Keine Meldung aus dem Baden-Badener Rathaus

Stadt Rastatt gedenkt mit Israelitischer Kultusgemeinde und Rastatter Gemeinderäten der Opfer des Nationalsozialismus – „Was ist der beste Weg, um den Opfern der nationalsozialistischen Willkürherrschaft zu gedenken?“

Stadt Rastatt gedenkt mit Israelitischer Kultusgemeinde und Rastatter Gemeinderäten der Opfer des Nationalsozialismus – „Was ist der beste Weg, um den Opfern der nationalsozialistischen Willkürherrschaft zu gedenken?“
Bürgermeister Knoth, Rabbiner Surovtsev, Wladimir Baschmet von der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden und Mitglieder des Rastatter Gemeinderats gedachten der Opfer des Nationalsozialismus. Foto: Stadt Rastatt/Evelyne Kientz

Baden-Baden/Rastatt, 28.01.2022, Bericht: Redaktion Bisher ist aus dem Baden-Badener Rathaus keine Meldung zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in unserer Redaktion eingegangen. Der Gedenktag am 27. Januar in Deutschland ist seit 1996 ein bundesweiter, gesetzlich verankerter Gedenktag.

Dass Juden in Baden-Baden nicht uneingeschränkt willkommen sind, zeigt die bereits seit Jahren aufgeführte Symbolpolitik, wie Stolperstein-Verlegungen oder der Linienbus mit der Aufschrift «Schalom Baden-Baden», die von einem in Deutschland einmaligen Affront ablenken sollen. Mehrmalige Bitten um ein Gespräch zu einem würdevollen Umgang mit dem alten Synagogen-Grundstück, das seit Jahrzehnten als Parkplatz benutzt wird, lehnt die Eigentümerfamilie bis heute ab. goodnews4.de berichtete. Und auch die Baden-Badener Oberbürgermeisterin Margret Mergen, CDU, erteilte den Juden bereits vor Jahren eine Absage, die bei der Grundstückssuche für den Neubau einer Synagoge um Hilfe baten. Ein Grundstück zum Bau einer Synagoge sei in Baden-Baden nicht zu finden, hatte Oberbürgermeisterin Mergen mitteilen lassen. Dies dürfte ein einmaliger Vorgang in Deutschland nach 1945 sein. goodnews4.de berichtete.

 

Immerhin erinnerte gestern das Rastatter Rathaus in einer Meldung an die sich in diesem Jahr zum 77. Mal jährende Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. «Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Soldaten das Vernichtungslager Auschwitz», heißt es in der Mitteilung. Bürgermeister Raphael Knoth habe stellvertretend für OB Hans Jürgen Pütsch anlässlich des Gedenktages gemahnt, die Erinnerung an die NS-Verbrechen aufrechtzuerhalten. Coronabedingt habe die Gedenkstunde mit Kranzniederlegung am jüdischen Kantorenhaus nur im kleinen Kreis stattgefunden. Anwesend waren Rabbiner Naftoli Surovtsev, der zu Beginn ein jüdisches Gebet sprach, sowie weitere Vertreter und Vertreterinnen der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden und Mitglieder des Rastatter Gemeinderats.

Die weitere Mitteilung aus dem Rastatter Rathaus im Wortlaut:

Auschwitz ist Symbol für den Massenmord der Nazis an Juden, Sinti und Roma und anderen Verfolgten. Bundespräsident Roman Herzog rief diesen Tag im Jahr 1996 ins Leben. Mit diesem Tag wollte er an alle Menschen erinnern, die aufgrund ihrer Herkunft, ihrer politischen Einstellung oder auf andere Art und Weise vom willkürlich festgelegten Menschenbild abwichen. Allein in Auschwitz sind mehr als eine Million Menschen ermordet wurden. Sie alle fielen dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte zum Opfer.

«Auch in unserer Heimatstadt geschahen unvorstellbare Taten», machte Knoth deutlich. In Rastatt wurden die jüdischen Bürgerinnen und Bürger bereits seit 1933 systematisch ausgegrenzt und verfolgt. Am 10. November 1938 wurde die Rastatter Synagoge in Brand gesteckt, am 22. Oktober 1940 folgte die Deportation aller jüdischen Bürgerinnen und Bürger nach Gurs in die Pyrenäen. «Gurs wurde für sie zur Vorhölle der systematischen Ermordung in den Vernichtungslagern. Nur wenige überlebten die Schoah. Nur eine einzige Familie kehrte nach Rastatt zurück», zeichnete Knoth die erschreckenden Ereignisse nach.

In Niederbühl bestand seit 1942 ein von der Schutzstaffel (SS) geleitetes Arbeitserziehungslager. Darin wurden Zwangsarbeiter und Deutsche misshandelt, erniedrigt und getötet. Auch in der sogenannten Pflegeanstalt im ehemaligen Festungslazarett wurden die Patienten grausam behandelt. All diese Themen waren lange Zeit ein Tabuthema, auch in Rastatt, verdeutlichte Bürgermeister Knoth. Heute lebten kaum noch Zeitzeugen dieses einmaligen Verbrechens der Menschheitsgeschichte. «Nun liegt es an uns, den Nachgeborenen die Erinnerung an diese unfassbaren Verbrechen wachzuhalten. Es liegt an uns, alles in unseren Kräften stehende zu tun, dass sich Ähnliches nie wieder ereignet», betonte Knoth.

Doch zu seinem Bedauern müssten wir im Moment erleben, wie sich rassistisches und antisemitisches Gedankengut wieder verbreitet und offen zur Schau gestellt wird. «Wir als Stadt setzen uns für ein friedliches, solidarisches und sicheres Zusammenleben in kultureller Vielfalt ein», verdeutlichte Knoth. Dieses Engagement werde in Rastatt auch von vielen Bürgerinnen und Bürgern, von Vereinen und gesellschaftlichen Gruppen getragen, worüber er als Bürgermeister der Stadt besonders froh sei.

Doch was ist der beste Weg, um den Opfern der nationalsozialistischen Willkürherrschaft zu gedenken? Nach Knoths Überzeugung seien das zum einen Gedenktage wie diesen zu begehen, um die Geschichte lebendig zu halten. Zum anderen appellierte er auch im Namen von OB Pütsch an die Bürgerinnen und Bürger: «Stärken Sie die Demokratie in unserem Land, seien Sie ein Vorbild, zeigen Sie sich solidarisch mit Ausgegrenzten und Verfolgten. Nur so tragen Sie Tag für Tag mit dazu bei, dass ein friedliches Miteinander weiterhin möglich bleibt. Denn eine Tatsache ist und bleibt unumstößlich: Wir sind alle gleich.»


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