Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ - „Das Badische Tagblatt muss umgehend die Entweihung (Profanierung) des Synagogengrundstückes beenden“

Baden-Baden, 12.03.2018, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Hannes Elster, Verleger der ersten Ausgabe des Buches «Der verbrannte Traum» und ehemaliger Redakteur des SWR, Stellung zu dem goodnews4-Bericht Verpflichtung der Eigentümer des alten Baden-Badener Synagogengrundstücks im Kaufvertrag entdeckt − «Nicht zu profanen Zwecken zu verwenden».

Dank der Recherchen von goodnews ist nun offensichtlich, unter welchen Bedingungen 1955 der Verkauf des Synagogengrundstückes an die Eigentümer des Badischen Tagblatts erfolgt ist. Das verkaufte Grundstück sollte ein Kultgrundstück bleiben.

I. Jetzt wissen wir, welche Pflichten dem Käufer des Grundstücks der Synagoge in Baden-Baden auferlegt wurden: es dürfe nicht profaniert werden, wörtlich: «der Käufer verpflichtet sich ferner, das Kaufgrundstück nicht zu profanen Zwecken zu verwenden». Das heißt: Käufer (die Eigentümer des BT) und Verkäufer waren sich beide bei Vertragschluss bewusst und folglich einig, das es dabei um ein geweihtes und kein weltliches Grundstück ging. Sie wussten, es war jener Ort, an dem 1938 durch die Baden-Badener Bevölkerung und die SS die Synagoge geschändet und in Brand gesteckt wurde. Und genau hier wurden die männlichen Mitglieder der jüdischen Gemeinde geschlagen, bespuckt und gedemütigt und dann ins KZ Dachau geschickt, später in den Vernichtungslagern der Nazis ermordet; nur wenige entkamen dem Inferno. In deren Namen und für die jüdische Gemeinde Baden verhandelte nun Leopold Ransenberg mit dem Eigentümer des BT über die Bedingungen, zu denen das Synagogengrundstück verkauft und später genutzt werden sollte. Denn ein jüdisches Leben schien 1955 in Deutschland nie mehr vorstellbar zu sein. Gleichwohl wollte man das Grundstück los sein, allerdings sollte seine kultische Bestimmung auch zukünftig niemals in Frage stehen. Deshalb die bindende Klausel: der Käufer (das BT) verpflichtet sich ... das Kaufgrundstück nicht zu profanen Zwecken zu verwenden. Notare formulieren eben so. Was hätte man damals wohl dazu gesagt, dass dann, Jahre später, eben dieses Grundstück in einen Parkplatz für Journalisten umgewandelt würde? Profanierung? Aber sicher, so war das 1955 eben nicht gemeint.

II. Das Badische Tagblatt muss umgehend die Entweihung (Profanierung) des Synagogengrundstückes beenden. Die Journalisten des BT dürften auf diesem Platz nicht parken, sie sollten sich dessen bewusst sein. Weiter, um bei der journalistischen Abteilung des BT zu bleiben: dass diese Journalisten bis heute in ihrer Zeitung nichts (ich wiederhole: überhaupt nichts!) zu dem Streit um den richtigen Ort für die neue Synagoge berichtet haben (obwohl die Stadt Baden-Baden voll davon ist), beschreibt sehr gut den im Badischen Tagblatt gepflegten speziellen journalistischen Geist: Opportunismus pur gepaart mit Angst und Schrecken vor den Eigentümern. Die angestellten Journalisten wissen, dass ihre Dienstherren mit Grundstücken spekulieren, dass sie mit der Stadtverwaltung verbündet sind, wenn es um ihre finanziellen Interessen geht, kurz: dass das ganze Unternehmen ein höchst spezielles journalistisches Medium ist, das nur druckt, was den Eigentümerfamilien recht ist oder nützt. Meist Hand in Hand mit dem Rathaus, das von unserer sehr bemerkenswerten Frau Oberbürgermeisterin Margot Mergen regiert wird.

III. Jahrelang hat die jetzige (neue) jüdische Gemeinde ein Grundstück für den Neubau ihrer Synagoge gesucht. Hat die Stadt Baden-Baden dabei geholfen? Nein. Obwohl sie hätte helfen können, so wie andere Städte in Baden-Württemberg ihren (neuen) jüdischen Gemeinden beim Bau einer neuen Synagoge geholfen haben. Andere Städte in Baden-Württemberg haben mit Millionensummen geholfen, weil es für sie ein willkommener Anlass für Wiedergutmachung war. Baden-Baden und seine Oberbürgermeisterin haben der jüdischen Gemeinde nicht geholfen, sondern nur eine dürre Presseerklärung abgesondert. Ich hätte mich gefreut, wenn meine Oberbürgermeisterin sich ebenso verhalten hätte, wie die anderen Oberbürgermeister in Baden-Württemberg − aber das ist nicht ihre Art. Wir hätten kein städtisches Grundstück für eine Synagoge, ließ sie verkünden. Es ist eine glatte dumme Lüge. Meine Stadt Baden-Baden hätte viele Grundstücke anbieten können oder das alte Grundstück zurück organisieren können (nein: müssen!), weil es gegen die vertraglichen Verpflichtungen als Abstellplatz für Autos missbraucht wird, was die Stadt natürlich weiß. Aber das ließ die Oberbürgermeisterin von Baden-Baden kalt.

IV. Ich wäre sehr gern stolz auf meine Stadt Baden-Baden gewesen, so stolz wie die Bürger in vielen Städten in Baden-Württemberg sein können, weil deren Oberbürgermeister sich sehr nobel gegenüber den neu entstandenen jüdischen Gemeinden verhalten haben: sie boten Grundstücke für den Neubau von Synagogen an, und viele halfen noch dazu mit Millionenbeträgen, um den Neubau einer Synagoge zu ermöglichen. Warum? Weil man sich seiner Mitschuld an den Novemberpogromen 1938 bewusst war, weil man seinen Beitrag zu einer Wiedergutmachung leisten wollte, obwohl die Schuld von damals niemals wieder gut gemacht werden kann. Aber man wollte sich jetzt wenigstens nobel erweisen. In Freiburg ist der Platz der alten Synagoge heute ein Gedenkplatz, würdig wieder hergerichtet. Auch das ist etwas, mit dem Freiburg leben kann. Mit dem Parkplatz des BT und der Presseerklärung, die unsere Oberbürgermeisterin verbreiten lässt, können wir in Baden-Baden leider schlecht leben. Es bleibt ein fader Nachgeschmack. Nichts davon ist nobel, nichts davon ist würdig, es ist nur zum Schämen.

V. Und wie weiter? Die Stadt Baden-Baden sollte das BT und seine Eigentümer zur Vernunft bringen, auf dass sie sich vertragstreu an den Kaufvertrag von 1955 halten. Die Profanierung des Grundstückes (das heißt: die Entheiligung des Grundstückes der alten Synagoge) muss sofort beendet werden. Die heutige jüdische Gemeinde war bereit, das Grundstück für einen angemessenen Preis käuflich zu erwerben: warum baut sie nicht auf dem ehemaligen Grundstück der alten Synagoge? Denn die Eigentümer dieses Parkplatzes wollen ja sowieso wegziehen und ein neues Redaktionsgebäude bauen, hinter die Bahn. Und auf dem alten Platz der Synagoge darf (laut Kaufvertrag) nichts «Weltliches» passieren, es darf dort also weder geparkt werden, noch dürfen dort Wohnungen gebaut werden. Das ist vertraglich ausgeschlossen worden. Mit einigem (wenn auch arg verspäteten) gutem Willen kann man die Dinge um den Platz der neuen Synagoge noch zu einem guten Ende bringen. Und zwar bevor wir die Schande in Baden-Baden zulassen, dass sich die heutige jüdische Gemeinde an den Zubringer verdrängen lassen muss, obwohl es eine angemessene und würdige Lösung gibt.

Hannes Elster
Baden-Baden


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