Leserbrief
Leserbrief „Meine Meinung“ – „Welcher Chefarzt oder andere qualifizierte Fachkraft wird sich in den nächsten 15 Jahren um einen Posten im KMB Mittelbaden bewerben?“ – „15 Jahre Stillstand, wahrscheinlicher aber Verfall und Niedergang der Standorte“
Baden-Baden, 18.10.2022, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Dr. Irmgard Juliane Tilemann Stellung zu dem goodnews4-Bericht Klinik-Entscheidung in Rastatt von Lokalpatriotismus gelenkt – Text in Anzeigenblatt verrät Motive der Rastatter Kommunalpolitiker.
Zukunftsvision, betreffend Baden-Baden, Bühl, Rastatt und das Murgtal.
Zur Diskussion um den Standort einer Zentralklinik für o.a. Großraum möchte ich beitragen und (m)einen Blick auf die nächsten 15 Jahre richten.
Ich habe die Umformungen der vormaligen Stadtklinik und des jetzigen KMB Mittelbaden in den letzten 20 Jahren als niedergelassene Ärztin und aktiv im Badeärztlichen Verein erlebt. Die Auswirkungen der oft turbulenten Wandlungen waren bis in die Praxis hinein spürbar. Die betroffenen Patienten berichteten in der ganzen Bandbreite von «sehr gute Behandlung» bis «nie wieder».
Natürlich hat mir der Plan einer Zentralklinik mit mehr Ordnung und Zusammenarbeit sofort gefallen, und er gefällt mir immer noch. - Als die ersten Diskussionen um den idealen Standort diskutiert wurden, habe ich rein strategisch den Standort im Münchfeld für den besten gehalten. Zu diesem Ergebnis kam auch die Auswahlkommision, und ich war zufrieden damit im Sinne der besten Patientenversorgung. Ärzte, die als Notarzt unterwegs sind, sehen die Situation der Erreichbarkeit anders.
Die Bauzeit wird auf 10 Jahre veranschlagt, ein Jahr ist schon mit der Standortauswahl verstrichen. Wenn wir realistisch sind, wird die Zeit bis zur Inbetriebnahme mindestens 15 Jahre betragen, eher länger. - Bis zur Fertigstellung wird sicherlich wenig bis nichts in die bisherigen Standorte investiert werden: in Gebäudeinstandhaltung, Geräte, Zukunftsinvestitionen und -visionen. Das bedeutet 15 Jahre bestenfalls Stillstand, wahrscheinlicher aber Verfall und Niedergang der Standorte und der bisher gut geführten Abteilungen. Einige gut qualifizierte Angestellte haben erkannt, dass sie vielleicht bis zu ihrem Rentenalter nur mit Mängelverwaltung beschäftigt sein werden, anstatt sich zu entwickeln und neue medizinische Möglichkeiten mit aufzubauen. Mit Bedauern habe ich den Abschied von verschiedenen fähigen Führungskräften und Mitarbeitern registriert – kann dies jedoch nur zu gut verstehen.
Welcher Chefarzt oder andere gut qualifierte Fachkraft wird sich in den nächsten 15 Jahren um einen Posten im KMB Mittelbaden bewerben, wenn man weiß, dass die nächsten Jahre «nichts geht»? Gute Kräfte sind nicht nur in Deutschland, sondern international umworben. -Vielleicht ist das eine gute Stelle für jemanden, der zwei Jahre z.B. Chefarzt in Baden-Baden als Sprungbrett für eine bessere Stellung benutzen kann? Dagegen zwei Jahre Chefarzt in Rastatt … wo ist Rastatt?
Verzeihen Sie mir meine zugespitzten Visionen. Doch als niedergelassene Ärztin trifft mich solch ein Szenario mit Schrecken! Wie schon gesagt, die Versorgung in der Klinik schlägt bis in die Praxen durch (und natürlich auch umgekehrt, das ist ein anderes drängendes Thema). Dazwischen verlieren sich die Patienten und das Personal orientierungslos.
Als vorher vernunftmäßige Befürworterin des Münchfeld-Standorts stelle ich fest, dass die äußere «Vernunft» alleine nicht ausreicht. Mittlerweile sind verschiedenste Kriterien von der Bevölkerung in die Diskussion mit eingetragen worden, die ich für ebenso schwerwiegend in der Gewichtung erachte wie die Pläne der Unternehmensberatung!
Ein Ausweg aus meinem oben geschilderten Dilemma scheint mir nur folgende Lösung: Die Klinik muss in Balg an ihrem jetzigen Standort bleiben! Die Balger Klinik soll mit Mut zu Zukunftsinvestitionen und Behutsamkeit erhalten und in einem Gesamtkonzept ausgedehnt werden. Nicht umsonst wurde die Stadtklinik im Bau so konzipiert, dass sie bei Bedarf erweitert werden kann. Die Patienten und die Mitarbeiter müssen sehen, dass ihre Klinik und ihr Arbeitsplatz eine Zukunft hat. Nur dann werden sie bleiben und Unannehmlichkeiten durch den Ausbau mittragen.
Anderenfalls sehe ich schlechte bis katastrophale Zustände in der medizinischen Versorgung für die nächsten 15 Jahre auf uns alle zukommen.
Dr. med. Irmgard Juliane Tilemann
Baden-Baden
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