Notfallversorgung weiter im Fokus

Todesfall Edgar Christ in Landespolitik angekommen - CDU-Abgeordneter Tobias Wald: "Wie kann man mir Unfairness und Fahrlässigkeit vorwerfen?" - Klinikum beantwortet goodnews4-Fragen

Todesfall Edgar Christ in Landespolitik angekommen - CDU-Abgeordneter Tobias Wald: "Wie kann man mir Unfairness und Fahrlässigkeit vorwerfen?" - Klinikum beantwortet goodnews4-Fragen
Landtagsabgeordneter Wald erhob Vorwürfe gegen Notfallversorgung und Finanzierung der Kliniken. Fotos: goodnews4-Archiv

Baden-Baden, 20.03.2018, 17:00 Uhr, Bericht: Christian Frietsch Auch durch die Stuttgarter grün-schwarze Koalition zieht sich auch der Todesfall Edgar Christ. Immer noch unterschiedlich stellt sich der Ablauf der Notfallversorgung des Sinzheimer Handballvereinsmanagers dar, der nach einem Herzstillstand nicht in einer nahe gelegenen Klinik, sondern in Karlsruhe versorgt werden musste. Heftige Kritik wegen verschiedener Missstände hatte der Baden-Badener SPD-Stadtverbandsvorsitzende Werner Henn in einem Schreiben an die Verantwortlichen des Klinikums Mittelbaden gerichtet. goodnews4.de berichtete.

Auch der Baden-Badener Landtagsabgeordnete Tobias Wald, CDU, erhob Vorwürfe. In einer Stellungnahme wehrt sich Tobias Wald wiederum gegen Vorwürfe aus dem Sozialministerium von Manne Lucha, Die Grünen. «Ich weise die Kritik des Sozialministeriums, wonach ich unfair und fahrlässig die Krankenhausfinanzierung und die Notfallaufnahme vermengt hätte, zurück», so Tobias Wald. Es gehe ihm darum, gemeinsam nach einer Lösung suchen. Deshalb habe er schon am 6. März 2018 an Minister Lucha geschrieben. Es gehe ihm nicht darum, jemandem den Schwarzen Peter zuzuspielen. Der Landtagsabgeordnete verweist in seiner Erklärung auf Vorwürfe in der gedruckten Ausgabe der Lokalzeitung Badisches Tagblatt von gestern. «Auch die Behauptung, ich würde den Patienten Angst machen, entbehrt jeglicher Grundlage. Ich empfehle dem Sozialministerium dringend, die Presseerklärung vom 19. März zu lesen», erklärte Tobias Wald. goodnews4.de berichtete. Darin habe er auf mehrere Aspekte hingewiesen. Zum einen habe er das Klinikum darum gebeten, die Strukturen zu überprüfen. «Das ist schnell geschehen: In Baden-Baden werden Kapazitäten für die Versorgung von Herzkranken aufgebaut», weist Tobias Wald schnell auf erste Konsequenzen hin, Maßnahmen schneller umzusetzen. Ferner habe er einen zweiten Punkt genannt. Die Finanzierung der baden-württembergischen Kliniken sei unzureichend «und zwar unter anderem wegen des zu niedrigen Landesbasisfallwerts». Unter anderem würden deshalb so gut wie alle Klinken in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft in Baden-Württemberg unter teils massivem wirtschaftlichem Druck stehen. «Fast die Hälfte ist defizitär», erklärt der CDU-Abgeordnete zur wirtschaftlichen Situation der Krankenhäuser in Baden-Württemberg.

Auch auf einen anderen Missstand verweisst Tobias Wald nochmals. «Ich habe mich für die dauerhafte Stationierung eines Rettungshubschraubers auf dem Baden-Airpark eingesetzt», erinnert er und versteht die heftige Kritik an seinen Äußerungen und Forderungen nicht. «Wie kann man mir also Unfairness und Fahrlässigkeit vorwerfen?» Die Gesundheitspolitik eigne sich nicht für «parteipolitische Profilierung», erklärt Tobias Wald an die Adresse seiner grünen Koalitionspartner.

Vom Klinikum Mittelbaden liegt noch keine veröffentliche Antwort auf die Fragen vor, die SPD-Stadtrat Werner Henn in seinem Schreiben vom 16. März an die Verantwortlichen richtete. Gerichtet war das Schreiben unter anderem an die im Aufsichtsrat verantwortlichen Baden-Badener Oberbürgermeisterin Margret Mergen, CDU, und den Rastatter Landrat Jürgen Bäuerle, CDU. Vorgeworfen hatte man Werner Henn, dass der von ihm weitergebene Todeszeitpunk von Edgar Christ nicht richtig gewesen sei. Sein Schreiben an die Verantwortlichen der Klinik Mittelbaden hatte Werner Henn öffentlich gemacht. Eine unabhängige Untersuchung des Falles wurde bisher von keinem der mit dem Fall befassten Politiker gefordert.

Schriftlich beantwortete Jürgen Jung, Kaufmännischer Geschäftsführer des Klinikums Mittelbaden, Fragen von goodnews4.de. Darin geht Jürgen Jung auch darauf ein, dass ein Herzkathetermessplatz für die Klinik in Balg schon vor einem Jahr beschlossen worden sei. Der kaufmännische Geschäftsführer geht nicht darauf ein, warum die Einrichtung nun schon ein Jahr dauert.

Das schrifltiche goodnews4-Interview mit Jürgen Jung im Wortlaut:

goodnews4: Bekannt wurde der tragische Fall des Notfall-Patienten durch den Baden-Badener Stadtrat Werner Henn, der die Vorgänge in einem Schreiben an die Baden-Badener Oberbürgermeisterin Magret Mergen, den Rastatter Landrat Jürgen Bäuerle und auch an Sie ausführlich beschreibt. Haben Sie auf alle Fragen schon eine Antwort?

Jürgen Jung: Wir haben in einem persönlichen Antwortschreiben an Herrn Stadtrat Henn umfassend auf seine Fragen geantwortet.

goodnews4: Wie kommt es denn dazu, dass es keine Maßnahme gibt, dass für Notfall-Patienten immer Platz ist in einem der Krankenhäuser des Klinikums Mittelbaden?

Jürgen Jung: Jede uns bekannte Klinik verfügt in verschiedenen Behandlungsfeldern naturgemäß über limitierte Behandlungsmöglichkeiten. Dies gilt auch für unsere Klinikstandorte in Baden-Baden, Bühl, Forbach und Rastatt. Zahlreiche zumeist komplexe Behandlungen sind nach den Regelungen unseres Gesundheitssystems nur an speziell ausgewiesenen Kliniken zugelassen. Behandlungsangebote werden auch dadurch konzentriert, dass Vorschriften an die Zahl und die Qualifikation von Ärzten, Pflegekräften und weiteren an einer Behandlung beteiligten Personen, verstärkter von Politik und Kostenträgern durchgesetzt werden. Beispielsweise dürfen wir frühgeborene Kinder unterhalb eines Geburtsgewichtes von 1.250 Gramm nicht betreuen und müssen diese umgehend an eine Spezialklinik weiterleiten. Eine für schwer unfallverletzte Patienten erforderliche neurochirurgische Abteilung oder eine stationäre Strahlentherapie ist landesplanerisch für uns nicht vorgesehen, um nur einige Bereiche zu nennen. Manches engt damit automatisch unsere Notfallbehandlungsmöglichkeiten ein. In Mittelbaden stehen aktuell 16 Intensivbetten in Baden-Baden und 12 Intensivbetten in Rastatt zur Verfügung. Ergänzend zu zwei großen bettenführenden Notaufnahmen in Rastatt und Baden-Baden kommen 12 sogenannte Stroke Unit-Plätze für Schlaganfallpatienten und weitere Überwachungsplätze, auch an unseren Kliniken in Bühl und Forbach. Die Notwendigkeit weiterer Intensivbetten, die anspruchsvollen baulichen und technischen Ausstattungsvorgaben unterliegen, wird in regelmäßigen Abständen geprüft. Zuletzt fand eine Ausweitung der spezialisierten Schlaganfallbehandlungsplätze (Stroke Unit) von 8 auf 12 Plätze Ende 2016 statt.

goodnews4: Die hohe Auslastung der Krankenhäuser ist ja seit Tagen bekannt, konnte man nicht ein Konzept für Notfall-Patienten entwickeln, also die Krankenhäuser nur zu 95 Prozent auslasten?

Jürgen Jung: Unsere Häuser waren insgesamt gesehen zu keinem Zeitpunkt voll ausgelastet. Es bestanden auch am Abend des 14.03.2018 Notfallaufnahmekapazitäten (auch Beatmungsmöglichkeiten) in Baden-Baden und Bühl zur Verfügung. Herr Christ benötigte aus Sicht des Notarztes jedoch die Hilfe in einem Krankenhaus, welches über einen Herzkatheter und freie Beatmungsmöglichkeiten verfügt und ihn damit hätte unverzüglich behandeln konnte. Dies trifft in Mittelbaden bisher nur auf das Krankenhaus Rastatt zu. Dieses hätte am 14.3. zwar eine invasive Therapie am Herzkatheter ermöglichen können, verfügte aber leider zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über freie Beatmungskapazitäten. Die nächstgelegenen Krankenhäuser mit Herzkatheterkapazitäten sind das Städtische Klinikum Karlsruhe, das St. Vincentius Klinikum in Karlsruhe sowie die Krankenhäuser in Lahr. Sie können daraus erkennen, dass sich die Behandlungskapazitäten räumlich an spezialisierten Abteilungen (Kardiologie) konzentrieren und eine möglichst kurze Wegstrecke zu einer Behandlungseinheit sich nur sehr begrenzt auf einen Behandlungserfolg auswirkt. Nach unserem Kenntnisstand hatte der Transportweg keinen Einfluss auf den traurigen Verlauf am 14.03. Therapeutisch ist bei akutem Myokardinfarkt eine möglichst frühe Wiedereröffnung des verschlossenen Herzkranzgefäßes gefordert, die bevorzugt mittels primärer perkutaner Koronarintervention (Aufweitung des Gefäßes mit dem Herzkatheter) erfolgen sollte. Die Zeit bis zur Aufweitung des Gefäßes sollte nach den europäischen Leitlinien idealerweise weniger als 90 Minuten betragen.

goodnews4: Nach unserer Kenntnis gab es keine Öffentlichkeitsarbeit, die uns erreichte, mit dem Hinweis, dass die Krankenhäuser ausgelastet sind, damit Patienten mit leichteren Beschwerden sich z.B. zunächst an den Hausarzt wenden?

Jürgen Jung: Patienten mit leichteren Beschwerden sind in aller Regel nicht stationär behandlungsbedürftig und suchen weit überwiegend auch in der Zeit einer Grippe-Welle nur dann unsere ambulanten Notfallangebote auf, wenn der eigene Hausarzt nicht erreichbar ist. In erster Linie stehen dann die hausärztlichen Notfalldienste zur Verfügung, die sowohl über eine Niederlassung in unserer Rastatter und in unserer Baden-Badener Klinik verfügen. Über die allgemeine Situation der Krankenhäuser in den letzten Wochen haben auch Ihre Kollegen von den regionalen Presseorganen berichtet. Auch Umfragen in den Karlsruher Kliniken als auch bei uns wurden gemacht und darüber berichtet. Überregional war das Thema nach unserem Kenntnisstand in nahezu allen Medien (Presse, Radio, Fernsehen) präsent.

goodnews4: Liegt eine Statistik über die «Abmeldungen» der Krankenhäuser des Klinikums Mittelbaden für den Zeitraum der letzten 12 Monate vor?

Jürgen Jung: Wichtig ist uns der Hinweis, das sich Abmeldungen in unseren Klinken niemals auf eine ganze Klinik bezogen haben und immer nur für einen zeitlich in aller Regel eng begrenzten Zeitraum erfolgen mussten. Dies ist in Baden-Baden selten der Fall. In Rastatt kam es in den letzten Monaten insgesamt zu 37 Abmeldungen. Diese Zahl ist untypisch hoch und erklärt sich neben den aktuellen Auswirkungen der Grippewelle in einer deutlichen Zunahme von kardiologischen Erkrankungen.

goodnews4: Sehen Sie im Verhalten der Krankenhäuser Fehler?

Jürgen Jung: Bei den Stichproben, die wir gemacht haben, nicht. Wir werden dies aber vertieft ausarbeiten und einen längeren Zeitraum in die Auswertung einbeziehen.

goodnews4: Wird es eine methodische Untersuchung des Falles geben mit einem Ergebnisbericht?

Jürgen Jung: Selbstverständlich.

goodnews4: Gibt es Konsequenzen, die Sie heute schon nennen können?

Jürgen Jung: Damit wir bei einer auch in Mittelbaden immer stärker anwachsenden Zahl von älteren Menschen adäquater auf einen steigenden Behandlungsbedarf auch in der Herzmedizin reagieren können, haben wir uns nach ausführlicher Diskussion in unserem Aufsichtsrat dafür entschieden, in unserer Klinik in Baden-Baden Balg einen weiteren Herzkatheterplatz aufzustellen und die Kardiologie Rastatt auch auf den Standort Baden-Baden auszuweiten. Um die dafür erforderlichen räumlichen Möglichkeiten überhaupt anbieten zu können, war zuvor die Verlagerung des Ambulanten OP-Zentrums von Baden-Baden nach Bühl notwendig. In den dadurch freigewordenen Räumen im Erdgeschoss der Balger Klinik in unmittelbarer Nähe zur Notaufnahme laufen die baulichen Vorarbeiten seit rund einem Jahr und werden mit der Aufstellung der erforderlichen Gerätschaften Anfang Mai 2018 abgeschlossen sein. Damit wird zukünftig eine Alternative in Mittelbaden zur Verfügung stehen, wenn einer der Plätze oder benötigte Intensiveinheiten belegt sind. Wenn wir damit zukünftig dazu beitragen können, dass sich auch schwierigste Versorgungssituationen zukünftig weiter minimieren lassen, ist das ein wichtiger Schritt.

goodnews4: Wird es heute oder morgen möglich sein, dass sich solche Fälle in den Krankenhäuser in Baden-Baden, Rastatt und im Landkreis Rastatt wiederholen?

Jürgen Jung: Wir können dies aktuell nicht ausschließen. Die heute schon geringe Wahrscheinlichkeit wird sich mit der Inbetriebnahme des zweiten Herzkatheters in Kürze weiter minimieren.


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