. Denn hieraus habe sich ergeben, dass kein ausreichend verfügbarer Wohnraum für die im Rechtsstreit maßgeblichen 1-Personen-Haushalte bestehe. Letztlich habe das Gutachten auf Grund des angespannten Wohnungsmarktes im Hinblick auf die 1-Personen-Haushalte die Notwendigkeit einer fortlaufenden Überprüfung der konkreten Verfügbarkeit abgestellt. Eine solche Prüfung habe jedoch von Seiten der Stadt oder des Beklagten nicht stattgefunden. Im Rahmen des Gutachtens aus 2014 sei auch nicht dargestellt worden, in welchen Stadtgebieten angemessener Wohnraum bestehe («keine Ghettobildung»). Nachdem bei der Fortschreibung des Gutachtens dieselbe Datengrundlage zu Grunde gelegt worden sei und die Auswirkungen der Flüchtlingswelle auf den Wohnungsmarkt gänzlich unberücksichtigt geblieben seien, könne auch hieraus keine ausreichende Datengrundlage zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten resultieren.

Das Urteil S 14 AS 3082/16 ist rechtskräftig.


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