Kommentar

Baden-Badener Gemeinderat hat heute Abend keine Wahl - Millionen-Zuwendungen aus Stuttgart nur noch unter Bedingungen - Kritische Landesregierung verlangt "tragfähiges Tourismuskonzept"

Baden-Badener Gemeinderat hat heute Abend keine Wahl - Millionen-Zuwendungen aus Stuttgart nur noch unter Bedingungen - Kritische Landesregierung verlangt "tragfähiges Tourismuskonzept"
Der Baden-Badener Gemeinderat entscheidet heute Abend über die Verlängerung der sogenannten BKV-Verträge.

Baden-Baden, 09.04.2018, 00:00 Uhr, Kommentar: Christian Frietsch Als Ministerpräsident Winfried Kretschmann 2011 unmittelbar vor seiner ersten Amtszeit im goodnews4-VIDEO-Interview die jährlichen Zuwendungen des Landes von 10 Millionen Euro für Baden-Baden in Frage stellte, folgte der Sorge bald eine gewisse Erleichterung, denn aus Stuttgart kamen mildere Signale. Nun steht die nächste Dekade bis 2030 an. Mit den sogenannten BKV-Verträgen wird es wohl weitergehen, aber einen jährlichen 10-Millionen-Euro-Automatismus wird es für Baden-Baden nicht mehr geben.

Heute Abend sollen die Baden-Badener Stadträte die Oberbürgermeisterin nun ermächtigen, «eine Vereinbarung mit dem Land Baden-Württemberg zur Anschlussfinanzierung der BKV-Institutionen abzuschließen», heißt es in der Tischvorlage zur Gemeinderatssitzung. Eine wirkliche Wahl haben die Stadträte wohl nicht. Was bisher bekannt wurde, klingt mehr wie ein Diktat aus Stuttgart, denn eine Fortschreibung des BKV-Vertrages auf weitere 10 Jahre wird es ohne neue Bedingungen nicht geben. «Das Land und die Stadt sind in den Verhandlungen dahingehend übereingekommen, eine Verlängerung um zunächst weitere 5 Jahre bis zum 31.12.2025 zu vereinbaren.»

Was in den Verhandlungen zwischen Land und Stadt kontrovers auseinandergesetzt wurde, lässt sich erahnen. Der Vertrag wird nur unter der Bedingung „verlängert, wenn die Stadt bis zum 31.12.2023 ein tragfähiges Tourismuskonzept vorlegt“. Offenbar reicht das Vertrauen der Vertragspartner in Stuttgart in das verantwortliche Baden-Badener Tourismus-Management nicht mehr für eine uneingeschränkte Vertragszusage aus. Der von Winfried Kretschmann in Frage gestellte Automatismus zeigt nun wohl Wirkung. Verständnis wird man in Baden-Baden haben müssen, denn immerhin geht es um 100 Millionen Euro Steuergelder für den Zeitraum von 10 Jahren. Und es sind die Steuerzahler in ganz Baden-Württemberg, die die kulturellen Einrichtungen wie Philharmonie, Theater oder auch die Gärten und Parkanlagen finanzieren helfen. In die Begeisterung für das mondäne Baden-Baden mischt sich auch eine ordentliche Portion gesundes Misstrauen in die Fähigkeiten der Baden-Badener Offiziellen beim angemessenen Umgang mit öffentlichen Geldern.

Mit der sogenannten BKV-Reform endete 1995 in Baden-Baden auch eine goldene Zeit fast unerschöpflicher Geldquellen. Die damalige Bäder- und Kurverwaltung hatte sich über Jahrzehnte an einen Anteil von 50 Prozent an der sogenannten Spielbankabgebe gewöhnt. Jedes Jahr waren allein aus dieser Quelle meist mehr als 30 Millionen D-Mark in die Kasse der Bäder- und Kurverwaltung geflossen. Nach einem großen, auch politischen Revirement zwischen den Vertretern der damaligen CDU/SPD-Koalition in Stuttgart einerseits und dem damals von Ulrich Wendt geführten Rathaus kam es zu einem «Baden-Baden-Deal». Das Casino wurde verstaatlicht, die Bäder- und Kurverwaltung ging als BKV völlig in Landesregie, dafür gab es grünes Licht für die vom Baden-Badener Opern-Mäzen Ermano Sens-Grosholz eingeleitete Idee eines Festpielhauses Baden-Baden. Schon 1989 hatte sich da nachrichten-Magazin «Der Spiegel» mit den Umgang mit Steuer-Millionen in Baden-Baden beschäftigt: www.spiegel.de.

Zu der Verlängerung der BKV-Verträge richtete goodnews4.de einige Fragen an das Finanzministerium Baden-Württemberg:

goodnews4: Waren es denn langwierige Verhandlungen oder war man sich schnell einig?

Finanzministerium: Die Kooperation, die Stadt und Land fortsetzen wollen, hat vor allem für Baden-Baden, aber auch darüber hinaus erhebliche Bedeutung. Die Verhandlungen über den Vertrag waren entsprechend intensiv. Mit Blick darauf, dass die aktuelle Rahmenvereinbarung noch bis Ende 2020 läuft, liegt die Verständigung aber völlig im zeitlichen Rahmen.

goodnews4: Legt die Stadt bis spätestens Ende 2023 ein nachhaltiges und tragfähiges Tourismuskonzept vor, das mit der Region und der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg abgestimmt ist, soll sich die Vereinbarung nochmals um fünf Jahre bis Ende 2030 verlängern.“ Bisher wurde die Vereinbarung immer über einen Zeitraum von 10 Jahren geschlossen. Warum nun diese Bedingung? Gibt es denn Zweifel an dem ordentlichen Umgang mit dem Geld? Gab es eine Analyse, ob das Geld in den letzten Jahren gut eingesetzt wurde?

Finanzministerium: Mit seinem kulturellen und touristischen Angebot wirkt Baden-Baden weit über die Stadtgrenzen hinaus. Es war deshalb ein gemeinsames Anliegen, die Vereinbarung konzeptionell zu unterlegen. Das soll mit dem Tourismuskonzept geschehen. Der Wirkung über die Grenzen Baden-Badens hinaus wird mit der Abstimmung eines Konzepts mit Region und Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg Rechnung getragen. Es ist im Sinne aller, das bestehende Gute noch ein wenig besser zu machen. Eine Analyse gibt es nicht, es gab auch keinen Anlass für deren Notwendigkeit. Das Finanzministerium ist aber selbstverständlich im Austausch mit der Stadt und wird das auch weiterhin bleiben.

goodnews4: Wieviel Geld fließt denn ab 2020 aus Stuttgart nach Baden-Baden?

Finanzministerium: Wie bereits erwähnt sind im Durchschnitt der vergangenen Jahre jeweils rund 10 Millionen Euro Ausgleichszahlungen geleistet worden. Zuletzt waren es knapp 11 Millionen Euro. Das wird so fortgesetzt. Dynamisierung bedeutet, dass Personal- und Sachkostensteigerungen berücksichtigt werden.


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