Leserbrief

Leserbrief Meine Meinung – „Bauprobleme in Baden-Baden“ und „Geschichten in Berlin“

Baden-Baden, 27.01.2023, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Wolfgang Holstein Stellung zu dem goodnews4-Bericht Ist gegen die Bau-Lobby in Baden-Baden ein Kraut gewachsen? – Wolfgang Niedermeyer blickt auf 12 Jahre als Stadtbildchef zurück.

In einem Interview der goodnews4 vom 18.1. mit dem Vorsitzenden des Vereins Stadtbild Baden-Baden Wolfgang Niedermeyer hat die Redakteurin u.a. festgestellt, dass viele zwischenzeitlich erfolgte Maßnahmen zur Eindämmung des Spekulantentums und speziell der Bau von Flachdächern wohl zu spät kommen, weil ohnehin kaum noch freie Baugrundstücke in Baden-Baden vorhanden seien.

Dabei hat sie aber nicht mit dem Erfindungsreichtum der Baulöwen gerechnet. So hat ein Mitglied der Baumafia wahrscheinlich zufällig ein Buch aus der Reihe «Zille sein Milljöh» in die Hand bekommen und aus den Geschichten in Berlin um die Jahrhundertwende des vorigen Jahrhunderts ist ihm im «Einvernehmen» mit der Baubehörde die Idee erwachsen, man könnte doch auch in Baden-Baden «1. und 2. Höfe» kreieren indem man hinter die Häuser an der Straße parallel dazu weitere Häuser baut (Beispiel Stephanienstraße und Rheinstraße), die dann mit den Vorderhäusern durch Höfe verbunden sind. Entsprechende Architektur vorausgesetzt könnte man die ruhigen, sonnigen oberen Wohnungen für die Gutbetuchten vorhalten und die lauten und schattigen Wohnungen an der Straßenfront und im unteren Bereich als Sozialwohnungen ausweisen. So wie es eben im Berlin um die Jahrhundertwende des vorigen Jahrhunderts der Fall war und von Zille hervorragend illustriert dargestellt wurde.

 

Aber auch die Bebauung der letzten natürlichen Freiflächen (aktuell in Lichtental) ist Ziel einer völlig verfehlten Baupolitik, die offensichtlich eine Bauverdichtung anstrebt (siehe oben), mit dem Erfolg, dass auch noch die letzten Grünflächen verschwinden. Aber in Baden-Baden ist ja vieles möglich und man muss sich als Investor nur einen Einheimischen suchen, der als vorgeschobener Strohmann über die richtigen Verbindungen zu den Entscheidern verfügt und schon passt es. Aber die extrem dichte Bebauung mit angeblichen Luxuswohnungen wie z.B. in der Seelachstraße wo ebenfalls erhebliche Einschnitte in die natürliche Geometrie der Landschaft vorgenommen werden kann auch nicht im Interesse der künftigen Bewohner liegen, die den Balkon des Nachbarn von gegenüber unmittelbar vor der Nase haben. Ähnliches ist auch bei den extrem teuren Luxuswohnungen auf dem Vincentiusgelände gegeben. Italienische Altstadt-Idylle mit zwischen den Häusern gespannten Wäscheleinen lässt grüßen. Es gibt scheinbar immer noch genug dumme Reiche, die über eine Million Euro für eine Eigentumswohnung ausgeben, die über eine schöne Aussicht auf die nahe Bebauung der unmittelbaren Umgebung verfügt und den mündlichen Kontakt der Bewohner von Balkon zu Balkon ermöglicht. Hier hat man sich offensichtlich die Bebauung von Monaco zum Vorbild genommen (Weltkulturerbe adé). Ähnliches gilt für die Trabantenstadt Tannenhof. Diese billigst erstellten Gebäude sind nicht Fisch und nicht Fleisch, sind nicht Luxus aber auch nicht sozial, kurz eine Retortensiedlung und Schlafstadt ohne jeglichen Charakter, die böse Zungen auch als Ghetto bezeichnen könnten.

Um sozialen Wohnraum zu schaffen, hätte die Stadt das Babohochhaus sanieren und in viele mietgünstige Wohnungen umwandeln können. Die Stadt hätte die Möglichkeit dazu gehabt, aber die hat dieser Schlafmützenverein vertan. Vielleicht wäre der türkische Besitzer heute froh, wenn man ihn von der Last dieser Immobilie befreien würde.

Interessant ist im Zusammenhang mit der Wohnsituation auch die Frage welche Energieeinsparungsmaßnahmen bei Immobilien in Baden-Baden vorgenommen wurden oder werden. Aufgrund der hohen Energiekosten, die auch auf Dauer relativ hoch bleiben werden, liegen bei vielen Wohnungen die Mietnebenkosten bereits bei 50 Prozent der Netto-Kaltmiete. Eine Schraube, die sich nicht endlos weiter nach oben drehen lassen wird. Vielen, auch gut betuchten Mietern wird auf Dauer der Wechsel in eine kleinere Wohnung nicht erspart bleiben. Aber gibt es die in Baden-Baden überhaupt, wo man gerade im Immobilienbereich immer dem Luxus großer Wohnungen mit vollverglasten Flächen gefrönt hat die im Winter erhebliche Heizkosten verursachen und sich im Sommer deren Energiefressenden Klimaanlagen als erheblicher Kostenfaktor erweisen. Man könnte gerade in Baden-Baden mit seiner geradezu idealen Sonneneinstrahlung durch Solardächer enorm viel Strom sparen! Was also behindert diese geradezu einmalige Chance? Zwei Dinge; zum Einen will die Stadt ihren relativ wertlosen Welterbe-Titel nicht gefährden, und zum anderen sehen die Besitzer von Mehrfamilienhäusern keinen Grund selbst hohe Investitionen zu tätigen um den Mietern Energiekosten zu sparen. Zum Welterbe-Titel sei die Frage erlaubt, was hat eigentlich der Bürger von diesem Titel? Die Bürger könnten gerne auf diesen Titel verzichten, wenn sie dafür durch ein Solardach Einsparungen bei den Energiekosten erzielen. Und den Besitzern von Mehrfamilienhäusern müssten seitens der Kommune entsprechende Auflagen gemacht werden, denn freiwillig wird keiner die Kosten auf sich nehmen. Übrigens gibt es in der Solartechnik mittlerweile technische Möglichkeiten, die das Erscheinungsbild historischer Bauten kaum nennenswert beeinträchtigen. Damit erübrigt sich auch der ständige Fallbeil-Hinweis auf den Denkmalschutz, der in der Regel jede Modernisierung im Keim erstickt.

Abschließend noch der Hinweis, dass eine Vielzahl von Solardach-Stromeinspeisungen u.a. auch Voraussetzung dafür wäre, dass die Stadt im Laufe der nächsten Jahrzehnte vielleicht noch den einen oder anderen Elektrobus anschaffen könnte, ohne dass das mickrige Städtische Stromnetz ständig zusammenbricht.

Wolfgang Holstein
Baden-Baden


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