Aus dem Rathaus Rastatt

Rastatt lässt Weimarer Zeit erforschen – Ehemaliger Landgerichtsdirektor Karl-Michael Walz arbeitet ehrenamtlich

Rastatt lässt Weimarer Zeit erforschen – Ehemaliger Landgerichtsdirektor Karl-Michael Walz arbeitet ehrenamtlich
Archivar Fieg und sein ehrenamtlicher Helfer mit einigen Exemplaren der schweren Zeitungsbände. Foto: Stadt Rastatt

Rastatt, 08.02.2018, Bericht: Rathaus Das letzte «schwarze Loch in der Stadtgeschichte» stopfen, so beschreibt Stadtarchivar Oliver Fieg das Ziel der großen Ausstellung zur Weimarer Republik, die ab 17. Mai im Stadtmuseum zu sehen ist.

«Es lebe das Neue!? Rastatt in der Weimarer Republik − Ein Stück Demokratiegeschichte» lautet das Motto der Sonderschau. Dass die Ausstellung über das Stadtgeschehen zwischen 1918 und 1933 tatsächlich ein bisher kaum erforschtes Kapitel in Rastatts Geschichte neu schreiben wird, ist nicht zuletzt Karl-Michael Walz zu verdanken. Auf der Suche nach einer Herausforderung für den Ruhestand meldete sich der ehemalige Direktor des Landgerichts Pforzheim im Januar 2017 als freiwilliger Helfer beim Stadtarchiv. Eine Aufgabe für den pensionierten Richter, der in jungen Jahren gerne Geschichte studiert hätte, war schnell gefunden: Im Stadtarchiv warteten dicke Bände mit den gesammelten Ausgaben des Rastatter Tageblatts, dem Vorläufer des heutigen Badischen Tagblatts. Wertvolles Quellenmaterial, für dessen umfassende Auswertung dem Ausstellungsteam um Museumsleiterin Iris Baumgärtner, Volontärin Patricia Reister, und Archivar Fieg aber schlichtweg die Zeit fehlte.

Einen Monat Zeitungen pro Tag
Beinahe täglich hat Walz seit dem Sommer 2017 in beeindruckender Fleißarbeit Zeitungsseite für Zeitungsseite der Jahre 1918 bis 1925 durchsucht und seine Funde sorgfältig dokumentiert. «An einem halben Arbeitstag habe ich etwa einen Monat Zeitungen ausgewertet», erzählt Walz bescheiden, eine längere Pause habe er sich nur über die Weihnachtstage gegönnt. Neben den Ausgaben des Rastatter Tageblatts hat Walz immer wieder auch die «Rastatter Zeitung», das Sprachrohr der katholischen Zentrumspartei, zum Vergleich herangezogen. Weitere Hinweise erhielt er außerdem aus der «Chronik der Stadt Rastatt», einem händisch zusammengestellten Pressespiegel der Stadtverwaltung, bis 1921 erstellt von einem gewissen Otto Grosskinsky. «Wir haben die Zeitungsrecherche auf die frühen Jahre der Weimarer Republik beschränkt, weil sich die Ausstellung auf die Neuerungen in Rastatt konzentriert», erklärt Fieg. «Wir wollten die Weimarer Republik dieses Mal nicht von ihrem Scheitern her betrachten. »

Ein Steinbruch für alle Neugierigen
Das Ergebnis Walz‘ intensiver Zeitungslektüre kann sich sehen lassen: Ein beinahe 180 Seiten starkes Manuskript enthält alle Artikel, die Walz herausgefiltert hat. Insgesamt verzeichnet es 610 Quelltexte und damit jede Menge wichtige Hinweise für das Team des Stadtmuseums. Sobald aus dem Manuskript ein Fließtext geworden ist, soll es der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. «Lehrer, Lokalhistoriker und sonstige Neugierige bekommen damit einen Steinbruch an Material geschenkt, an dem sie sich abarbeiten können», freut sich Fieg. Auf welchem Weg das Manuskript veröffentlicht wird, ist noch unklar. Ansprechpartner für Interessierte ist das Stadtarchiv in der Kaiserstraße 48a unter Telefon 07222 972-2150.

Brave Bürger und engagierte Kaufmänner in der Barockstadt
«Meine Auswahl der Zeitungsartikel ist natürlich nicht ganz objektiv», schmunzelt der alteingesessene Rastatter Walz. «Ein Raster im Hinterkopf waren immer die Erzählungen meines Vaters und Großvaters.» Das juristische Fazit des pensionierten Richters fällt versöhnlich aus: «Rastatt war ein sicheres Pflaster. Brisante Kriminalfälle wurden nur aus den Nachbarstädten vermeldet.» Die Lektüre hat außerdem ans Licht gebracht, dass Rastatt in den 1920er Jahren trotz der wirtschaftlichen Probleme einen umtriebigen Gewerbeverein besaß. 1925 organisierte dieser eine Gewerbe- und Industrieausstellung in der Barockresidenz, die aus heutiger Sicht nicht nur mit einer Backstube und einer Metzgerei in den ehrwürdigen Gemächern überrascht. Neben seinem umfangreichen Manuskript verfasst Walz deshalb noch einen schlankeren Aufsatz über die Industrieausstellung, der im Katalog zur Ausstellung veröffentlicht wird. «Sein Elan ist bewundernswert», lobt Fieg seinen ehrenamtlichen Helfer, dem auch nach dem Ende seiner Recherche garantiert nicht langweilig wird: Als Vorsitzender des Badischen Landesverbands für soziale Rechtspflege ist Walz ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe aktiv.


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