Auswirkungen der PFC-Affäre

PFC-Blutkontrolluntersuchungen in Baden-Baden und Landkreis Rastatt - Minister Lucha legt erste Ergebnisse vor

PFC-Blutkontrolluntersuchungen in Baden-Baden und Landkreis Rastatt - Minister Lucha legt erste Ergebnisse vor
Manne Lucha, Minister für Soziales und Integration in Baden-Württemberg. Foto: goodnews4-Archiv

Baden-Baden/Stuttgart, 06.10.2018, Bericht: Redaktion Im Raum Rastatt und dem Stadtkreis Baden-Baden wurden bis 2008 mit PFC kontaminierte Komposte auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht. Dies führte zu einer Kontamination der Böden, des Grund- und damit auch des Trinkwassers.

Die Trinkwasserkontamination wurde nach Bekanntwerden der Trinkwasserbelastung im Jahr 2012 durch weitreichende Maßnahmen bei der Aufbereitung durch die Trinkwasserversorger deutlich gesenkt, erklärte das zuständige Ministerium in Stuttgart. Nun legte der zuständige Manne Lucha, Minister für Soziales und Integration, erste Ergebnisse der PFC-Blutuntersuchungen vor.

goodnews4.de veröffentlicht hier den Bericht des Ministeriums ungekürzt im Wortlaut:

Die seit dem Jahr 2013 bekannten erhöhten Werte an poly- und perfluorierten Chemikalien (PFC) in Boden und Grundwasser in Mittelbaden haben in der Vergangenheit zu einer Belastung von Teilen der Trinkwasserversorgung im Landkreis Rastatt und im Stadtkreis Baden-Baden geführt. Rund 644 Hektar Ackerfläche und infolgedessen auch das Grundwasser wurden durch PFC-belastete Komposte verunreinigt. Dies führte zu erhöhten Werten in Trinkwasserproben und Pflanzen, die auf den belasteten Böden angebaut wurden. Die von Gesundheitsminister Manne Lucha daraufhin angeordneten ersten Blutkontrolluntersuchungen betroffener Bewohnerinnen und Bewohner sind nun ausgewertet.

«Die ersten Ergebnisse der Blutkontrolluntersuchungen zeigen, dass Personen, die Gemüse und Obst aus den betroffenen Gebieten verzehrt haben, kaum höhere Werte als Teilnehmende außerhalb der belasteten Gebiete aufwiesen. Höhere Werte wurden hingegen bei den Personen gemessen, die über das Trinkwasser in Kontakt mit per- und polyfluorierten Chemikalien kamen», teilte Gesundheitsminister Manne Lucha am Freitag (5. Oktober) in Stuttgart mit. Insgesamt lägen die Werte aber nicht über den bei vergleichbaren PFC-Schadensfällen in anderen Bundesländern, zum Beispiel in Altötting, gemessenen.

Ein von Minister Lucha am Landesgesundheitsamt eingerichteter Expertenkreis mit namhaften Wissenschaftlern hatte unter Leitung von Präsidentin Dr. Karlin Stark und unter Mitwirkung der Bürgerinitiative Kuppenheim im vergangenen Jahr das Studiendesign erarbeitet. Daraufhin wurde bis Juni 2018 Blut von insgesamt 348 Freiwilligen aus der Region abgenommen, ein unabhängiges Labor hat die Proben auf per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) untersucht.

Die Teilnehmenden wurden dabei in drei Gruppen aufgeteilt. Die erste Probanden-Gruppe (A) war über PFC-belastetes Trinkwasser betroffen, eine Belastungsquelle, die nach Bekanntwerden des Schadensfalls abgestellt wurde. Die zweite Gruppe (B) ist nicht über das Trinkwasser, sondern über Obst und Gemüse von belasteten Böden in Kontakt mit PFC gekommen. Die dritte Gruppe (C) bestand, wie die erste und zweite Gruppe, aus Personen aus dem Raum Rastatt, war jedoch nicht durch Trinkwasser oder Obst und Gemüse von betroffenen Grundstücken belastet.

«Wir nehmen die Sorgen der Menschen in der betroffenen Region sehr ernst. Deshalb war es uns wichtig, zu klaren, unabhängigen und fundiert-wissenschaftlichen Ergebnissen zu kommen», erläuterte Minister Lucha. Die Studie zeige, dass erhöhte PFC-Konzentrationen im Trinkwasser tatsächlich zu höheren Konzentrationen im Blut führen. Der Effekt eines belasteten Bodens über Obst und Gemüse sei hingegen deutlich geringer. Die nachgewiesenen Werte seien in jedem Fall Anlass, die bereits eingeleiteten Maßnahmen insbesondere im Bereich der Trinkwasserversorgung beizubehalten. Als eine von vielen Maßnahmen wurden zum Beispiel Brunnen, die eine Sicherstellung der vom Umweltbundesamt empfohlenen Werte nicht gewährleisten, außer Betrieb genommen. Dadurch liegen bereits jetzt die Gehalte im Trinkwasser der öffentlichen Wasserversorgungen deutlich unterhalb der Grenzwerte.

Die Blutproben wurden von einem unabhängigen Speziallabor analysiert, das Landesgesundheitsamt hat die Laborergebnisse in Abhängigkeit von der untersuchten Gruppe ausgewertet. Die PFOA-Konzentrationen im Blut zeigen eine deutliche Abhängigkeit von der untersuchten Gruppe: Der Median der PFOA-Werte in Gruppe A war mit 15,6 Mikrogramm/Liter etwa 13 Mikrogramm/Liter höher als der Median in Gruppe B (2,3 Mikrogramm/Liter). Der niedrigste Median wurde in der Gruppe C beobachtet (1,7 Mikrogramm/Liter). Der vom Umweltbundesamt im Jahr 2016 genannte Humanbiomonitoring I Wert (HBM I-Wert), unterhalb dessen von keiner gesundheitlichen Beeinträchtigung auszugehen ist, liegt bei 2 Mikrogramm/Liter. Eine Überschreitung bedeute jedoch nicht zwingend, dass eine konkrete Gesundheitsgefahr zu befürchten sei. Hierzu wäre ein HBM II-Wert notwendig. Ein solcher Wert, der die Schwelle der Gesundheitsgefährdung markiert, konnte bisher aufgrund fehlender wissenschaftlicher Datengrundlage von der zuständigen Kommission beim Umweltbundesamt noch nicht festgelegt werden. «Es ist wichtig, dass die Wissenschaft hier vorankommt und unter Einschluss unserer Untersuchungen die Ergebnisse auf Bundesebene zusammengeführt werden», forderte Minister Lucha.

Ergänzende Informationen:

In Baden-Baden und im Landkreis Rastatt wurden rund 644 Hektar Ackerfläche und infolgedessen teilweise auch Grundwasser durch PFC-belastete Komposte verunreinigt. Die Bodenkontaminierung führte zu erhöhten PFC-Werten in Trinkwasserproben und Pflanzen, die auf belasteten Böden angebaut wurden. Gemeinsam mit anderen Behörden hat das Land schnell und konsequent gehandelt und mögliche Belastungsquellen insbesondere über das Trinkwasser abgestellt.

Bei früheren privaten Blutuntersuchungen bei einigen wenigen Personen aus dem betroffenen Gebiet wurden PFOA-Konzentrationen zwischen 12 und 64 Mikrogramm pro Liter beobachtet. PFOA ist die Abkürzung für Perfluoroktansäure (PFOA) und gehört zu den bekanntesten Vertretern von PFC. Inwieweit PFC für Menschen gesundheitsschädlich sind, kann aufgrund der Verschiedenartigkeit der PFC-Verbindungen wissenschaftlich noch nicht abschließend beantwortet werden. Weil zunächst nur relativ wenige Blutproben untersucht wurden, konnte die Verteilung der PFOA-Werte in der betroffenen Bevölkerung auf dieser Basis nicht valide eingeschätzt und bewertet werden. Deshalb beauftragte das Ministerium für Soziales und Integration das Landesgesundheitsamt, Blutkontrolluntersuchungen im Landkreis Rastatt zu konzipieren und in Kooperation mit dem Gesundheitsamt Rastatt durchzuführen.

Weitere Auswertungen zum möglichen Einfluss anderer Faktoren auf höhere PFC-Konzentrationen im Blut werden in den kommenden Monaten durchgeführt. In diesen Analysen sollen, sofern möglich, zusätzlich Angaben zur Trinkwassermenge, zum Verzehr von Gemüse- und Obst, Fisch und Eiern aus den Fragebögen berücksichtigt werden, um mögliche Zusammenhänge mit diesen Faktoren zu erkennen und zu beschreiben. Die Ergebnisse werden in dem für Dezember 2018 vorgesehenen Bericht ausführlich dargestellt. Die Studie sieht in den Jahren 2020 und 2023 jeweils weitere Blutkontrolluntersuchungen vor, um zu sehen, wie sich die Belastung der Bevölkerung im zeitlichen Verlauf entwickelt.

Zum Hintergrund:

PFC ist die Abkürzung für per- und polyfluorierte Chemikalien. Die bekanntesten Vertreter sind die Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) und die Perfluoroktansäure (PFOA). PFC werden seit den 1960ger Jahren wegen ihrer wasser-, schmutz- und fettabweisenden Eigenschaften in vielen Produkten verwendet: beispielsweise in Outdoor- und Arbeitskleidung, in Imprägniermitteln, für Pappbecher und Pappkartons oder bei der Herstellung von Teflon. Die meisten Menschen kommen heutzutage in ihrem Alltag mit PFC in Kontakt, dementsprechend lassen sich die Substanzen im Blut nachweisen.

Weitere Hintergründe zum Thema PFC sind auf der Homepage des Regierungspräsidiums Karlsruhe zusammengestellt rp.baden-wuerttemberg.de. Außerdem gibt es ein FAQ-Papier zur Blutkontrolluntersuchung auf der Website des Ministeriums für Soziales und Integration unter sozialministerium.baden-wuerttemberg.de.

Darüber hinaus hat die Bevölkerung die Möglichkeit, sich bei einer Bürgerinformationsveranstaltung am 21. November 2018 in Rastatt weitergehend zu informieren.

Mehr: PDF FAQ-Papier des Ministeriums für Soziales und Integration zum Thema PFC


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