Aus dem Festspielhaus Baden-Baden

Frankreichs Meisterpianist im Festspielhaus Baden-Baden – Beethovens „Hammerklavier-Sonate“ und “Concord-Sonata“ von Charles Ives

Frankreichs Meisterpianist im Festspielhaus Baden-Baden – Beethovens „Hammerklavier-Sonate“ und “Concord-Sonata“ von Charles Ives
Pierre-Laurent Aimard ist einer der größten französischen Pianisten und spielt im Festspielhaus die „Hammerklavier-Sonate“ von Beethoven und die „Concordia-Sonata“ von Charles Ives. Foto: Julia Wesely

Baden-Baden, 27.02.2020, Bericht: Festspielhaus Pierre-Laurent Aimard ist einer der aktuell größten französischen Pianisten. Am 7. März 2020 um 18 Uhr spielt er im Festspielhaus die «Hammerklavier-Sonate» von Ludwig van Beethoven und die «Concord-Sonata» von Charles Ives.

Beethovens «Hammerklavier-Sonate» Nr. 29 B-Dur op. 106, ist eines der schwierigsten Werke der Klavierliteratur, sowohl technisch als auch gestalterisch und atmosphärisch. Dabei bedarf die Modernität dieses Ausnahmewerks von geradezu orchestraler Räumlichkeit keiner langen Erklärungen: Die architektonischen und harmonisch-rhythmischen Kühnheiten sind unüberhörbar und die Expression und Weite von Beethovens musikalischer Sprache in diesem Werk sind beispiellos. Die ausdrückliche Nennung des Hammerklaviers im Titel der deutschen Ausgabe: «Grosse Sonate für das Hammerklavier» ist eigentlich überflüssig, da die modernen (Hammer-) Klaviere und Flügel mit angeschlagenen Saiten längst den barocken Kielflügel mit gezupften Saiten (Cembalo) abgelöst hatten. Der große Vorteil dieser Instrumente bestand darin, dynamisch laut und leise spielen und den Klang frei modulieren zu können, ohne registrieren zu müssen. (Wie bei der Orgel kann ein Cembalo Register, also verschiedene aus- und einschaltbare Sätze von Saiten haben, wodurch sich Lautstärke und Klangfarbe verändern lassen.) Zu den wenigen Pianisten, die das Werk zu Beethovens Lebzeiten außer dem Komponisten selbst bewältigen konnten, gehörte Carl Czerny, der sich allerdings bitter über die «unbequeme Spielweise» beklagte.

Mit ihrem vielfach geschichteten, immer wieder nicht wie üblich in zwei, sondern in drei Systemen notierten Klaviersatz erreicht auch die «Concord-Sonata» von Charles Ives eine Komplexität, die jeden Interpreten vor allergrößte Herausforderungen stellt.

Pierre-Laurent Aimard ist ein Großmeister der Moderne – nicht umsonst war er 18 Jahre lang Solopianist des Ensemble intercontemporain. Während dieser Zeit wirkte er bei einer Vielzahl von Uraufführungen mit und begründete seinen Ruf als einer der profiliertesten Interpreten zeitgenössischer Musik. Im Baden-Badener Festspielhaus präsentiert er am 7. März Charles Ives’ selten zu hörende «Concord-Sonata» – den wohl monumentalsten Entwurf einer Klaviersonate im 20. Jahrhundert, ein Werk, dessen Uraufführung durch den renommierten Pianisten John Kirkpatrick im Jahr 1939 dem bis dahin immer noch weitgehend unbekannten amerikanischen Komponisten zum Durchbruch verhalf. Charles Ives zitiert in allen vier Sätzen das Eröffnungsmotiv der fünften Sinfonie Ludwig van Beethovens und weniger deutlich hörbar, auch die beiden ersten Takte seiner Hammerklaviersonate – Musik jenes Komponisten also, der wie kein anderer für das musikalische Großprojekt der Sonate steht, weshalb Aimard nach der Pause auch Beethovens «Hammerklavier-Sonate» aufs Programm gesetzt hat.

Wie Ives in seinem umfangreichen Kommentar «Essay Before a Sonata» ausführt, ist die geistige Welt des rund fünfzig minütigen Werks im Umfeld des amerikanischen Transzendentalismus angesiedelt, der im kleinen neuenglischen Städtchen Concord in Massachusetts zwischen 1840 und 1860 eine Blütezeit erlebte. Damals bildete die kleine Stadt Concord ein kulturelles Zentrum der USA, wo sich Philosophen und Literaten begegneten. Jeder der vier Sätze des Werkes bezieht sich auf konkrete Personen: Ralph Waldo Emerson, Nathaniel Hawthorne, Amos Bronson Alcott mit seiner Tochter Louisa May Alcott sowie Henry David Thoreau.

Charles Ives schreibt: «Das Ganze ist ein Versuch, den Eindruck (einer Person) vom Geist des Transzendentalismus darzustellen, der in der Vorstellung vieler seit über einem halben Jahrhundert mit Concord, Mass., verbunden ist. Dies geschieht in impressionistischen Porträts von Emerson und Thoreau, einer Skizze der Alcotts sowie in einem Scherzo leichteren Charakters, das die oftmals fantastische Seite von Hawthorne widerspiegelt.» Der erste Satz, «Emerson», ist der ausgedehnteste Satz der Sonate und möglicherweise in Teilen ein Relikt eines gleichnamigen, unvollendeten Klavierkonzerts von Ives. Der zweite Satz der «Concord-Sonata», ein immer wieder die Grenzen des technisch Möglichen streifendes Scherzo, reflektiert die utopischen Kurzgeschichten des Schriftstellers Nathaniel Hawthorne – mit filmschnittartigen Umbrüchen und motorischer Rhythmik im Ragtime-Tonfall. Der dritte Satz, «the Alcotts» ist der kürzeste des Werks und hebt sich musikalisch durch seinen eher idyllischen Charakter und zurückgenommene klangliche Komplexität von den übrigen Sätzen ab. Unter anderem werden schottische Lieder und religiöse Hymnen zitiert. Der letzte Satz ist dem Naturmystiker Henry David Thoreau gewidmet, der selbst Flöte spielte und laut Ives «ein großer Musiker» war.

Weitere Informationen und Tickets: www.festspielhaus.de Persönliche Beratung und Reservierungen: Telefon 07221 / 30 13 101


Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.