Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ - Altes Synagogen-Grundstück Stephanienstraße Baden-Baden - „Die religiösen Vorschriften (Halacha) beim Verkauf eines heiligen Orts“

Baden-Baden, 13.09.2018, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Alfred Jacoby Stellung zu dem goodnews4-Bericht FBB-Stadtrat Martin Ernst bedauert fehlende Gesprächsbereitschaft mit den Juden − «Man muss nach den Gründen forschen, warum dies so ist».

Ihren Artikel von Herrn Ernst wegen der Alten Synagoge in Baden-Baden habe ich gelesen.

Als jüdischer Architekt und Synagogenbauer bin ich mit dem Problem des Überbauens eines früheren Synagogengrundstücks vertraut. (z.B. in Aachen). Dabei war die Folgenutzug immer wesentlich.

Was die Veräußerung solcher Grundstücke in den 1950er Jahren (bzw. davor) betrifft, so waren dies oft Verkäufe «mangels Bedarf». Aus dem Buch «Juden in Deutschland nach 1945» von Prof J. Brenner, kann man die Situation der 50er Jahre nachlesen. Dort wird beschrieben, wie man damals glaubte, dass ein aktives Judentum in Deutschland nicht wieder neu entstehen würde.

Viele Gemeinden hatten damals in ihren Satzungen als Hauptaufgabe festgelegt, dass die Verpflichtung der Gemeinde(n) darin bestand, ihren Mitgliedern dabei zu helfen auszuwandern (z.B. Jüd. Gemeinde Darmstadt). Dadurch kam es oft zu Verkäufen von alten Synagogen-Grundstücken, auf denen 1938 die Gebäude zerstört und danach abgerissen wurden. Sinn solcher (Nachkriegs-)Verkäufe war es, für die satzungsmäßigen Aufgaben die dringend benötigte Mittel zu erhalten. Schließlich waren bis zum Beginn der Wiedergutmachungszahlungen (ab 1956 ) viele der Gemeindemitglieder hilfsbedürftig.

Auch in Baden Baden gab es wohl 1953 keine Gemeinde mit einer nennenswerten Zahl von Mitgliedern mehr.

Auf jüdischer Seite haben die in für den Verkauf verantwortlichen Personen Synagogenareals in Baden Baden den Käufern die Auflage gemacht, das angekaufte Grundstück nicht profan zu nutzen. Das ist aus zweierlei Blickwinkeln verständlich:

Es zeigt einerseits, dass man mit dem Verkauf nicht weiter daran dachte es irgendwann selbst nutzen zu können («mangels Bedarf»).Andererseits war es den Verkäufern genauso wichtig, die religiösen Vorschriften (Halacha) beim Verkauf eines heiligen Orts zu beachten. Nach der Zerstörung des Salomonischen Tempels in Jerusalem durch die Römer 70 n. Chr. wird eine Synagoge immer als «kleiner Tempel» verstanden. Daher ist der Ort, wo eine Synagoge stand, für immer geheiligt.

Man darf darauf nichts Profanes bauen. Das war nach dem Krieg nicht immer so: Liest man das Buch von Thea Altaras über die Landsynagogen in Hessen, so findet man heraus, dass in den Dörfern Synagogengebäude auch nach der NS Zeit noch abgerissen wurden. Die Lieblings-Folgenutzung waren Wohnungen oder Feuerwehrhäuser. Das war möglich, da es das sog. «Landjudentum» nach 1945 nicht mehr gab.

Genau diese Vorkommnisse wollte man 1953 in Baden-Baden verhindern. Und weil man das heute alles weiss und die Heiligkeit des Orts für immer gilt, ist es schwer das von uns aus zu ändern.

Mit freundlichen Grüßen
Prof. Alfred Jacoby
Vors. Jüdische Gemeinde Offenbach/M


Wenn Sie auch einen Leserbrief an die Redaktion senden möchten, nutzen Sie bitte diese E-Mail-Adresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

In Ausnahmefällen veröffentlicht goodnews4.de Leserbriefe auch unter einem Pseudonym. Die tatsächliche Identität des Verfassers ist goodnews4.de in jedem Fall bekannt.

PDF «Spielregeln» für Leserbriefe an goodnews4.de


Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.