Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ zu autofreie Innenstadt Baden-Baden – „Allmachtsanspruch durch Auto-Lobbyisten muss definitiv zu Ende sein“

Baden-Baden, 15.01.2019, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Oliver Haungs Stellung zu dem goodnews4-Bericht Überlegungen für autofreie Innenstadt Baden-Baden − Von Festspielhaus bis Augustaplatz − Bürgermeister Uhlig schreibt Stadtrat Schmoll − Mögliches Vorbild der Schweizer Wintersportort Zermatt.

Das Thema autofreie Innenstadt in Baden-Baden elektrisiert natürlich die Stadt, wo bis dato verkehrstechnisch weitergewurschtelt wurde wie viele Jahre zuvor. Diese Lethargie beginnt nun zusehends und progressiv Schmerzen zu verursachen, da man leidvoll erkennen muss, mit den bisherigen Weisheiten in eine Sackgasse gefahren zu sein. Mit anderen Worten: Es tat sich nicht viel. Die Verkehrsprobleme haben sich akkumuliert. Die jetzige Diskussion suggeriert der Öffentlichkeit es gäbe nur Schwarz oder Weiß, d. h. auf dem alten Kurs der Vergangenheit in der Verkehrspolitik zu beharren und die Autos weiter gewähren zu lassen oder gleich das Bad mit dem Kinde auszuschütten und die Innenstadt von Festspielhaus bis Augustaplatz für den gesamten Autoverkehr zu sperren. Beides ein Schmarrn, der der im Mai diesen Jahres anstehenden Kommunalwahl geschuldet sein dürfte.

Jetzt rächt sich, dass nicht schon seit vielen Jahren, in denen innovative und entschlussfreudige Rathäuser mit ähnlichen Problemen bereits Nägel mit Köpfen gemacht haben und nachhaltig und zielstrebig umgelenkt haben, eine zielstrebige Diversifikation des Verkehrs angestrebt wurde. So wurde beispielsweise jahrzehntelang der Radverkehr vollkommen stiefmütterlich behandelt. Eine gewachsene Kultur des Radnutzens auf kurzen und mittleren Distanzen breiter Bevölkerungskreise fehlt fast gänzlich, eine stringente, sehr gut ausgebaute Radwegsinfrastruktur vielerorts. Kein Wunder also, dass ein vermehrter Umstieg aufs Fahrrad bisher auf sich warten lässt, wenn allenthalben das Auto, LKWs und Busse oberste Priorität haben. Dabei wäre bei genügend politischem Willen auch eine konstruktive friedliche Koexistenz mehrerer Verkehrsmittel nebeneinander möglich, ohne gleich mit Verboten, Sperren und Strafen hantieren oder drohen zu müssen. Auf die stößt der bevormundete Bürger schon viel zu oft. Sie stellt in meinen Augen eine Kapitulation der kommunalen Verkehrspolitik vor den zu bewältigenden Herausforderungen dar.

Erster Schritt hin zu einer nachhaltigen Verbesserung ist ein massiver Ausbau des Radwegenetzes in der und rund um die Stadt, um den jahrelangen Investitionsstau bei Expansion und Instandhaltung/-setzung aufzuholen. Hier muss nicht mit Zwangsmaßnahmen gedroht werden, um eine Reduzierung des Autoverkehrs in der Innenstadt zu erreichen. Die Kommunalpolitik muss stattdessen attraktive Angebote für einen freiwilligen Umstieg nennenswerter Bevölkerungskreise z. B. auf das Fahrrad bereithalten und endlich Geld dafür in die Hand nehmen. Wenn die Infrastruktur und deren Qualität stimmen, kommt der Umstieg fast von alleine. Das Gleiche gilt für den ÖPNV, wo es auf eine gelungene Taktung und einen sozialverträglichen Fahrpreis auch für Einkommensschwache und Pendler ankommt. Das ganze Thema ist vielschichtig und muss zur größtmöglichen Zufriedenheit aller gelöst werden, schließlich geht es auch um berechtigte existenzielle Fragen des Einzelhandels in der Innenstadt.

Die Maßnahmen der Verwaltung müssen noch mehr als in der Vergangenheit an Drive gewinnen und anfangen, Traktion zu liefern, sonst verschärfen sich die Probleme noch weiter und eine Lösung wird teurer und umständlicher. Ein positives und ganz wichtiges Signal in diese Richtung wäre z. B. die Schaffung einer 100-Prozent-Stelle für einen Radverkehrsbeauftragten in Baden-Baden! Die vollkommen falsche Richtung schlagen jene ein, die schon wieder versuchen die Bevölkerung zu teilen und einzelne Gruppen von Verkehrsteilnehmer gegeneinander aufzubringen und auszuspielen, denn es muss eine ganzheitliche, umweltfreundliche und für die Stadt entlastende Lösung geben, bei der sich jeder Baden-Badener Verkehrsteilnehmer und Anlieger wiederfindet. Eins steht allerdings fest, die Zeit eines Alleinvertretungs- und Allmachtsanspruchs in allen Verkehrsfragen durch Auto-Lobbyisten muss definitiv zu Ende sein, zu Gunsten einer Verschiebung zu einem neuen Verkehrsmix mit weniger Emissionen und Lärm.

Oliver Haungs
Muggensturm
Mitglied im ADFC Kreisverband Baden-Baden, Bühl, Rastatt


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