Gernsbacher Haushalt 2020

Gernsbacher Bürgermeister Julian Christ sieht kinderfreundliche Stadt – Fast sechs Millionen Euro investiert – 10-seitige Haushaltsrede

Gernsbacher Bürgermeister Julian Christ sieht kinderfreundliche Stadt – Fast sechs Millionen Euro investiert – 10-seitige Haushaltsrede
Julian Christ, Bürgermeister von Gernsbach. Foto: Archiv

Gernsbach, 28.01.2020, Bericht: Redaktion Die Einbringung der Haushaltssatzung mit Haushaltsplan der Stadt Gernsbach für das Haushaltsjahr 2020 begleitete Bürgermeister Julian Christ gestern im Gemeinderat von Gernsbach mit einer detailreichen Rede.

Bei der hier veröffentlichten Rede handelt es sich nicht um das gesprochene Wort, sondern um das Redemanuskript von Bürgermeister Julian Christ aus dem Gernsbacher Rathaus im Wortlaut:

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, liebe Vertreterinnen und Vertreter der Presse,

ein Jahr Kommunales Haushaltsrecht (NKHR) liegt jetzt hinter uns. Die Umstellung von der kameralen Haushaltsführung zur Doppik und zum Kommunalen Haushaltsrecht (NKHR) hat viele Kapazitäten in unserem Haus gebunden und dieser Kraftakt ist auch noch lange nicht abgeschlossen. Daher geht zuerst ein großes Dankeschön an unseren Kämmerer Herrn Lang und an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre hervorragende Arbeit und für die zügige Erarbeitung des jetzt vorliegenden Haushaltsplans für 2020.

Schon jetzt zeichnet es sich deutlich am Horizont ab, dass auf uns hier im Murgtal stürmischere Zeiten zukommen werden. Sie sehen das deutlich daran, dass der Haushalt im laufenden Jahr nicht ausgeglichen ist. Und ein Blick in die Finanzplanung bis 2023 verrät, dass die Zeiten noch schwieriger werden. Wir werden konsolidieren müssen, wir werden sparen müssen und wir werden Strukturen in Frage stellen müssen Die Gewerbesteuereinnahmen gehen aufgrund der aktuellen konjunkturellen Lage deutlich zurück, durch das neue Kommunale Haushaltsrecht fallen die Abschreibungen unseres Vermögens enorm ins Gewicht und der Investitionsstau aus den 60er und 70er Jahren fordert uns weiterhin. Daher ist der Haushaltsplan 2020 der Ihnen jetzt hier vorliegt, verantwortungsvoll, transparent und vorausschauend aufgestellt. Er ist noch kein Krisenhaushalt, sondern Ausdruck der Erfordernisse, mit weniger Mitteln zurechtzukommen.

Ich bin mir der Verantwortung für unsere Stadt bewusst. Unser Haushalt 2020 konzentriert sich daher zum einen auf die Fortführung bereits begonnener Projekte, zum anderen aber auch auf die Fokussierung auf die für Gernsbach wichtigen zukunftswirkenden Projekte, die uns stärken und konkurrenzfähig für die kommenden Jahre machen werden.

Und hier heißt es: Pflichtaufgaben vor Kür. Fortführen werden wir unter anderem die umfangreichen Investitionen in die Bildung unserer Kinder, denn diese sind der Grundstein und der Garant für unsere Stadt - jetzt und für zukünftige Generationen.

Gernsbach ist eine familienfreundliche Stadt. Wir haben hier schon viel geleistet: eine Krippengruppe im Kinderhaus Staufenberg eingerichtet sowie eine zweigruppige Einrichtung in der Otto-Hahn-Str. geschaffen und nicht zu vergessen mit dem Waldkindergarten eine ganz neue Einrichtungsform geschaffen, die sich nach kürzester Zeit etabliert hat. Aber damit nicht genug: So wird dieses Jahr der Erweiterungsbau des Kindergartens Fliegenpilz für vier weitere Gruppen in der Gernsbacher Nordstadt fertiggestellt werden und dringend benötigte Betreuungsplätze werden geschaffen. Auch der Umbau der städtischen Immobilie in der Jahnstraße als zweigruppige Kinderkrippe ist ein weiterer wichtiger Schritt für die Verlässlichkeit in der Kinderbetreuung in Gernsbach. Insgesamt investieren wir seit 2018 über 5,8 Millionen Euro, um 120 neue Betreuungsplätze zu schaffen. Und wir wissen schon heute: Das wird nicht reichen, um mit Blick auf steigende Kinderzahlen den tatsächlichen Betreuungsbedarf abzudecken. Wir müssen auch weiterhin in diesen wichtigen Bereich investieren.

Bei allen großen Bauprojekten, die Gernsbach als familienfreundlichen Standort auszeichnen, müssen wir auch die Rahmenbedingungen im Blick behalten.

Durch den Erweiterungsbau des Kindergartens Fliegenpilz verkleinert sich ein gut und gern genutzter Spielplatz in der Nordstadt erheblich. Für mich als Bürgermeister ist eines klar: Wenn wir Spielflächen auf der einen Stelle verlieren, müssen wir sie an anderem Ort neu schaffen.

Daher enthält mein Haushaltsentwurf die erforderlichen Mittel für die Planung und den Bau eines neuen großen Spielplatzes im Laufbachtal. Denn unsere Kleinen brauchen Platz zum Spielen und Toben und sollen diesen auch in der bevölkerungsreichen Kernstadt finden und nicht erst in andere Städte oder Gemeinden fahren müssen, um einen größeren Spielplatz vorzufinden.

Gernsbach ist eine Bildungsstadt. Wir haben eine breitgefächerte Bildungslandschaft in Gernsbach: vier Grundschulen in der Kernstadt, in Scheuern, in Staufenberg und in Hilpertsau, sowie drei weiterführende Schulen mit der Von-Drais-Gemeinschaftsschule, der Realschule und dem Albert-Schweizer-Gymnasium. In alle diese Einrichtungen investieren wir: Die Von-Drais- Gemeinschaftsschule wird in diesem Jahr für 1,57 Mio. € saniert und ausgebaut. Am ASG haben wir alle Fachräume saniert. Das hat über 1,2 Mio. € gekostet, dafür haben wir aber auch zeitgemäße Einrichtungen geschaffen für die Bildung unserer Jugend. Die Realschule ist um eine Mensa für den Ganztagesunterricht erweitert worden. Die Sanierung der Realschule soll in diesem Jahr weitergehen und bis 2022 für rd. 4,7 Mio. € umgesetzt werden. Unsere Kinder können in unserer Stadt unter allen Schulformen wählen und in ihrem vertrauten Umfeld lernen. Lange Schulwege in weiter entfernte Nachbarstädte entfallen. Diese Qualität im Bereich der Bildung gilt es auf jeden Fall zu erhalten! Um unseren guten Standard erhalten zu können, sind selbstverständlich Investitionen in die Schulen unserer Stadt wichtig und nötig. Aber: Bildung ist auch ein teures Gut, und es muss gewissenhaft abgewogen werden, welche Maßnahmen wann und wo umgesetzt werden können bzw. müssen.

Klar ist aber auch, dass nicht alle Sanierungsmaßnahmen gleichzeitig angegangen werden können, wenngleich auch alle Projekte ihre guten und dringlichen Gründe mit sich bringen.

Gernsbach ist eine Stadt mit Geschichte und Potenzial. Wir in Gernsbach besitzen einen großen Schatz: unsere historische Altstadt und unsere über 800-jährige Geschichte. Dies macht unsere Stadt zu einem Ort mit einem absoluten Alleinstellungsmerkmal im Murgtal. Dieses Potenzial muss erhalten und genutzt werden, damit die Geschichte unserer Altstadt und Gernsbach eine Zukunft hat.

Daher enthält dieser Haushaltsplan die erforderlichen Mittel für den vom Gemeinderat beschlossenen Altstadtentwicklungsprozess. Denn nur wenn wir die verschiedenen Interessensgruppen wie Anwohner und Gewerbetreibende einbinden, können wir den Grundstein für eine von allen getragene Aufwertung der Altstadt legen.

Gerne hätte ich auch die Nutzung des Erdgeschosses unserer Zehntscheuer im Haushalt 2020 verankert. So hatte der Gemeinderat im letzten Jahr einen entsprechenden Grundsatzbeschluss gefasst und auch das Forum Zehntscheuer hatte eine finanzielle Unterstützung von 30.000€ zugesagt. Mit Blick auf die angespanntere Haushaltssituation müssen wir diese Investition allerdings zurückstellen. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir dies zu einem späteren Zeitpunkt nachholen werden und damit die Zehntscheuer für noch mehr Gernsbacherinnen und Gernsbacher erlebbar machen werden.

Ein weiterer Ort mit großem und teils ungenutztem Potenzial ist der Kaltenbronn. Dieses Naherholungsgebiet ist für Gernsbach und für die Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit als Luftkurort bzw. für unseren erfolgreichen Tourismus von großer Wichtigkeit. Auch hier schlummert noch ein großes Potenzial. Wir dürfen die Chancen nicht verpassen und müssen einem möglichen Abwärtstrend vorbeugen. Das bedingt, dass unsere Gäste attraktive Angebote bei uns vorfinden und sich wohlfühlen können. Eine Hotel- und Übernachtungsanalyse für die Gesamtstadt - mit besonderer Berücksichtigung des Kaltenbronns - ist unabdingbar, um so auch im Bereich des Tourismus nicht den Anschluss zu verpassen. Denn ein Rückgang des Fremdenverkehrs würde uns allen schaden.

Gernsbach hat eine große, gut ausgebaute Infrastruktur. Aufgrund unserer topografischen Lage und aufgrund der gewachsenen Strukturen hält Gernsbach eine erhebliche Infrastruktur bereit. Kein Ortsteil soll abgehängt oder benachteiligt werden gleichzeitig werden die Belange der Kernstadt beachtet, und zusammen sind wir eine Solidargemeinschaft mit einem gemeinsamen Haushalt.

Der Gemeinderat ist - genauso wie der Bürgermeister - dem Wohl aller Gernsbacherinnen und Gernsbachern verpflichtet. Aber natürlich ist er auch zu einer soliden und verantwortungsbewussten Haushaltsführung verpflichtet.

Mit Blick auf die mittelfristige Finanzplanung wird klar, vor welche Herausforderung wir gestellt sind. Wir können in 2020 und 2021 einen Zahlungsmittelüberschuss der Ergebnisrechnung in Höhe von rd. 1,7 Mio. € ausweisen. Das ist in Hinblick auf die breite Masse an Aufgaben ein bescheidener Betrag, um Investitionen zu tätigen und Schuldendienste zu leisten. Bei den Investitionen müssen wir uns auf das Notwendige beschränken. Dabei werden Wünsche unerfüllt bleiben. Leider steigen die Steuereinnahmen nicht in dem Maß, in dem die Ausgaben im Sozial- und Erziehungsbereich steigen. Auch die ohnehin notwendige Kreditaufnahme wird geringer ausfallen, weil wir uns schlicht das Abbezahlen der Kredite auch leisten können müssen.

In den nächsten Jahren werden wir uns weniger leisten können, als wir uns eigentlich leisten müssten. Dringliche Projekte wie die Sanierung oder Neubau des Rathauses lassen sich derzeit nicht mehr im Haushalt abbilden. Die Sanierung des Bauhofes und die Sanierung der Grundschule Gernsbach sind gerade so noch in der Finanzplanung darstellbar und müssen im schlimmsten Fall zeitlich gegeneinander abgewogen werden. Das alles sind Maßnahmen, die eigentlich überfällig sind und bei denen es weh tut, diese nicht alle direkt im vorliegenden Haushalt abbilden zu können. Verantwortung für die Stadt zu tragen heißt aber auch, die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt zu sichern. Deshalb müssen wir diese Projekte im Blick behalten und so schnell es finanziell darstellbar ist auch umsetzen. Das sind wir allen schuldig: den Kindern unserer Grundschule, den Mitarbeitern des Bauhofes genauso wie den Mitarbeitern des Rathauses.

Folgt der Haushalt 2020 insgesamt der Logik ‚dringliche Pflichtaufgaben vor freiwilligen Aufgaben‘, so gibt es doch eine Ausnahme: das Freibad Lautenbach.

Wie ich bereits letztes Jahr im Rahmen meiner Neujahrsrede festgehalten habe, gehört es zu den Besonderheiten Gernsbachs, über vier Freibäder zu verfügen. Gleichwohl sehe ich es nicht als meine Aufgabe an, die Schwimmbadfrage wieder zu thematisieren. Daher habe ich auf Basis der bisherigen Beschlusslage des Gemeinderates – Sanierung aller Bäder – Mittel in Höhe von 920.000 Euro für das Freibad Lautenbach eingestellt.

Ich bin mir bewusst, dass diese maßgebliche Investition auch von einigen Gemeinderäten kritisch gesehen wird, was sich nun auch im Antrag der AfD auf Schließung des Freibades Lautenbach ausdrückt. Aber letztlich ist es Aufgabe des Bürgermeisters, geltende Beschlüsse des Gemeinderates umzusetzen, und Aufgabe des Gremiums, den Haushalt insgesamt zu beraten.

Der Gemeinderat muss jetzt für den Haushaltsplan zwischen den Interessen der gesamten Einwohner und den Belangen eines Ortsteiles abwägen und gleichzeitig die Haushaltslage jetzt und zukünftig im Blick haben.

Meine Damen und Herren, wie Sie sehen, liegen viele wichtige Entscheidungen vor uns. Wenngleich der vorliegende Haushaltsentwurf meine Handschrift trägt, obliegt Ihnen als Gemeinderäte das Haushaltsrecht. Sie verabschieden den eingebrachten Haushalt in seiner Gänze und müssen gewissenhaft unter Berücksichtigung der Interessen aller Gernsbacherinnen und Gernsbacher beraten und entscheiden.

Ich bin davon überzeugt, dass der jetzt eingebrachte Haushaltsplan 2020 ein guter und vor allem ausgewogener Haushaltsplan ist unter der Prämisse: Pflicht vor Kür.

Er enthält keine Luxusprojekte und keine Luftschlösser, sondern ist vielmehr ein besonnener und solider Haushalt, der die Zukunft Gernsbachs sichert und unsere Stärken unterstreicht.

Daher möchte ich Sie schon heute bitten, diesen Haushaltsentwurf zu unterstützen. - Vielen Dank


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