Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – „Drama um die Synagoge“ – „Nichts aus der Geschichte gelernt und keinen Deut besser als ihre armseligen Väter und Großväter“

Baden-Baden, 03.05.2018, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Gerd Weismann Stellung zu dem goodnews4-Bericht Baden-Baden liest zur Vergangenheit und schweigt zur Gegenwart − Ruben Schuster zum Stopp des Synagogen-Projektes Fürstenbergallee: «Ein gutes Zeichen».

Beschämend und bezeichnend! Die Enteignung der Juden im dritten Reich und deren anschließende Ausbeutung und Vernichtung war für die Kriegskasse der Naziherrschaft im dritten Reich eine nicht zu unterschätzende Beute. Juden, Sinti, Roma, Nicht-Arier, und schließlich Behinderte und Kriegsgefangene wurden als Zwangsarbeiter in den Fabriken, in der Landwirtschaft und beim Straßenbau ausgepresst bis aufs Blut und wenn die Lebens- und Arbeitskraft dieser Menschen erloschen war, konnten sie bedenkenlos «entsorgt» werden. Die Devise war: Leben hat Wert solange es Geld bringt, «unwertes» Leben kann weg. Die Profitmaximierung steht in der bürgerlichen Gesellschaft immer an erster Stelle, egal welche Gestalt sie sich gibt. Der Faschismus ist dabei eben nur das offene, unverblümte, nackte und brutalste Gesicht der Herrschaft des Kapitals.

Den jüdischen Mitbürgern wurde von der damaligen Regierung auch in Baden-Baden ihr gesamtes Hab und Gut beschlagnahmt und gestohlen, die Menschen wurden abtransportiert, ausgebeutet und vernichtet, ihre Synagoge verbrannt und abgerissen. Warum wird der Platz der ehemaligen Synagoge nicht an die Nachkommen der ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben? Ganz einfach: eine Synagoge bringt keine Rendite, deshalb gibt es auch keine Entschuldigung, keine Entschädigung, keine Wiedergutmachung, denn nach wie vor steht der Profit an erster Stelle. Wenn auf den Standort der ehemaligen Synagoge ein Versicherungskomplex, ein Bankgebäude, ein Luxuswohnprojekt oder am Besten ein Fünf-Sterne Hotel, das Baden-Baden noch dringend brauchen könnte, gebaut wird, dann ist mit einem hohen Grundstückpreis zu rechnen. Dafür zu sorgen, dass die jüdische Gemeinde das Grundstück als Wiedergutmachung für das geschehene Unrecht zurückbekommt und zwar als Geschenk, daran ist nicht zu denken, denn dabei gibt es keinen Gewinn zu machen, zumindest keinen monetären.

Genau genommen müsste der jüdischen Gemeinde der Platz inklusive einer neuen Synagoge zurück geschenkt werden, denn es war der von der damaligen Regierung aufgestachelte Baden-Badener Nazi-Mob, der die Synagoge abgebrannt und das Grundstück enteignet hat. Das geschehene Unrecht an der jüdischen Bevölkerung kann nicht wieder gut gemacht werden, aber es könnten und sollten Zeichen gesetzt werden, die unsere Zeit nötiger als je zuvor. Es liegt in der Hand des Gemeinderats der würdelosen Diskussion eine gutes Ende zu bereiten und Fakten zu schaffen, die sich vor der Welt sehen lassen können. Wenn das nicht endlich gelingt, kann man nur sagen: sie sollen ihr Bündel packen und gehen, denn sie haben nichts aus der Geschichte gelernt und sind keinen Deut besser als ihre armseligen Väter und Großväter.

Gerd Weismann
Baden-Baden


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