Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – Zu „Benedikt Stampa glaubt an Rettungsschirm für Festspielhaus Baden-Baden“ – Ist das Festspielhaus der ‚genius loci‘ für Kunst und Musik oder nur das „Füllen“ von Hotelbetten?

Baden-Baden, 07.07.2020, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Gertrud Mayer Stellung zu dem goodnews4-Bericht Benedikt Stampa glaubt an Rettungsschirm für Festspielhaus Baden-Baden − «Wir stehen auch relativ weit in den Verhandlungen».

«Ich glaube, dass Baden-Baden noch wahnsinnig viel Potential hat … für ausländische Touristen und Gäste, und da spielt Kultur eine extreme Rolle. … Die Festspiele gehen nach Baden-Baden und gehen in die Hotels und das Burda Museum … und wir senden sozusagen damit Signale aus», sagt Benedict Stampa.

Wo ist der «unglaublich große Kreis von Privatstiftern, vom Land, die Signale senden, dass sie uns helfen wollen. … Die Substanz des Hauses ist schon extrem stark». Schwafeln Sie nicht, Herr Stampa! Der nichtssagenden Worte sind genug gewechselt, lassen Sie uns endlich Taten sehen!

So wie in Madrid (FAZ vom 1.7.2020) «Tränen der Freude, aber kein Kuss, keine Berührung.» Mit Giuseppe Verdis Oper «La Traviata» singt das Teatro Real nach langer Pause gegen die Corona-Angst an, die das Musikleben lähmt. «Wir müssen die neue Normalität erobern. Das Theater muss mutig sein», sagt der Inten¬dant Joan Matabosch. «Sein Haus setzt die halbszenische Produktion bis Ende Juli gleich 27 Mal auf den Spielplan. Zusammen mit den Künstlern auf der Bühne und den Technikern werden jeden Abend tausend Menschen im Theater gegenüber dem Königspalast sein – und zusätzlich eine Reinigungstruppe von zwanzig Personen. … 869 Sitze, halb so viele wie vor Corona, stehen deshalb nur bereit. … Aus dem ganzen Haus waren die Mitarbeiter in den Saal gekommen, um die ersten Klänge nach der großen Stille zu hören. Viele brachen in Tränen aus. … Die Bühne ist riesig, aber der Spielraum begrenzt. Sie überzieht ein riesiges rotes Gitternetz. Die Quadrate für Solisten und Chorsänger sind genau zwei mal zwei Quadratmeter groß – so wie es die Gesundheitsbehörden angeordnet haben.»

In der Oper ist die Musik das Medium, nicht das Bild. «Doch die Restriktionen sind rigoros. Berührungen und Küsse sind dem Liebespaar verboten. Violetta kann Alfredo nicht einmal die Kamelienblüte überreichen.» Dasselbe geschieht in Mailand, in drei Berliner Opernhäusern, in vielen kleineren Häusern. Wem die Musik wirklich und lebensnotwendig am Herzen liegt, der nimmt die Hände aus den Hosentaschen und schreitet zur Tat. Menschen, die nach Musik lechzen, gibt es überall. Sie stehen Schlange im Vorverkauf, der Sitzplatz und auch die moderat angepassten Kosten sind ihnen gleich. Sie wollen, wie in Madrid, Verdi hören trotz aller Hygienevorschriften.

Hier und heute liegt auch eine große Chance, die junge Generation für die klassische Musik zu gewinnen. Warum nutzt das Baden-Badener Festspielhaus diese nicht? Das Tourismusprogramm mit einer Stunde Konzert im Hotel ist entwürdigend wenig. Ist «en suite» eine Verbeugung vor zwei Stiftern? Jedenfalls ist es kein Angebot für Baden-Badener Bürger, den neuen Eigentümern des Festspielhauses! Konzerte könnten auch im Festspielhaus stattfinden und Hotelgäste werden mit einem Shuttle dorthin transportiert.

Die Intendanz sollte diese Gunst der Stunde nutzen und so potentielle Förderer und Spender überzeugen, dass Musik und Kunst nötige Grundnahrungsmittel sind und jede Krise überleben müssen – oder?

Gertrud Mayer
Baden-Baden


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