4. Teil: Winfried Kretschmann

goodnews4-Interview mit Staatssekretär Rudi Hoogvliet – „Ja, dieser, wie Sie sagen, Kretschmann-Bonus wird dann nicht mehr da sein“ – Teil 4

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goodnews4-VIDEO-Interview von Christian Frietsch mit Rudi Hoogvliet

Bild Nadja Milke Bericht von Nadja Milke
04.04.2024, 00:00 Uhr



Baden-Baden/Berlin Die Baden-Badener Grünen üben sich in freiwilliger Abstinenz und gewähren goodnews4.de keine Interviews. Anders die grünen Politiker in Stuttgart und Berlin. Nach Winfried Kretschmann nimmt auch Rudi Hoogvliet im goodnews4-Interview zu grundsätzlichen Fragen Stellung.

Für die Grünen leitete Rudi Hoogvliet die Bundestagswahlkämpfe in den Jahren 2002, 2005 und 2009. Danach war er zehn Jahre Regierungssprecher von Winfried Kretschmann. Christian Frietsch traf den grünen Politiker Anfang März in Berlin an dessen Amtssitz als Staatsekretär für Medienpolitik und Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund. Die Landesvertretung Baden-Württemberg leitet Rudi Hoogvliet seit dem 21. Mai 2021. Der vierte und letzte Teil des Interviews beschäftigt sich mit der Zukunft der Grünen in Baden-Württemberg mit der Ära Winfried Kretschmann und der Frage zur Zeit danach.

 

Rudi Hoogvliet erinnert daran, dass Winfried Kretschmann zu Beginn seiner Amtszeit die «Politik des Gehörtwerdens» ausgerufen hatte und damit meinte «wir müssen wieder stärker raushören und reinhören in die Gesellschaft». Das brachte auch Winfried Kretschmann in eine bisher für einen grünen Politiker nie gekannte Popularität. Davon profitierten die Grünen auf allen Ebenen. Doch nun könnte dieser «Kretschmann-Bonus» bald fehlen. Auch dazu gibt Rudi Hoogvliet eine Antwort.

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Abschrift des 4. Teils des goodnews4-VIDEO-Interviews mit Rudi Hoogvliet, Staatsekretär für Medienpolitik und Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund:

goodnews4: Das hat es ja noch nie gegeben, zumindest wüsste ich es nicht, dass ein Ministerpräsident aus Baden-Württemberg lange Zeit immer auf Platz 1 war der Beliebtheitsliste. Winfried Kretschmann hat ja im Prinzip auch so ein bisschen das ganz alte Sujet des Landesvaters bei vielen abgedeckt, nämlich auch Schnittmengen, die eben nicht herkunftsgrün waren, sondern konservativ oder vielleicht sogar aus dem Lager der Sozialdemokraten kommend und hat dieses Bild, was ja ein bisschen korrespondiert mit der Aufforderung, die Sie aussprechen, dass die Politiker wieder direkt auf die Menschen zugehen, diese Idee des Zuhörens. Glauben Sie, es ist jetzt in dieser angespannten, nervösen Situation gelungen, das zu übertragen auf andere Politiker, auf andere Ebenen der Politiker? Unter dem Strich reicht es natürlich nicht, wenn ein Ministerpräsident bereit ist, zu reden und zuzuhören. Ist diese Intension denn durchgedrungen, dass der Politiker wieder auf die Menschen zugehen muss, dass man Social Media mal ein bisschen abbremst und nicht nur zu einem Zauberwerk erklärt und die Menschen wieder zusammenkommen?

Rudi Hoogvliet: Abbremsen muss man es nicht, glaube ich, aber man muss genau diese Old-School-Kommunikation, einfach miteinander reden, und auch die Auseinandersetzung nicht scheuen. Man muss den Leuten ja nicht nach dem Mund reden, aber man muss ernsthaft mit ihnen diskutieren können und wollen. Das muss wieder verstärkt werden, glaube ich, in der Politik, bei den Politikern und Politikerinnen. Winfried Kretschmann hat zu Beginn seiner Regierungszeit die «Politik des Gehörtwerdens» ausgerufen und das war genau der Punkt, dass er gesagt hat, wir müssen wieder stärker raushören und reinhören in die Gesellschaft. Das bedeutet nicht, dass wir ihnen nach dem Maul reden oder das bedeutet auch nicht, dass die Menschen ausschließlich bestimmen, was die Politik zu machen hat, aber deren Überlegungen, deren Argumente, deren Interessen müssen wieder stärker aufgenommen werden von der Politik, damit sie in die Entscheidungsfindung einfließen. Er hat das gesagt und hat auch eine Staatsrätin, und die gibt es inzwischen seit 12, 13 Jahren, für Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft ins Leben gerufen, also eine ehrenamtliche Ministerin, die sich um diese Themen kümmert. Ergebnis ist, dass das Thema Bürgerbeteiligung tief in der Verwaltung angekommen ist. Wir haben das sozusagen vorgeschrieben in der Verwaltung, wenn es um Genehmigungen geht, wenn es um neue Projekte geht, dass da eine Bürgerbeteiligung stattfindet. Das ist etwas anderes als eine Bürgerentscheidung, aber die Menschen müssen gehört werden, müssen sich argumentativ und in der Debatte und in der Genese einer solchen Initiative beteiligen können.

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goodnews4: Die ganz großen Themen, wie der Krieg in der Ukraine, vorher Corona, dann die daraus resultierenden großen Themen Flüchtlingsunterbringung, verlangen für eine Urteilsbildung eines einzelnen Bürgers die Kenntnis größerer Zusammenhänge. Ist denn der Kommunalpolitiker, da komme ich nochmal auf das Thema Wahlen am 9. Juni, gut eingebunden? Es gibt bei der Konrad-Adenauer-Stiftung oder der Stiftung der Grünen viele Angebote, aber unter dem Strich sind es dann doch wenige. Muss die Partei nicht eine größere, ernsthafte Initiative ergreifen, die Kommunalpolitiker mehr zu schulen, mehr auch mit dem Regelwerk vertraut zu machen, mehr resistent zu machen? Oder ist das zu theoretisch, schafft man das gar nicht?

Rudi Hoogvliet: Es gibt mannigfaltige Angebote, Sie haben ja einige erwähnt, über die politischen Stiftungen der Parteien, es gibt die Landeszentrale und die Bundeszentrale für politische Bildung. Da gibt es viele Angebote, die kann man wahrnehmen oder auch nicht. Auch von den kommunalen Spitzenverbänden gibt es entsprechende Angebote. Ich erlebe die Kommunalpolitik als sehr sachorientiert und kenntnisreich. Aber natürlich geht es da vorrangig um die Probleme vor Ort. Ja, die sind eingebettet, oftmals zumindest, in einem größeren Ganzen, aber die Ernsthaftigkeit, die in der Kommunalpolitik an den Tag gelegt wird und die tiefe Kenntnis über die lokalen Probleme und in Teilen dann auch über die Zusammenhänge mit Bundes- und Landespolitik, da habe ich keine Bedenken. Kommunalpolitik ist die konkreteste Form der Politik und auch die Form von Politik, die am nächsten bei den Menschen ist, das betrifft die Menschen unmittelbar, und die ist aus meiner Sicht sehr sachorientiert.

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goodnews4: Wenn Sie vorhin das Stichwort «old school» gesagt haben – also bei «new scholl» muss man auf jeden Fall die Wirkung nicht hoch genug einschätzen, Social Media. Es gab ja ein Wort, das heute absolut missverständlich ist und vielleicht in dem Kontext gar nicht angewendet werden darf, aber früher sprach man auch beim Wahlkampf vom «Häuserkampf», also man muss von Haus zu Haus gehen. Raten Sie wirklich dazu, dass die Kommunalpolitiker wieder zurückkehren, an der Tür zu klingeln, mit dem Risiko, dass man mit ein bisschen Frust nach Hause geht?

Rudi Hoogvliet: Unbedingt. Und das nicht erst in diesem Jahr. Ich plädiere dafür seit, weiß ich nicht, seit zehn Jahren oder so, solche Haustürkampagnen zu machen oder dass Kandidaten eingeladen werden in die eigenen vier Wände. Da werden Nachbarn, Freundinnen, Freunde eingeladen, man hat einen kleineren Kreis und so etwas ähnliches und der Kandidat oder die Kandidatin steht eine Stunde lang zur Verfügung für das Gespräch. Ich rate unbedingt dazu, das zu machen, und zwar quer durch alle demokratischen Parteien hindurch, weil mir es ein Anliegen ist, dass die Menschen die Möglichkeit bekommen, ihre Sorgen, ihre Fragen, ihre Interessen auch zu artikulieren und sich mit den Politikerinnen und Politikern auseinanderzusetzen. Das ist das A und O, wenn sie die Demokratie stärken und erhalten wollen, dass die Leute, die Menschen die Möglichkeit bekommen, sich einzubringen und sie auch dazu veranlasst werden durch solche Küchentischgespräche, durch einen Kandidaten oder eine Kandidatin, die an der Tür klingelt. Natürlich kriegen sie da auch mal Ablehnung, aber ehrlich gesagt, meistens stoßen wir dabei auf Interesse.

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goodnews4: Die letzte, vielleicht unbequeme Frage, die jeder stellt: Wenn der Bonus Winfried Kretschmann mal nicht mehr da ist, aus welchen Gründen auch immer, den Sie ja auch an entscheidender Stelle mit aufgebaut haben, was können denn dann die Grünen in die Waagschale legen, wenn Winfried Kretschmann von der Waagschale runter ist? Heißt das, was man dann da drauflegt, Özdemir? Oder gibt es noch etwas anderes? Eine Idee?

Rudi Hoogvliet: Das wird man sehen. Diese Frage ist noch nicht entschieden, wer Spitzenkandidat in Baden-Württemberg für die Grünen wird für die nächste Landtagswahl. Sicher ist, dass es Winfried Kretschmann nicht mehr sein wird. Er kandidiert nicht mehr, er hat dann seine drei Perioden voll, er wird dann auch 78 sein.

goodnews4: Na gut, Joe Biden…

Rudi Hoogvliet: Man muss jetzt nicht Joe Biden und Trump mimen und das gleichmachen. Ich glaube, das ist ein stattliches Alter und da kann man auch mal genug haben. Und wer dann als Spitzenkandidat für die Grünen auftritt, das werden wir wahrscheinlich so im Laufe des Herbstes oder Winters wissen, dann sind es noch knappe eineinhalb Jahre bis zur Wahl. Und dann hoffen wir mal, dass es ein guter Kandidat sein wird, der ein Stück weit dann natürlich auch diesen Kretschmann-Bonus wird kompensieren können.

goodnews4: Und sicherlich wird er auch mit der großen Strahlkraft ein bisschen kämpfen müssen.

Rudi Hoogvliet: Ja, das ist natürlich klar. Dieser, wie Sie sagen, Kretschmann-Bonus wird dann nicht mehr da sein und es wird dann schwieriger für die Grünen, glaube ich, und es ist eine Möglichkeit für die CDU wieder zu reüssieren und das wird eine harte Auseinandersetzung und da sind wir alle gespannt, wie es ausgeht.

goodnews4: Rudi Hoogvliet, ich möchte mich herzlich bedanken für die Gastfreundschaft hier in der Landesvertretung und auch für die guten Hinweise für die Kommunalpolitiker, die wir gerne weitergeben.

Das Interview führte Christian Frietsch für goodnews4.de.




Nadja Milke ist Redakteurin bei goodnews4.de und Mitglied der Landespressekonferenz Baden-Württemberg. Sie wohnt in der Baden-Badener Innenstadt und kennt sich dort gut aus, aber selbstverständlich auch in den anderen Baden-Badener Stadt- und Ortsteilen. Über Post freut sie sich: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


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