Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – Zu „Festspielhaus-Chef Stampa beendet Saison schweren Herzens“ – Gold gab ich für Eisen!

Baden-Baden, 17.06.2020, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Kurt Krause Stellung zu dem goodnews4-Bericht Bittere Entscheidung – Festspielhaus Baden-Baden beendet Saison ab sofort − Festspielhaus-Chef Stampa: «Ich muss die Sommerfestspiele schweren Herzens absagen».

Besucher des Festspielhauses, Freunde und Förderer hört mich an! Habt ihr auch vor mehr als einem Jahr, auf jeden Fall aber vor dem 8. März 2020 mehr als ein «Ticket» gekauft und im Voraus bezahlt? Sind wir zu Leidensgenossen geworden durch das «Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19 Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht …» – beschlossen durch Bundestagsabgeordnete und Bundesrat und verkündet am 15. Mai 2020?

Im März sagte Herr Stampa noch, er sei von Erfolg zu Erfolg geeilt und habe eine weitreichende Liquidität. Kurz darauf suggerierte er, Umsatzeinbußen von 6 Mill. EUR bis zum Saisonende, seien echte Verluste. Forderungen nach Ticket-Erstattung z.B. für die Osterfestspiele wurden nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen (2 Wochen) erfüllt, sondern verschoben, bis das Gesetz dem Veranstalter nach dem 15. Mai 2020 das Recht einräumte, statt der Erstattung Gutscheine (Notgeld) auszugeben.

Die Frage muss erlaubt sein, wo die Eintrittsgelder geblieben sind, wenn das Konzert oder die Konzerte gar nicht stattfanden. Wo sind sie geblieben, die im Voraus bezahlten 6 Millionen EUR für Tickets bis zum Saisonende? Kann es daran liegen, dass Stampa zwischenzeitlich – wie ein Video-Blog zeigt – sich im Casino Baden-Baden betätigte?

Gutscheine können für Ersatzveranstaltungen oder zur Anrechnung bei künftigen Konzerten, Balletten, Opernabenden verwendet werden. Nur, wenn man vorhatte «die Wiener» mit einem bestimmten Dirigenten zu hören, muss man schon gar nicht zu «den Berlinern» oder gar zum SWR gehen wollen.

Diese Gutscheinlösung ist eine Schimäre. Trivial ist, dass das gleiche Konzert, respektive der Platz in der Saison 2020/2021 teurer sein wird als in der Saison 2019/2020. Ferner haben «unsere» Abgeordneten dafür gesorgt, dass das wirtschaftliche Risiko des Festspielhauses durch das Gesetz auf den Kulturliebhaber verschoben wurde. Denn eine Garantie für die Einlösung gibt es nicht! Warum sollte das ohne Spenden defizitär arbeitende Festspielhaus in der Zukunft eine bessere Liquidität als heute aufweisen? Dazu würde man gerne präzisere Auskünfte erhalten. Am besten nicht vom «Künstler» Stamper, sondern von Frau Dr. Ursula Koners, die für die wirtschaftliche Seite des Festspielhauses verantwortlich ist.

Warum die Skepsis angebracht ist? Ganz einfach, weil alle, die in dieser Woche Gutscheine erhalten haben, in der nächsten Saison keinen Preis für Tickets entrichten müssen. Das Liquiditätsproblem kommt also in wenigen Monaten wie ein Bumerang zum Festspielhaus zurück. Vermutlich mit doppelter Geschwindigkeit, weil man schließlich lernfähig ist! Nie wieder werde ich «Tickets» ein Jahr im Voraus bezahlen. In Rundschreiben des Festspielhauses ist sogar der Saisonbeginn im September 2020 fraglich.

«Gut-Schein», das Wort muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ist der Schein wirklich «gut» oder das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt wurde? Ich habe da so meine Zweifel. Warum? Nun, vor mir liegt eine gedruckte Fassung des «Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19 Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht …». Es handelt sich um eine Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch, dem ein «§ 5 - Gutschein für Freizeitveranstaltungen und Freizeiteinrichtungen» hinzugefügt wurde.

«§ 5 (4) Aus diesem Gutschein muss sich ergeben, 1. Dass dieser wegen der COVID-Pandemie ausgestellt wurde und 2. dass der Inhaber des Gutscheins die Auszahlung des Wertes des Gutscheins unter einer der in Absatz 5 genannten Voraussetzungen verlangen kann.»

«§ 5 (5) Der Inhaber eines nach den Absätzen 1 oder 2 ausgestellten Gutachtens kann von dem Veranstalter oder Betreiber die Auszahlung des Wertes des Gutscheins verlangen, wenn 1. Der Verweis auf den Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist oder 2. Er den Gutschein bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst hat.»

Eigenmächtig und unter Missachtung des Gesetzes schreibt der Intendant und Künstlerische Leiter des Festspielhauses, Herr Benedikt Stampa, bei der Übersendung des «Gutscheins» sowohl im Anschreiben wie auf dem «Gutschein» selbst: «Dieser Gutschein ist gesetzlich bis zum 31.12.2023 gültig. Sollten Sie als Kunde den Gutschein bis dahin nicht bei uns eingelöst oder teileingelöst haben, zahlen wir Ihnen den Wert wieder aus.»

Wie generös vom Festspielhausintendanten, uns den Zeitraum für die Einlösung des Gutscheins um zwei Jahre zu verlängern. Er führt uns aber in die Irre, weil man fast überliest, dass erst in der vorletzten Zeile des Gutscheins das richtige Datum zum Erstattungsanspruch genannt wird. Vielleicht will Stampa aber gar nicht auszahlen, sondern hofft auf Spenden des Ticketpreises oder darauf, dass bis Ende 2023 viele Konzertbesucher verstorben sind? Ein Wunder wäre es nicht, angesichts des überdurchschnittlichen Alters der Liebhaber klassischer Musik.

Stampas Idee, erst nach dem Ende des Jahre 2023 den Ticketpreis erstatten zu wollen (oder zu können), ist eine Zumutung für Musikliebhaber, die bereits im April 2019 Karten gekauft haben. Sowas nenne ich eine Zwangsanleihe!

Angeblich geht vom Festspielhaus eine sog. Umwegrentabilität in Höhe von mehr als 40 Mill. EUR zu Gunsten von Baden-Badener Hotellerie, Einzelhandels und indirekt über die Gewerbesteuer auch für die Stadt Baden-Baden aus. Daher wäre eine Finanzierung der irgendwie gearteten «Verluste» von dieser Seite her viel eher angebracht als von Seiten der Konzertbesucher. Aber die Stadt Baden-Baden hängt selbst «am Fliegenfänger» – eine Haushaltssperre wird in Kürze eintreten.

Hat sich Intendant Stampa mit der Verkündung des Endes der Saison 2019/2020 selbst in den (hochbezahlten?) Urlaub verabschiedet? Die Zweifel wachsen, ob er in der Lage ist, sein Amt auszufüllen. Stimmt es, er habe seinen Laden nicht im Griff, sondern der Laden ihn? Auf jeden Fall ist es für Stampa bitter, in den Niederungen des Alltags angekommen zu sein. Interessieren diese ihn überhaupt? So verliert man Freunde und Förderer – schade!

Kurt Krause
Baden-Baden


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