Klausurtagung des Baden-Badener Gemeinderats

Stadtverwaltung will Baden-Baden in die Zukunft führen - Stadtrat Ernst vermisst Auseinandersetzung mit "eigentlichen Problemfeldern"

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goodnews4-O-TON-Interview von Nadja Milke mit Martin Ernst

Baden-Baden, 15.03.2018, 00:00 Uhr, Bericht: Christian Frietsch Ende letzter Woche trafen sich Vertreter der Baden-Badener Stadtverwaltung zu einer Klausursitzung. Auch die rechtlich zur Stadtverwaltung gehörenden 40 Gemeinderäte waren zu dieser Sitzung inklusive einer Übernachtung von Freitag auf Samstag nach Gengenbach eingeladen. Es sollten Weichen bis ins Jahr 2030 gestellt werden. Eine Veröffentlichung der Stadtverwaltung zu den Ergebnissen der zukunftsweisenden Sitzung liegt zur Stunde nicht vor. Im goodnews4-O-TON-Interview schildert Stadtrat und Klausurteilnehmer Martin Ernst seine Eindrücke zu der Sitzung.

Nach der Sommerpause soll der Gemeinderat den fortgeschriebenen Stadtentwicklungsplan «Baden-Baden 2020» wiederum auf 2030 fortschreiben. «Am letzten Wochenende wurden an beiden Klausurtagen jeweils vier Themenschwerpunkte in wechselnden Gruppen diskutiert», sagte Martin Ernst zur Methode der wegweisenden Klausur für Baden-Baden und seine Bürger. Bei den diskutierten Themen vermisste Martin Ernst jedoch die Auseinandersetzung mit den «eigentlichen Problemfeldern». Dazu zählt der FBB-Stadtrat die Bebauung der Areale SWR und Vincenti. Dort sollen insgesamt ehere hundert Wohnungen entstehen. Auch das inzwischen fertiggestellte Familienquartier neben dem Tausendfüßler und das dort diskutierten Thema der Feinstaubbelastung seien nicht Gegenstand dieser Klausurtagung gewesen. Auch der Altersarmutsbericht und die Verlagerung sozial schwächerer Bevölkerungsgruppen in die Weststadt oder nach Baden-Oos seien nicht diskutiert worden. Über die Schaffung attraktiver Arbeitsplätze in der Stadt sei nicht diskutiert worden.

Martin Ernst empfiehlt über das Format der Klausurtagungen dieser Art nachzudenken und schlägt vor, dass man für die «Zukunft den Ansatz gänzlich ändern und die einzelnen Stadträte spinnen lassen» solle «wie sie ihre Stadt losgelöst von irgendwelchen Zwängen und Vorgaben weiterentwickeln wollen». Von 40 visionäre Gedankenvorstellungen, sollten jene drei Vorschläge ausgewählt werden, die am ehesten eine Realisierungschance hätten. «Wenn man von diesen drei Visionen dann in den nächsten zehn Jahren eine tatsächlich umsetzt, hätte man Großes für die Stadt erreicht», glaubt der für den Baden-Badener Gemeinderat vermutlich zu experimentierfreudige Stadtrat.


Abschrift des goodnews4-O-TON-Interviews mit Martin Ernst:

goodnews4: Die Stadträte und die Rathausführung haben sich zu einer Klausurtagung zusammengefunden, um bis ins Jahr 2030 zu blicken. Gab es auch einen Bericht, was von «Baden-Baden 2020» seit 2007 erreicht wurde?

Martin Ernst: Es gab einen mündlichen Bericht, was aus Sicht der Stadt bereits alles auf den Weg gebracht wurde. Die eigentlichen Problemfelder, wie die Bebauung der Areale SWR, Vincenti und unter dem Tausendfüßler sowie weitere Themen wie Feinstaubbelastung, waren alle nicht Gegenstand dieser Klausurtagung.

goodnews4: Eine kritische Analyse gab es nicht?

Martin Ernst: Das gab es nicht. Es war allerdings so, dass über eine Quartiersbelastung gesprochen wurde und zwar in einem Schwerpunktthema an einem dieser beiden Tage. Diskutiert wurde darüber, wie eine ideale Quartiersentwicklung in sozialer Hinsicht in Zukunft aussehen sollte.

goodnews4: Die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED-Technik, die Öffnung des Obstguts Leisberg sind löblich, doch müsste nicht die Entscheidung für Hunderte von Luxuswohnungen auf dem Prüfstand stehen? Wurde über das SWR-Projekt und das Vincentius-Projekt kritisch diskutiert?

Martin Ernst: Beide Projekte kamen nicht vor, der Blick ging nicht zurück, sondern die Themen wurden seitens der Verwaltung vorgegeben.

goodnews4: Welche Themen waren das?

Martin Ernst: Zum Beispiel wie eine Quartiersbelastung aussehen könnte, wie man soziales Miteinander fördern könnte. In diese Richtung gingen diese Themen.

goodnews4: Wie wichtig ist die Schaffung von attraktiven Arbeitsplätzen, gab es dazu eine strategisch orientierte Diskussion?

Martin Ernst: Darüber wurde nicht gesprochen.

goodnews4: Die demographische Entwicklung ist bekannt. Der Altersarmutsbericht ebenso. Die armen Menschen inklusive die Alten werden in die Weststadt oder nach Baden-Oos verlagert, ebenso die Normalverdiener-Familien wurde diese Entwicklung diskutiert?

Martin Ernst: Auch diese Entwicklung wurde nicht diskutiert.

goodnews4: Dann machen wir es doch mal andersherum − über was wurde denn gesprochen und was ist Ihr Fazit der Klausurtagung?

Martin Ernst: Bereits vor zwei Jahren waren wir ja schon einmal bei einer Klausurtagung, auch dort wurden einige Ideen geboren. Ich weiß heute nicht mehr welche und mir fällt auch bei langem Nachdenken keine Idee ein, die wir bis heute umgesetzt haben. Am letzten Wochenende wurden an beiden Klausurtagen jeweils vier Themenschwerpunkte in wechselnden Gruppen diskutiert. Vorgabe des ganzen Denkens sind die Denkschemata der Verwaltung, Visionen haben da keinen Platz. Zudem gab es zu jedem Themenschwerpunkt von der Stadtverwaltung bereits vorgegebene Fragestellungen. Vielleicht sollte man für die Zukunft den Ansatz gänzlich ändern und die einzelnen Stadträte spinnen lassen wie sie ihre Stadt losgelöst von irgendwelchen Zwängen und Vorgaben weiterentwickeln wollen. Dann hätte man 40 visionäre Gedankenvorstellungen, von diesen 40 Visionen wählt man drei aus, die am ehesten noch eine Realisierungschance haben. Wenn man von diesen drei Visionen dann in den nächsten zehn Jahren eine tatsächlich umsetzt, hätte man Großes für die Stadt erreicht.

goodnews4: Meinen Sie man traut den Stadträten so ein visionäres Denken vielleicht nicht zu und deshalb die vielen Vorgaben?

Martin Ernst: Nach dem wie die Klausurtagungen und Sitzungen aufgebaut sind, muss man zu diesem Ergebnis kommen.

goodnews4: Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Nadja Milke für goodnews4.de

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