Leserbrief
Leserbrief „Meine Meinung“ – Wochenendlektüre über Erlebnisse in der Sterne-Gastronomie – „Tourismus-Chefin Waggershauser schwärmt von 4.000 Besuchern zu Fress- und Sauf-Orgie“
Baden-Baden, 04.02.2023, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Wolfgang Holstein Stellung.
In der Annahme, dass sich unter den Lesern der goodnews4 auch Gourmets befinden, die gerne die gehobene Gastronomie besuchen und zwar nicht nur zum Drogenkonsum wie den letzten Meldungen der Staatsanwaltschaft zu entnehmen war, soll an dieser Stelle keine kriminalistische Betrachtungsweise erfolgen, sondern ausdrücklich die gute Küche in unserer schönen Region vom gediegenen Landgasthof bis zur Sterne-Gastronomie gewürdigt werden. Allerdings ist auch die Sterne-Gastronomie leider nicht mehr das, was sie einmal war. Auch hier gibt einige Wermutstropfen, wie nachfolgende Beispiele zeigen.
So haben meine Frau und ich beim Besuch eines 3-Sterne-Tempels im schönen Schwarzwald folgendes erlebt. In der Regel gibt es bei uns ein Pils als Aperitif, wenn jedoch ein kulinarisches Festmahl ansteht, und ein solches darf man in der Sterne-Gastronomie erwarten, wird dieses mit einem Gläschen Champagner eingeleitet. Gesagt, getan wurde im bezeichneten 3-Sterne-Restaurant je ein Glas Champagner als Aperitif bestellt. Da sich der Sommelier scheinbar zu nobel war diesen zu kredenzen, wurde er von einem jungen Mädchen gereicht, die sich offenbar noch in der Ausbildung befand. Diese schenkte das erste Glas bis zur üblichen Füllhöhe ein und musste dann feststellen, dass der Rest in der Flasche für die erforderliche Füllhöhe des zweiten Glases nicht mehr ausreichte. Oh Schreck, was tun? Der Sommelier war weit und breit nicht zu sehen, also entschwand die junge Dame wortlos und ward nicht mehr gesehen. Oberpeinlich und eine Schande für den verantwortlichen Sommelier. Richtig wäre gewesen, das schlecht gefüllte Glas mit einer Entschuldigung zu entfernen, ein neues Glas und eine neue Flasche zu bringen und dieses Glas zur vorgegebenen Füllhöhe einzuschenken.
Oder der Vorgang in einem anderen Sternelokal. Dort war es ein spürbar fühlbarer Unterschied, ob das Lokal (wie normal) von 20 bis maximal 24 Gästen besucht war, oder aus irgendeinem Anlass (Geburtstag, etc.) plötzlich von 40 Gästen. In einem solchen Fall wurde an unserem Tisch einmal kein sonst üblicher «Gruß aus der Küche» gereicht, was dem stets mit reichlich Trinkgeld versehenen Oberkellner aber nicht auffiel. Aufgrund der süffisanten Nachfrage, ob wir bei der Küche in Ungnade gefallen seien, wurde der «Gruß aus der Küche» ohne ein Wort der Entschuldigung mit eisiger Miene nachgereicht, konnte die Situation aber auch nicht mehr retten.
Oder wie ein Lehrling vergeblich versuchte eine Weinflasche zu öffnen. Die bestellte Flasche Wein kam zusammen mit der Vorspeise, also schon mal zu spät. Dann wurde diese aber nicht vom Sommelier geöffnet, denn der war in eine «wichtige» Unterhaltung mit einem anderen Gast vertieft. Also wurde diese Arbeit einem Lehrling überlassen, der damit jedoch heillos überfordert war. Die Vorspeise war bereits verzehrt, die Weinflasche aber immer noch nicht geöffnet. Meine Frage an den Sommelier, ob er vielleicht Hand anlegen wolle, oder ob ich die Flasche selbst öffnen solle, wurde lediglich mit verbissener Miene und hochrotem Kopf quittiert.
Oder wie ein Lehrling einem Gast am Nachbartisch beim Vorlegen den Rotkohl zum Wild nicht auf den Teller sondern auf die Hose schaufelte. Das war aber noch nicht der Höhepunkt, denn nun kam der Restaurant-Chef herbeigeeilt, schnappte sich eine Serviette und begann an der Hose des Gastes im Schrittbereich herum zu reiben, was dieser verständlich erbost zurückwies. Noch peinlicher geht es wirklich nicht mehr. Die Übernahme der Reinigungskosten wurde dem Gast nicht angeboten.
Alles geschehen in sogenannten Sterne-Gastronomien und diese wurden von uns nach den geschilderten Vorkommnissen auch nicht mehr besucht. Eine eventuelle Beschwerde beim «Chef» bringt in der Regel nichts, denn man erhält immer nur eine wortreiche Entschuldigung versehen mit dem Hinweis, dass man leider kein gut ausgebildetes Personal mehr finde. Eine traurige Erkenntnis, die man zumindest in einem Sterne-Restaurant bei den dort geforderten Preisen nicht erwarten sollte.
Fazit: Selbst der beste Koch kann mit seinen hervorragenden Kreationen nicht den Ärger glätten, der durch einen unmotivierten, lustlosen und schlecht ausgebildeten Service verursacht wird. Die Gastronomen sollten immer bedenken, dass die Gäste kommen, um einen schönen entspannten Abend bei gutem Essen zu verbringen. Nur um den Hunger zu stillen, wird sicher niemand bereit sein, mehrere hundert Euro für ein Abendessen für zwei Personen auszugeben, das kann man in jeder Pizzeria billiger haben. Die Gastronomen wären deshalb gut beraten, wenn sie auf bestens ausgebildeten Service setzen, statt den Gästen von billigen Aushilfskräften (Foodrunnern) die Teller auf den Tisch knallen zu lassen. Verärgerte Gäste sind künftig fehlende Gäste und fehlende Gäste bedeuten letzten Endes die Pleite des Betriebes. Dass diese Pleite bei einigen bekannten Sterne-Gastronomien schon eingetreten ist, und bei anderen noch eintreten wird, ist nicht zuletzt auch aus der Tatsache ersichtlich, dass viele dieser Spitzenköche mittlerweile als Koch-Clowns bei verschiedenen Fernsehanstalten in Klamauk-Kochsendungen ihr Auskommen sichern müssen.
Weil die Umsätze auch in der hochpreisigen Gastronomie, speziell in Baden-Baden, nicht zuletzt aufgrund der fehlenden russische Gäste zurückgehen, muss man sich etwas Neues einfallen lassen. «Sie sparen ………Prozent»; dieser Slogan wird zwar in vielen Branchen angewendet, bisher jedoch noch nicht in der Gastronomie. Nun ist allerdings der Werbestratege eines renommierten Baden-Badener Restaurants auf die Idee gekommen, diesen ebenfalls anzuwenden. Wenn auch nicht in der primitiven eingangs erwähnten Form, sondern damit, dass er bei einem 5-Gänge-Menü neben den einzelnen Gängen jeweils den Preis angibt, der in der Tageskarte für die Einzelgerichte zu bezahlen wäre. Dabei ist jedoch der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass die Menü-Portionen etwas kleiner ausfallen als die Gerichte auf der Karte, denn er behauptet ja nicht, dass es sich um ein identisches Gericht handelt, sondern verweist nur ohne weiteren Kommentar darauf, dass es dieses Gericht auch auf der Karte gibt, dort allerdings zu einem höheren Preis. Da aber nicht jeder Gast Jurist ist, sondern im guten Glauben handelt, dass er bei Bestellung des ganzen Menüs gegenüber der Einzelbestellung dieser Gerichte 69 Euro spart, könnte man dies böswillig vielleicht als eine bewusste Irreführung bezeichnen.
Es wird wohl nicht mehr lange dauern, dann setzt sich in Deutschland unter Berücksichtigung der «Geiz ist geil»-Mentalität bald generell die Basar-Mentalität durch und die Waren werden nur noch mit Preisen ausgezeichnet, welche lediglich eine Verhandlungsbasis darstellen und es bleibt dann dem Geschick des Kunden überlassen, wieviel er von diesen Preisen herunterhandeln kann. Wer also beispielsweise statt zu zweit zu viert in ein Restaurant kommt, könnte Mengenrabatt verlangen. Vielleicht schließt sich die Gastronomie auch dem Vorbild einiger Bäcker an die abends übriggebliebene Backwaren zum halben Preis abgeben und bietet kurz vor Küchenschluss die bereits vorbereiteten und somit am nächsten Tag nicht mehr verwendbaren Lebensmittel zum halben Preis an, um deren Vernichtung zu verhindern. Es wird interessant sein zu beobachten, wohin speziell die gehobene Gastronomie driftet. Hier, wie auch in vielen anderen Branchen, sind neue Idee bzw. eine neue Einstellung dem Kunden gegenüber gefragt!
Eine dieser neuen Ideen ist das von unserer bisher wenig einfallsreichen Tourismus-Chefin Waggershauser angekündigte Wein- und Gourmetfestival und sie schwärmt von ca. 4.000 Besuchern, die zu dieser Fress- und Sauf-Orgie erwartet werden und Eintrittspreise von 195 Euro bzw. 395 Euro für die Gold-Variante pro Person berappen. Wenn von diesen vielen tausend Besuchern dann auch noch viele hundert Besucher die Gourmet-Menüs der Sterneköche Bernhard für 426 Euro und Maltes für 456 Euro, oder sogar das absolute Dekadenz-Highlight-Menü im Brenners Park-Hotel für 2.950 Euro (alle genannten Preise pro Person versteht sich) buchen, dann ist das Glück der Tourismus-Chefin perfekt. So zumindest der theoretische Traum aller Beteiligten. Ob sich dieser erfüllt oder als Alptraum mit nur wenigen Besuchern endet, wird man sehen. Nachdem die reiche russische Klientel zum großen Teil ausfällt, dürfte insbesondere das Menü für 2.950 Euro pro Person auf geringe Resonanz stoßen. So ein Menü hätte die bezeichnete Klientel früher mit mehreren Personen gebucht, aber diese Zeiten sind wahrscheinlich auf lange Sicht vorbei. Ob der einheimische Gourmet, der ja selten alleine, sondern meist in Begleitung erscheint, bereit ist 6.000 Euro für ein paar Stunden kulinarischen Vergnügens zu zweit zu bezahlen, muss sich erst noch erweisen. Vielleicht finden sich womöglich auch ein paar Demonstranten mit Kameras bewaffnet vor dem betreffenden Hotel ein, dann erlangen die Menüteilnehmer die mediale Aufmerksamkeit, die sie sich wünschen, oder vielleicht nicht wünschen? Für das Finanzamt wäre die Gästeliste sicher auch von Interesse.
Sollte diese Veranstaltung jedoch wider Erwarten ausgebucht sein und somit ein großer Erfolg werden, dann schlage ich vor, bei der nächsten derartigen Veranstaltung mit einem Menü für 25.000 Euro pro Person die Dekadenz auf die Spitze zu treiben. Zum Beispiel mit Vorspeise frei nach Lukullus ein Dutzend Nachtigallenzungen auf 500 gr. Kaviarsockel dazu eine halbe Flasche Weißwein Romanée-Conti Grand Cru 2010; danach frei nach Frank Ribery ein mit Blattgold belegtes 500 gr. Wagyū-Kobe Filetsteak dazu eine halbe Flasche Rotwein des gleichen Jahrgangs und aus dem gleichen Weingut.
Fazit: keinem Gourmet soll die Freude an einem kulinarischen Genuss vergällt werden und wer es sich leisten kann und nicht jeden Euro dreimal umdrehen muss, soll es genießen, aber irgendwo ist eine Grenze und es ist nicht nur unmoralisch sondern auch strohdumm seitens der Initiatoren, in dieser Zeit der allgemeinen Einschränkungen und den Tafeln die Lebensmittel ausgehen mit so einer Veranstaltung zu protzen und damit den Unmut der Bevölkerung zu schüren der zur Ablösung des oder der Verantwortlichen berechtigen würden.
Zur gegebenen Zeit wird noch einmal ein entsprechender Leserbrief auf dieses «Event» hingewiesen.
Wolfgang Holstein
Baden-Baden
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