Demo „Wir für das Grundgesetz“ in Baden-Baden

Demo-Rede von Ruben Schuster – „Alle Demonstranten als Verschwörungstheoretiker, Rechtsradikale oder sogar als Antisemiten betitelt“

Demo-Rede von Ruben Schuster – „Alle Demonstranten als Verschwörungstheoretiker, Rechtsradikale oder sogar als Antisemiten betitelt“
Ruben Schuster während seiner Rede am vergangenen Samstag. Foto: „Wir für das Grundgesetz – Baden-Baden“

Baden-Baden, 05.06.2020, Bericht: Redaktion Bei der Demonstration «Wir für das Grundgesetz» am vergangenen Samstag war der Baden-Badener Ruben Schuster als Gastredner eingeladen.

Ruben Schuster ist Miglied der FDP und ehemaliges Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde in Baden-Baden. Auch morgen soll auf dem Augustaplatz ab 15.30 wieder gegen die Einschränkungen durch die Corona-Maßnahmen demonstriert werden. Anschließende führt ein Demonstrationszug ürt über den Leopoldsplatz und die obere Sophienstraße bis zum Willi-Brandt-Platz. Danach geht es die gleiche Strecke zurück an den Augustaplatz.

Das Manuskript zur Rede von Ruben Schuster im Wortlaut:

Sehr geehrte Mitbürger und Mitbürgerinnen,

Ich bin dankbar und froh darüber, dass wir uns wie jeden Samstag hier so zahlreich versammeln können.

Ich möchte mich vorweg bei der Stadt Baden-Baden und bei der Polizei Baden-Baden bedanken, welche es heute ermöglichen, unser Recht auf Versammlungsfreiheit friedlich auszuüben.

Ich bedanke mich zudem auch bei Organisatorin Frau Mariane Schmidt, welche diese Demonstrationen organisiert hat.

Kurz zu meiner Person:

Mein Name ist Ruben Schuster. Ich bin in der Stadt Sankt-Petersburg in Russland geboren. Damals hieß die Stadt Leningrad und das Land war die Sowjetunion. Ich lebe seit 27 Jahren in Deutschland und seit 20 Jahren wohne ich mit meiner Familie in Baden-Baden.

Ich wiederhole noch Mal und das ist sehr wichtig, zu betonen! Dass diese Demonstration offiziell von der Stadt Baden-Baden genehmigt ist und alle Vorschriften vom Infektionsschutzgesetz erfüllt.

Das ist schon die fünfte Demonstration und alle fünf liefen und werden in Zukunft unter dem Motto «Wir für das Grundgesetz» laufen.

Baden-Baden soll ein Beispiel für Frieden und Solidarität sein, um gemeinsam die bisher beispielhafte Demokratie zu schützen.

Ich lese nochmal einen Teil der Pressemitteilung von der Organisatorin Frau Mariane Schmidt vor, welche die Ziele für diese Versammlungen unter dem Motto «Wir für die Grundrechte – Baden-Baden», definiert hat.

Die gegenwärtige politische und wirtschaftliche Situation spaltet die Meinungen und damit die Menschen. Viele verstehen die Maßnahmen nicht mehr, können die Argumente nicht mehr nachvollziehen und finden die Antworten der Medien und Politiker als unzureichend und nicht vollständig.

Wir sehen, dass durch die Pandemie-Maßnahmen die Grundrechte eingeschränkt waren, insbesondere die persönlichen Freiheitsrechte, Versammlungsfreiheit, Berufsfreiheit und besonders Meinungsfreiheit.

Nach unserem Gefühl ist die Meinungsfreiheit insofern eingeschränkt, dass Meinungen und Fragen nicht mehr vorurteilsfrei und teilweise nicht ohne Folgen geäußert werden können.

Menschen schweigen aus Angst vor Repression am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis, oder schlicht davor, in radikale politische Lager abgeschoben zu werden.

Für uns ist wichtig darauf hinzuweisen, dass das Grundgesetz und die Grundrechte aller Bürger unverletzlich sind.

Die Folgen spüren wir nicht nur wirtschaftlich, sondern sozial auch im Umgang der Menschen untereinander.

Ich möchte Ihnen erklären, wieso ich heute hier stehe und was ich Ihnen zu sagen habe.

Vor zwei Monaten, Mitte März, war für mich die Welt noch absolut in Ordnung und ich habe mir keine Gedanken gemacht, dass die Situation innerhalb von zwei Monaten sich so radikal verändern kann.

Die Situation, welche sich hier in diesem Land abspielt, hat mich an meine Jugend und Kindheit in der Sowjetunion erinnert.

Das bedeutet nicht, dass ich in meiner Kindheit und Jugend nicht glücklich war und das Leben nicht genießen konnte. Aber ich kann im Nachhinein behaupten, dass ich damals in einer Umgebung gelebt habe mit vielen politischen Einschränkungen. Menschen konnten ihre Meinung nicht frei äußern, da dies eine Gefahr für einen selber und die eigene Familie war.

Ich konnte es in meiner eigenen Familie erleben und habe als Kind und Jugendlicher einen anderen Blickwinkel gehabt. Damals konnte ich vieles nicht verstehen und wurde von meinen Eltern und Großeltern verschont, um in einem möglichen Paradies zu leben.

Die Menschen, welche ihre Meinung frei geäußert haben, haben ihre Arbeit verloren, wurden politisch verfolgt, ruiniert, verhaftet und anschließend in Gefängnisse oder Psychiatrische Kliniken eingesperrt.

Ich muss dazu sagen, dass es in der damaligen Sowjetunion ein Grundgesetz existiert hat, dieses hieß Konstituzija, in welchem schwarz auf weiß stand, dass uns Bürgern natürlich die Grundrechte zustehen. In Realität hat sich das Gegenteil erwiesen.

Fast alle Menschen in der Sowjetunion haben damals die Spielregeln der Politik verstanden und hatten wirklich Angst sich frei zu äußern. Ich sage fast alle, weil es selbstverständlich Menschen gab, welche versucht haben, ihre Rechte einzufordern. Aus Angst vor Konsequenzen hat sich eine große Mehrheit der Bürger an diese Spielregeln gehalten und damit abgefunden.

Warum ich Ihnen das alles erzähle, obwohl die Situation derzeit in Deutschland noch nicht so akut ist? Ich wollte Ihnen die Fakten und meine eigene Erfahrung und Gefühle nennen.

Was mich nachdenklich macht ist die öffentliche Presse, die ich zurzeit lese.

Wenn ich friedliche Demonstrationen aus verschiedenen deutschen Städten live per Internet verfolge, mit einem Motto wie «Querdenker für Grundrechte», lese ich anschließend in öffentlichen Medien, dass ALLE Demonstranten als Verschwörungstheoretiker, Rechtsradikale oder sogar als Antisemiten betitelt werden, dann kommen bei mir die Gefühle hoch, welche meine Eltern und Großeltern in dem damaligen Regime hatten.

Noch schlimmer finde ich, dass die Presse ausschließlich einseitige Berichterstattung veröffentlicht und keine andere Meinung oder sogar Fragestellung zulässt.

Das erinnert mich wieder an die sowjetischen Zeiten, als mein Vater die westlichen Radiosender wie Radio Swoboda und Radio BBC gehört hat und mir im Geheimen erzählte, was die Westlichen Medien berichten. Das war nicht verboten, aber von der Russischen Propaganda auch nicht toleriert.

Um eine Parallele zu damaligen Zeiten vor 40 Jahren zu schließen, als ich noch Jugendlicher war. Mein Vater und Ich haben damals die westlichen Radiosender gehört, um ein bisschen mehr zu erfahren, als nur über die Propagandakanäle der Presse.

Aber heute im Jahr 2020 bin ich auch dazu gezwungen, meine Nachrichtenberichterstattung nicht nur über die öffentlichen Medien, sondern auch wie damals in sowjetischen Zeiten, über freie Journalisten und freie Medien zu bekommen. Das ist nur meine persönliche Meinung.

Und noch was:

Wenn ich sehe, wie ein veganer Koch, der seine Lebensmittel und Produkte in Lebensmittelketten noch vor zwei Monaten erfolgreich verkauft hat und für viele damit eine Bereicherung war, bin ich entsetzt, wie er heute behandelt wird.

Nachdem er nur die Fragen stellt und eine andere Meinung äußert, werden als Folge dessen Verträge von allen Lebensmittelketten gekündigt und seine Ware wurde aus dem Sortiment entfernt.

Das erinnert mich erneut nicht nur an die sowjetische, sondern auch an die jüdische Vergangenheit, als Geschäfte von jüdischen Mitbürgern gekennzeichnet wurden und es verboten war, in diesen Geschäften einzukaufen, ohne Konsequenzen zu verspüren.

Und dieses Schicksal spielte sich leider vor über 80 Jahren, auch hier in Baden-Baden ab.

Einige Worte noch zur Impfpflicht:

Bei vielen Querdenker-Demonstrationen wurden Demonstranten nicht nur als Verschwörungstheoretiker bezeichnet und erniedrigt, sondern auch als Impfgegner oder Impfkritiker betitelt. Und diese Aussage ist ebenfalls nicht richtig und entspricht nicht der Wahrheit.

Impfungen sind Teil vom Gesundheitssystem, aber es wird nur in Frage gestellt, ob eine weitreichende Impfpflicht für alle Bürger per Gesetz notwendig ist und ob Bürger nicht als Menschen zweiter Klasse abgestempelt werden, wenn diese Bürger sich nicht impfen lassen.

Folglich können Einschränkungen folgen, wie eventuell nicht in den Kindergärten oder Schulen gehen zu dürfen, Arbeiten aus zu üben oder auch keinen internationalen Urlaub machen zu dürfen.

Und das sind die Ängste einiger Mitbürger, die ich nachvollziehen kann.

Diese Situation erinnert mich wieder an die Sowjetunion, nicht unbedingt in Hinsicht auf die Impfpflicht, sondern auf die freie Meinungsäußerung und Einschränkungen der Grundrechte.

Wir sind tatsächlich nun in einer wirtschaftlichen und sozialen Krise, welches in dem Ausmaß seit dem zweiten Weltkrieg noch nicht gab.

Wir leben in einem demokratischen Land und bei uns gilt noch das Grundgesetz und die Grundrechte werden vom Staat garantiert.

Nur zu sagen, dass wir in einer Demokratie leben möchten, aber Angst haben, unsere Meinung zu sagen, ohne verurteilt zu werden, führt leider langfristig zu einer Diktatur, wie die Vergangenheit uns das mehrmals gezeigt hat.

Aber wie man so schön sagt: die Medaille hat immer zwei Seiten.

Die Krisen brauchen wir, um einiges im Leben zu verstehen und zu hinterfragen, was tatsächlich in unserem Leben wichtig ist. In so einer Situation, die wir jetzt haben, kann jeder selber für sich entscheiden, welche Ziele und welche Werte einem im Leben wichtig sind und für welche Werte man auch einsteht.

Ich möchte damit meine Rede mit einem Zitat aus der jüdischen Lehre Talmud beenden. Welches sicherlich nicht nur für einen Menschen gilt, sondern auch die Gültigkeit für Völker, Länder und unsere Welt hat.

Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.

Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Anwesenheit.


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