65 Jahre Baden-Württemberg

Badische Landesvereinigung wirft Stuttgart vor Baden zu benachteiligen - Robert Mürb: "In Kultur, Schulausbau, Straßenbau, Krankenhausbau ein Drittel für Baden und zwei Drittel für Württemberg"

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goodnews4-O-TON-Interview von Nadja Milke mit Robert Mürb

Baden-Baden, 04.05.2017, 00:00 Uhr, Bericht: Christian Frietsch 51,6 Prozent der Badener stimmten im Jahr 1951 bei der Volksabstimmung gegen die Bildung des Landes Baden-Württemberg. Ein unzulässiger Verfahrenstrick der Stuttgarter Politiker manipulierte den Willen des badischen Volkes, fanden auch die angerufenen Richter beim Bundesverfassungsgericht. Jahrelang wurde die auferlegte eine neue Abstimmung bis 1970 verzögert. Bis dahin hatten die Badener ihren Patriotismus verloren und stimmen für Baden-Württemberg.

Lange schwelte die Baden-Frage dennoch weiter, vor allem wegen mancher einseitigen Begünstigung zu Gunsten des Landesteils Württemberg. Zuletzt in den späten neunziger Jahren die Zerschlagung der Badischen Landesbausparkasse, des SWF und anderer Einrichtungen am Standort Baden. Für Robert Mürb, den aus Baden-Baden stammenden Professor und seiner «Landesvereinigung Baden in Europa» gibt es immer noch allen Grund, den Stuttgarter Politkern auf die Finger zu schauen.

Nach der Analyse von Robert Mürb und seiner mehrere tausend Mitglieder zählenden Landesvereingung ist bei den Landessteuern das Aufkommen der Steuereinnahmen in Baden höher als in Württemberg. Sollte die Rechnung der Landesvereinigung Baden und deren Vorsitzenden zutreffen, ist der Vorwurf von Robert Mürb ein harter Tobak für die friedfertigen Badener. «Bei den Kultureinrichtungen wurden in den Jahren 2001 bis 2016 an Baukosten in Württemberg 198 Millionen ausgegeben, dagegen in Baden nur 73 Millionen.» Insgesamt habe die Landesvereinigung Baden in Europa auch ermittelt, «dass es nicht nur in der Kultur, sondern auch beim Schulausbau, beim Straßenbau, beim Krankenhausbau» immer etwa ein Verhältnis von einem Drittel für Baden und zwei Dritteln für Württemberg gebe.


Abschrift des goodnews4-O-TON-Interviews mit Robert Mürb:

goodnews4: In einer aktuellen Analyse stellt die Landesvereinigung Baden in Europa fest, dass der Landesteil Baden mehr Geld in die Steuerkasse bringt als der Landesteil Württemberg, haben wir das richtig verstanden?

Robert Mürb: So ist es, ja. Nachdem uns dann bekannt war, dass die Steuereinnahmen der Gemeinden in Baden eben gleich hoch sind wie in Württemberg, haben wir inzwischen festgestellt, dass bei den Landessteuern das Aufkommen der Steuereinnahmen in Baden sogar etwas höher ist als in Württemberg.

goodnews4: Wie sind die konkreten Zahlen. Wie viel Geld fließt aus Baden?

Robert Mürb: Das kann ich Ihnen sagen. Im Jahr 2015 waren es im Regierungsbezirk Karlsruhe und in Freiburg zusammen 522.968.000 Euro. Das sind 45,62 Prozent der Gesamteinnahmen des Landes Baden-Württemberg und der Rest ist eben in Württemberg eingenommen worden. In den Einnahmen von Steuern in Württemberg sind auch die Steuern der Mitarbeiter des Landes, die in Baden tätig und beheimatet sind, wie Polizei, Schulen, Hochschulen, beinhaltet, die von Fachleuten auf ein bis zwei Milliarden geschätzt werden.

goodnews4: Ihr Landesverband verlangt von der Landesregierung die Rücknahme von Streichungen von Kultur-Budgets in Baden. Was tut Ihnen da besonders weh?

Robert Mürb: Ja, also wir sind der Meinung, dass gerade bei den Kultureinrichtungen, zum Beispiel in den Jahren 2001 bis 2016, an Baukosten in Württemberg 198 Millionen ausgegeben wurden, dagegen in Baden nur 73 Millionen und wir können insgesamt feststellen, dass es also nicht nur in der Kultur, sondern auch beim Schulausbau, beim Straßenbau, beim Krankenhausbau, immer etwa das Verhältnis ein Drittel Baden, zwei Drittel in Baden-Württemberg ist. Das ist absolut nicht gerechtfertigt, nachdem die Steuereinnahmen, wie gesagt, in Baden sogar etwas höher sind. Wir finanzieren also ständig württembergische Einrichtungen mit und es wird so getan von der Landesregierung, als ob Baden Almosen bekommt und das ist eben nicht hinnehmbar.

goodnews4: Schon in der zweiten Legislatur ist der grüne Winfried Kretschmann am Ruder. Hat sich dies auf eine gerechtere Politik für die Landesteile und Regionen ausgewirkt?

Robert Mürb: Das hatten wir gehofft, aber dies ist leider nicht eingetreten. Der Ministerpräsident sagt zu uns, wir haben völlig Recht, er ist auch kein Zentralist, sondern er ist dafür, dass dezentralisiert wird, aber in Wahrheit geschieht gerade das Gegenteil. So wurden also, zum Beispiel, unter seiner Regierung die Regierungspräsidien in Freiburg und Karlsruhe erleichtert durch die Wegnahme der Denkmalpflege. Es wurde mir gesagt, dass in Baden fast keine Denkmalpflege seither mehr stattfindet, weil dies zentralisiert ist im Regierungspräsidium in Stuttgart. Der Weg von der Außenstelle Esslingen, dort sitzt nämlich Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Stuttgart, der Weg insbesondere nach Freiburg sehr weit ist und auch nach Karlsruhe eben auch über den Berg ein ganzes Stück des Weges ist. Das gilt genauso für die Warenkontrolle, die in Freiburg und Karlsruhe weggenommen wurde und heute in Tübingen zentralisiert ist. Als uns auf unseren Protest hin dann versprochen wurde, dass zum Beispiel der Wasserbau entweder nach Freiburg oder nach Karlsruhe kommt, das ist also der Ausbau des Rheins und so weiter, was ja an sich auch ganz vernünftig wäre, aber dann wurde das nicht gemacht, wofür wir dann wieder Verständnis haben − wir sind ja keine Zentralisten − das hat man bei den Regierungspräsidien in Württemberg gelassen. In Württemberg soll ja auch über den Neckar entschieden werden und in Baden über den Rhein. Das ist also völlig normal, aber so muss es auch beim Denkmalschutz sein. Die badischen Denkmale werden natürlich sehr viel leichter von Karlsruhe und Freiburg aus erhalten, als eben wie gesagt von Esslingen.

goodnews4: Wenn Sie vor der Wahl stehen: Ist für die Badener ein Grüner Kretschmann oder ein schwarzer Strobl als Ministerpräsident vorteilhafter?

Robert Mürb: Da will ich mir jetzt kein Urteil erlauben. Wir haben mit beiden Gespräche angemeldet und bis jetzt waren sie noch nicht bereit für ein Gespräch. Insofern habe ich den Eindruck, dass beide eben doch sehr stark württembergisch denken und der badische Landesteil ihnen nicht gleichwertig wichtig ist.

goodnews4: Wo sehen Sie denn mehr politische Sensibilität nötig in Baden-Württemberg?

Robert Mürb: Gestern waren es 65 Jahre, dass das Land Baden-Württemberg ausgerufen wurde − und zwar zu unrecht. Denn damals hat ja das Bundesverfassungsgericht danach festgestellt, dass der Wille des Volkes überspielt wurde, vornehm ausgedrückt. Man hat also die Badener über den Tisch gezogen und dann dauerte es bis 1970 zu einer neuen Abstimmung und wir sind eben der Meinung, dass man inzwischen doch wirklich erweisen hätte können, dass die Badener genauso zufrieden sind wie die Württemberger. In Württemberg heißt es immer: Das ist die gelungenste Fusion von zwei Ländern. Wir wundern uns nicht mehr, wenn wir uns die Zahlen anschauen, wenn Württemberg das Geld in der Hauptsache in Württemberg investiert und eben auch den Teil von Baden dazu in Württemberg investiert und in Baden sträflich Investitionen vernachlässigt, also praktisch uns Steuermittel wegnimmt, dann ist natürlich die Zufriedenheit in Württemberg sehr groß, aber die Unzufriedenheit in Baden wächst sehr und wir überlegen uns wirklich, dass wir jetzt entsprechende Schritte einleiten. Wir haben uns schon überlegt, ob wir nicht beim Staatsgerichtshof anrufen, damit er die Ungerechtigkeit endgültig abstellt. Zumal das ein Verstoß gegen das Grundgesetz des Landes Baden-Württemberg ist, denn dort heißt es ja, dass gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilen des Landes herzustellen sind und da sind wir also weit davon entfernt.

Das Interview führte Nadja Milke für goodnews4.de.

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