Trauer um CDU-Politiker
Zum Tod von Wolfgang Schäuble – „In Baden-Baden hat sich die russische Elite lieber aufgehalten als in den Weiten in Sibirien“

Baden-Baden, 27.12.2023, 12:00 Uhr, Bericht: Redaktion Wolfgang Schäuble war weder Bundeskanzler noch Bundespräsident, ansonsten hatte er höchste Staatsämter inne und ist verantwortlich für den zweiten deutschen Staatsvertrag vom 1. August 1990 zwischen der BRD und der DDR. In Berlin gehörte er im Bundestag bis zu seinem Tod gestern Abend, am 26. Dezember 2023, zu den wenigen politisch-philosophischen Denkern.
Seit einem Anschlag im Oktober 1990 saß Wolfgang Schäuble im Rollstuhl. Eine seiner ersten Reden hielt er danach als Audio-Botschaft für die Veranstaltung «Ja zu Strasbourg», die im Kurhaus Baden-Baden im Januar 1991 stattfand. In seinem schon 1994 erschienenen Buch «Und der Zukunft zugewandt» beklagte er «die saturierte, individualisierte und lethargische Befindlichkeit» der Bundesbürger und forderte eine Rückbesinnung zu gemeinschaftsorientierten Werten.
Der in Freiburg geborene und in der Ortenau aufgewachsene Wolfgang Schäuble hatte auch eine enge Verbindung zu Baden-Baden. Lange war er auch in den Gremien für das Festspielhaus aktiv. Im Brenners Park-Hotel traf er sich regelmäßig mit Pierre Pflimlin, was auch zur Tradition des Pierre Pflimlin Symposiums führte. Für das Buch «Zeitenwende» des Moritz Schauenburg Verlags führte Christian Frietsch 1999 ein Interview mit Wolfgang Schäuble zur bevorstehenden Jahrtausendwende.

Christian Frietsch und Wolfgang Schäuble 1999.
Auszug aus dem Buch «Zeitenwende, Christian Frietsch sprach mit Wolfgang Schäuble». Der damalige CDU-Vorsitzende hatte zur Rolle Deutschlands im Verhältnis zu den USA und zu Europa eine fest gefügte Vorstellung: «Von ein paar Spinnern abgesehen, sehe ich eigentlich niemanden in Deutschland, der die Orientierung, die Einfügung und das Verständnis von Europa als Teil der westlichen Welt durch altes Denken mit dem Zug nach Osten ersetzen will, denn das ist nun überhaupt nicht das Lebensgefühl der Deutschen. Es geht da um etwas ganz anderes.
Es geht darum, dass der Osten, also das, was wir als Osten bezeichnet haben, eigentlich ohnehin ein Teil Europas ist. Der von uns sogenannte Osten hat sich übrigens gegen diese Zuordnung gewehrt. Die Tschechen oder die Polen werden fuchsteufelswild, wenn man sie als Osteuropäer bezeichnet. Sie empfinden sich als Mitteleuropäer. In Prag ist immerhin die älteste deutsche Universität, also das ist nicht Osten. Und mit Polen ist es ähnlich. Nein, die wollen ja zum Westen gehören - Russland übrigens auch. Das ist übrigens gar nicht neu. In unserer engeren Heimat, in Baden-Baden, hat sich im 19. Jahrhundert die russische Elite lieber aufgehalten als in den Weiten Sibiriens, um es einmal so zu sagen.»
goodnews4.de sendet in den nächsten Tagen eine Interview-Serie zu Wolfgang Schäuble.
Wolfgang Schäuble
Geboren am 18. September 1942 in Freiburg; evangelisch; verheiratet, vier Kinder Gestorben am 26. Dezember 2023
Wolfgang Schäuble wurde am 18. September 1942 in Freiburg geboren. Er war evangelisch, verheiratet und hatte vier Kinder. Schäuble studierte Rechts- und Wirtschaftswissenschaften und promovierte 1971 zum Dr. jur. Seit 1972 war Schäuble Mitglied des Deutschen Bundestages, von 1981 bis 1984 als Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Anschließend war er Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes, bevor er von 1989 bis 1991 Bundesminister des Innern wurde. Von 1989 bis 2021 war Schäuble Mitglied im Bundesvorstand der CDU. Von 1991 bis 2000 war er Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ab 1998 zudem Bundesvorsitzender der CDU. Seither und ebenfalls bis 2021 war er Mitglied im Präsidium der CDU Deutschlands. Ab 2002 war Schäuble stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Außen-, Sicherheits- und Europapolitik, bevor er 2005 erneut zum Bundesminister des Innern ernannt wurde. Von 2009 bis 2017 war er Bundesminister der Finanzen und anschließend bis 2021 Präsident des Deutschen Bundestages.
Quelle: www.wolfgang-schaeuble.de
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