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Gegen Motorradlärm in Baden-Baden

"Morgens Lärm der Motorräder, nachmittags die Rettungswagen" – Ansgar Gernsbeck: "Auf Selbsteinsicht der Industrie kann man nicht setzen" – Statements von CDU, FBB, SPD, FDP, AfD

"Morgens Lärm der Motorräder, nachmittags die Rettungswagen" – Ansgar Gernsbeck: "Auf Selbsteinsicht der Industrie kann man nicht setzen" – Statements von CDU, FBB, SPD, FDP, AfD
Auch Blitzer am Ortsausgang von Geroldsau helfen gegen den Motorradlärm wenig. Foto: Archiv

Bild Christian Frietsch Bericht von Christian Frietsch
22.07.2020, 00:00 Uhr



Baden-Baden Die Baden-Badener CDU ist nicht für übertrieben selbstkritische Positionen bekannt. Aber in Sachen Motorradlärm zeigt sich Ansgar Gernsbeck, Baden-Badener CDU-Fraktionschef, auf goodnews4-Anfrage mit der Arbeit der Landesregierung, an der auch seine Partei beteiligt ist, nicht zufrieden. goodnews4.de berichtete.

«Die viele Menschen stark belastende Lärmproblematik lässt sich weder auf die lange Bank schieben noch mit Aufklärung lösen, auch auf eine Selbsteinsicht der Industrie oder leise E-Motorräder kann man nicht setzen. Ein spürbares Handeln der Politik ist längst überfällig», erklärte Ansgar Gernsbeck schriftlichen gegenüber goodnews4.de.


«Zu dieser Thematik hat sich in Baden-Baden bereits eine Bürgerinitiative gebildet, zu der auch Mitglieder der CDU-Gemeinderatsfraktion gehören. Die viele Menschen stark belastende Lärmproblematik lässt sich weder auf die lange Bank schieben noch mit Aufklärung lösen, auch auf eine Selbsteinsicht der Industrie oder leise E-Motorräder kann man nicht setzen. Ein spürbares Handeln der Politik ist längst überfällig. Es ist durchaus möglich, dass die Gerichte – ähnlich wie bei den Dieselfahrverboten - demnächst die einzuschlagende Richtung vorgeben.

Solange Fahrzeuge mit Soundanlagen jedweder Art und Motorräder mit Schalldämpfern, bei denen sich z.B. der dB-Eater problemlos mittels eines Imbusschlüssels ausbauen lässt, gebaut und zugelassen werden, bekommen wir dieses Problem nicht in Griff. Streckensperrungen führen nur zu Verlagerungen und einer erheblichen Mehrbelastung an anderer Stelle, in diesem Punkt gebe ich persönlich der Landes-CDU recht. Allerdings könnte ich mir zeitliche Sperrungen von besonders belasteten Strecken durchaus vorstellen, bis europaweit gültige gesetzliche Regelungen endlich greifen.

Es ist geradezu grotesk, dass für zig Millionen Euro Steuergelder jährlich ein Nationalpark geschaffen wird, in dem man sich an vielen Stellen wie in einer Motorenteststrecke für Spaßfahrzeuge aller Art vorkommt.

Auf der B500/Schwarzwaldhochstraße finden zwischen Zimmerplatz und Plättig stundenlang regelrechte Motorsportveranstaltungen statt. Die Videos davon werden in entsprechenden Foren geteilt. Dies zu allen Wochentagen, insbesondere an Schönwetter-Wochenenden mit teils unerträglichen Lärm-Belastungen. Kontrollen der Polizei und zuständigen Ordnungsbehörden laufen aufgrund der digitalen Vernetzung der Biker mehr oder weniger ins Leere. Die Anwohner nehmen die Kontrollzeiten aber als angenehm wahr, da zu diesen Zeiten der Lärmpegel spürbar sinkt.

Meine Vorschläge:
Über den Städtetag fordert die Stadt Baden-Baden das sofortige Verbot von lauten Fahrzeugen, und zwar gemessen im echten Fahrbetrieb. Denn auch hier wird, ähnlich wie bei den Abgaswerten, nicht ehrlich gemessen.
Verstärkte Kontrollen, insbesondere an den Wochenenden.
Prüfung der dauerhaften Videoüberwachung mit Lärmmessung an den Problemstrecken. Die punktuell installierten Lärmdisplays werden dem tatsächlichen Problem nicht gerecht.
Prüfung einer zeitlichen Sperrung der hochbelasteten Ausflugsstrecken, bis durch gesetzliche Regelungen die Lärmpegel erheblich gesenkt werden.
Prüfung eines ganzheitlichen Verkehrskonzepts für die gesamte Nationalparkregion nach dem Vorbild der Seiser Alm in Südtirol. Das vom Grün geführten Verkehrsministerium mit heißer Nadel gestrickte ‘Verkehrskonzept Nationalpark Schwarzwald’ ist ein zahnloser Papiertiger und bekommt die Probleme nicht ansatzweise in den Griff.»


Bild Kurt Hochstuhl

Statement von Kurt Hochstuhl, SPD-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat Baden-Baden:


«Mit einer Patentlösung kann ich nicht aufwarten. Aber sicher wäre eine Verschärfung der gesetzlichen Zulassung von Motorrädern hinsichtlich des von ihnen produzierten Lärms ein wichtiger Schritt. Doch ob das allein genügt, da habe ich so meine Zweifel. Autos mit 300 PS und genauso wenig Motorräder in ähnlichen Dimensionen werden nicht produziert und nicht gekauft, um ‘nicht ausgefahren’ zu werden. Ein generelles Tempolimit – in Frankreich gilt auf Landstraßen konsequent Tempo 80, auf den Autobahnen Tempo 130 – würde sicher helfen. Das System der Geschwindigkeitsmessungen muss optimiert werden, möglicherweise ähnlich wie in Österreich, wo mit Lichtschranken über eine bestimmte Strecke gemessen und damit die gefahrene Geschwindigkeit im Mittel errechnet wird. Doch auch dies fällt in die Kompetenz des Gesetzgebers.

Eine Sperrung der B 500 an den Wochenenden würde m.E. das Problem nur verlagern, indem andere Zugangswege zur ‘Rennstrecke’ genutzt werden.

Uns allen bleibt derzeit nur, an die Eigenverantwortung der ‘Biker’ zu appellieren und von ihnen dieselben Rücksichtsmaßnahmen einzufordern, die sie selbst sonst in ihrem Alltagsleben wie selbstverständlich von ihren Mitbürgern*innen erwarten. Unterstützung durch die Baden-Badener Medien auf diesem sicher nicht ganz flachen Weg würde dabei sicher nicht schaden.»


Bild Tommy Schindler

Statement von Tommy Schindler, FBB-Stadtrat Baden-Baden:


«Man muss das Problem an der Wurzel anpacken.

In der Tat wird die Lärmbelastung durch Motorräder immer schlimmer. Da ich in Lichtental wohne, bin ich sogar direkt davon betroffen. Immer wieder werde ich von Einheimischen angesprochen, ob die Stadt denn gegen diesen Lärm nichts tun könne. Die unangenehme, aber offene und kurze Antwort müsste lauten: NICHT VIEL. Solche Antworten vermeiden Politiker gerne.

Tatsächlich verhalten sich die meisten Biker anständig und beachten die geltenden Regeln. Aber es gibt eine stetig wachsende Zahl der schwarzen Schafe. Es ist heute sehr einfach, technische und sogar legale Manipulationen an der Maschine vorzunehmen, damit der Sound stimmt. Die EU Betriebserlaubnis leistet dabei Schützenhilfe, denn außerhalb Deutschlands sind die Gutachter großzügiger. So wird schnell mal ein ‘Schalldämpfer’ legalisiert, der 4 Dezibel lauter ist als die Serienausstattung.

Hier haben wir also das erste Problem auf Ebene der EU.

Die nächste Ebene ist die des Bundes, der für die Bundesstraßen zuständig ist. Das heißt, dass die Stadt nicht einfach in die Regelungen der Bundesstraße eingreifen kann. Die Sperrung der Schwarzwaldhochstraße wäre also, einfach gesagt, ohne die Mithilfe des Bundes so gar nicht möglich. Zudem spielen die Unfallzahlen, speziell die der tödlichen, bei Sperrungen eine maßgebliche Rolle. Krass gesagt: Es muss erst noch viel mehr passieren, bevor eine Sperrung in Betracht kommt.

Springen wir nun in die Landesebene. Dort weiß man um die Probleme, sitzt aber, wieder einfach ausgedrückt, zwischen den Stühlen.

Eine Kommune hat kaum die Möglichkeit, restriktiv einzugreifen. Lärmdisplays kosten viel Geld, bringen aber nichts. Die anständigen Biker freuen sich, wenn es beim Vorbeifahren grün blinkt. Die schwarzen Schafe interessiert das überhaupt nicht. Die freuen sich eher, wenn es rot blinkt, ist es doch eine fast schon behördliche Anerkennung, dass der Umbau sich rentiert hat.

Freundliche Beschilderungen sind total wirkungslos. Appelle jeglicher Art werden nicht wahrgenommen.

Es gibt meiner Meinung nach nur zwei Maßnahmen, die helfen. Und das sage ich als ehemaliger Polizeibeamter und Ex-Motorradfahrer.

Der Bund muss die StVZO so ändern, dass diese legalen EU-Zulassungen von lauteren Schalldämpfern nicht mehr möglich ist. Wenn dennoch so ein Teil verbaut ist, erlöscht die Betriebserlaubnis. Das hat den Effekt, dass die Karre stillgelegt werden und erst wieder am Straßenverkehr teilnehmen kann, wenn das Originalteil verbaut ist.

Mit diesem scharfen Schwert ausgestattet, können die Kontrollorgane innerhalb einer Sommersaison einen Großteil der Lärmfreaks von der Straße holen. Wer nicht mit einem ordnungsgemäßen Motorrad unterwegs sein will, soll in Zukunft Dreirad fahren.»


Bild Heinrich Liesen

Statement von Heinrich Liesen, FBB-Stadtrat Baden-Baden:


«Die Innenstadt für Motorräder sperren. Wenn es ‘technisch’ ginge, auch die Durchfahrt durch den Tunnel, die B500 bis zur Abfahrt nach Neuweier für Motorräder sperren. Da aber die schon 1987 geplante westliche Tangente über die Waldseestraße bis zu dieser Abfahrt nach Neuweier (B500) nicht realisiert wurde, geht das nicht. Die Softlösungen (Smiley, 30 km, Blitzer und, und, und) sind vergebliche, z.T. teure Bemühungen. Mit Belehrungen und kleinen Strafen erreicht man hier nichts»


Bild Rolf Pilarski

Statement von Rolf Pilarski, FDP-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat Baden-Baden:


«Ein großer Teil der Motorradfahrer achten auf Umwelt und Lärmvermeidung. Viele fahren seit Jahrzehnten und sind mit ihrem Hobby und der Natur verbunden. Wir sind deshalb gegen pauschale Verurteilungen dieser Gruppe von Verkehrsteilnehmern und wir sind gegen Verbote, die alle – also auch die vernünftige Mehrheit – treffen.

Aber wir verschließen nicht die Augen davor, dass es auch eine andere Seite gibt, unter der Bewohner von beliebten Motorradstrecken leiden. Es gibt laute Motorräder und es gibt unvernünftige Fahrer.

Unseren Beobachtungen zufolge sind es im Stadtgebiet oft Maschinen der Marke Harley Davidson, die durch eine besondere Lärmentwicklung auffallen. Man kann verstehen, dass es Fahrer gibt, die die Motorengeräusche dieser Marke lieben, aber muss man damit dann durch die Flanierstraßen unserer Innenstadt fahren und dabei den Hahn aufdrehen?

Wichtig scheint uns, an die Vernunft aller Fahrer zu appellieren, die Zulassungsvoraussetzungen für laute Motorräder einzuschränken (Zuständigkeit Bundesgesetzgebung) und auch regelmäßige technische Kontrollen in unserer Gemarkung durchzuführen.»


Bild Kurt Hermann

Statement von Kurt Hermann, AfD-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat Baden-Baden:


«Die AfD ist generell gegen Streckensperrungen, da es nicht sein darf, dass Bürger, die mit ihren Steuergeldern ebenso die Infrastruktur mitbezahlen, von der Nutzung dieser ausgesperrt werden. Außerdem lehnen wir eine Kollektivhaftung wegen des Vergehens einzelner ab.

Nicht nur Motorräder sind problematisch, sondern auch PKW. Hier kommt aber niemand auf die Idee von Streckensperrungen.

Bei den Krawallen in den Innenstädten werden auch nicht alle Menschen einer bestimmten Gruppe bestraft, selbst wenn eine noch viel größere Schar von Menschen dieser Gruppe unsere Gesetze und unsere Kultur des Zusammenlebens nicht beachten und respektieren. Wie auch beim Motorradlärm fordern wir eine härtere Bestrafung der Täter und auf keinen Fall eine Kollektivbestrafung. Dies widerspricht unseren rechtsstaatlichen Grundsätzen.

Zur Eindämmung des Motorradlärms muss auf europäischer Ebene die Zulassung von sogenannten Klappen-Auspuffanlagen verboten werden. Bei den technischen Daten von Kraftfahrzeugen soll es einen weiteren Punkt zur Lärmemission geben. Die Begrenzung auf Standgeräusch und Fahrgeräusch bei einer bestimmten Drehzahl sind nicht ausreichend und sollten auf eine maximale Lärmemission erweitert werden.

Auf Landesebene brauchen wir mehr Polizei zur Kontrolle des Verkehrs. Die von Rot-Grün begonnene und von Grün-Schwarz weitergeführte Polizeistrukturreform ist fehlgeschlagen. Die Anzahl der Beamten ist zu niedrig.

Wenn Polizeipräsident Renter davon spricht, dass 60 Überstunden und mehr für die Polizeibeamten ‘normal’ sind, dann zeigt dies das Scheitern der Reform. Das darf keine Normalität sein, auch Polizeibeamte sind Menschen, die nur begrenzt belastungsfähig sind.

Die Polizeigesetze in Baden-Württemberg müssen geändert werden. Polizeibeamte brauchen mehr Kompetenzen, um ihren Dienst versehen zu können. Außerdem sind das Respektspersonen, die tagtäglich für eine schlechte Bezahlung ihr Leben und ihre Gesundheit riskieren.

Wenn dann noch Politiker diese Beamten in die Ecke des Rassismus und des Rechtsextremismus rücken, dann erklären sie diese Beamten als vogelfrei und schüren die Übergriffe auf unsere Polizei. Ein Angriff auf einen Polizeibeamten ist ein Angriff auf den Staat und seine Freiheitlich Demokratische Grundordnung und muss auch als solche geahndet werden.

Motorradfahrer, die mit frisierten Auspuffanlagen unterwegs sind, bewegen ein Fahrzeug ohne gültige ABE im öffentlichen Verkehr. Dieses darf auch konfisziert werden, da es keinen Versicherungsschutz besitzt.

Ich bin selbst Motorradfahrer und ärgere mich über hochfrequente Drehzahlorgien und Klappenanlagen, welche die Lebensqualität unserer Mitbürger völlig unnötig beinträchtigen.»


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